Das neue Ich der HR

Lange genug haftete der HR-Abteilung das Image an, nicht zu den innovativsten im Unternehmen zu gehören. Nun bekommt sie die Chance, Treiber für die Digitalisierung zu sein. [...]

Die Personalabteilung kann auch Digitalisierungstreiber sein. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (c) pixabay.com

Digitalisierung im HR-Bereich steht nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie auf den To-Do-Listen von Unternehmen. Viele haben bereits vor Jahren die ersten Schritte unternommen. Die Nachzügler mussten spätestens mit der Abwanderung der Mitarbeiter ins Homeoffice damit beginnen. Erstaunlich dabei: Der Umstieg funktionierte bei vielen nicht nur deshalb relativ reibungslos, weil es zum Beispiel cloudbasierte, leicht bedienbare Lösungen für Zeiterfassung oder administrative Prozesse gibt. Ausschlaggebend war, dass sie bereits vor der Krise eine Kultur von Vertrauen und Zuversicht im Unternehmen aufgebaut hatten. Sie haben also darauf gesetzt, dass jeder eigenverantwortlich unter diesen Gegebenheiten gut weiterarbeiten kann.

Wenn also der Wille bereits vorher schon da war, woran lag es dann, dass viele bis zum großen Krisenknall gewartet haben? Schließlich hat die neue HR-Generation komplizierte und papierlastige Prozesse längst in Frage gestellt und fordert sowohl die Tool-Unterstützung als auch eine schnellere Umsetzung neuer Themen ein.

Ein Blick in den Rückspiegel zeigt die Antwort: Personaler brauchen Mut! Und den hatten in den Jahren vor Corona nicht alle. Niemand hat sich den Hut für die Digitalisierung aufgesetzt. Wessen Aufgabe wäre es auch gewesen? Die der Geschäftsführung oder der IT-Leitung? Von wem kommt der Impuls und wer treibt es wirklich voran? In der Vergangenheit wurde dies hin und her geschoben, HR hat die Verantwortung oftmals nicht übernommen. Mit Corona wurde der Druck plötzlich enorm groß: Es gab kein Onboarding mehr, die Prozesse haben nicht funktioniert, der Zugriff auf Akten und Dokumente war nicht möglich, weil mitunter auch die DSGVO schlichtweg nicht gelebt wurde. Doch genau dadurch hat HR nun die Chance, der wirkliche Treiber der Digitalisierung zu sein.

Vertrauen ist gut, Kontakt ist besser

Nicht selten kam es vor, dass und HR-Abteilung im Alltag zu wenig zusammenarbeiteten und HR-Software-Themen dementsprechend nicht in der angebrachten Geschwindigkeit voran getrieben wurden. Hier hat die Pandemie eindeutig etwas Gutes, denn spätestens seit dem Homeoffice-Shift müssen beide zusammenarbeiten, weil viele Arbeitsweisen oder Prozesse aktuell nicht wie gewohnt fortgeführt werden können. Excel-Sheets oder Dokumente auf Papier zum Beispiel. Sie zählen bei vielen Unternehmen heute noch zum Standardwerkzeug. Erstrebenswert sind aber automatisierte Prozesse und Tools, durch die jeder in der Prozesskette auch Transparenz über die aktuellen Geschehnisse erhält. Ein heikler Punkt, wenn es um die Zeiterfassung geht. Die Nachfrage nach diesen Tools ist – aufgrund eines EuGH-Urteils – momentan natürlich hoch, schließlich ist man als Mitarbeiter im Homeoffice quasi unsichtbar. Manche Mitarbeiter werten die Einführung der Zeiterfassung als Kontrollfunktion, was letzten Endes wieder der Unternehmenskultur geschuldet ist. Die aktuellen Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade junge Teams auf Vertrauensbasis arbeiten und damit kein Problem haben. Zumal die Zeiterfassung auch projektbezogen erfolgen kann.

Ebenfalls stark nachgefragt werden derzeit All-in-One-Lösungen oder Tools, in denen alles entsprechend miteinander verbunden und ein einheitliches Arbeiten möglich wird. Klar ist es für den Anwender wesentlich einfacher, wenn für die Themen Recruiting, Auszubildende oder Gehalt nicht verschiedene Anwendungen notwendig sind. Richtig brauchbar ist eine All-in-One-Lösung trotz Chatbots oder KI-Unterstützung aber vor allem dann, wenn sie nicht nur verwaltet, sondern Kontakt erlaubt. Schließlicht geht es im HR-Bereich um Menschen. Und da darf ein Festnetztelefon nicht das einzige Mittel sein, das dem HR-Manager zur Verfügung steht, um sich nach dem Befinden der Mitarbeiter zu erkundigen.

Studie „Digitalisierung im Personalwesen 2021“: Sie können sich noch beteiligen!
Zum Thema im Personalwesen führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384), René Krießan (rkriessan@idg.de, Telefon: 089 36086 322) und Bastian Wehner (bwehner@idg.de, Telefon: 089 36086 169) gerne weiter. Informationen zur der Studie Digitalisierung im Personalwesen finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Einfluss auf die Organisation wird stärker

Was den Veränderungsimpuls von HR, den Innovationswillen und die Kompetenz von Unternehmen angeht, treffen wir hierzulande auf eine Normalverteilung. Sicher gibt es welche, die mit innovativen Projekten die Digitalisierung im Personalwesen schon weit voran getrieben haben. Beobachtungen zeigen aber auch, dass manche nicht so können wie sie gerne würden. Und das liegt an den extrem unterschiedlichen Rahmenbedingungen und der individuellen Situation der einzelnen Unternehmen.

Dennoch: Bezogen auf die Akzeptanz von Technologie sind überall positive Veränderungen zu sehen. Und die werden in den kommenden Jahren von HR getrieben deutlich stärker werden. Warum? Langfristig angelegte Themen wie Remote Work oder die Veränderung von Cases haben nichts mit der aktuellen Situation, sondern mit kontinuierlicher Digitalisierung zu tun. Hier wird schrittweise nachgebessert. Zum anderen wird HR im Zusammenspiel mit der Organisation stärker tätig werden. Heißt: HR macht es sich zur Aufgabe, mit Kernprojekten den langfristigen Geschäftszweck zu unterstützen und daraus die Bedarfe ableiten. Gleichzeitig werden bestimmte Teilaufgaben, die nur bedingt wertstiftend sind, viel stärker automatisiert werden müssen. Die Lösungen hierfür, wie digitale Assistenten oder Bots, sind natürlich vollintegriert, um die gewünschten Effizienz- und Effektivitätsgewinne auch zu erhalten.

Eine weitere Feststellung aus der Expertenrunde: Bei Technologiekonzernen liegt bereits eine völlig neue Unternehmensform vor, eine ganz andere Kollaborativität der Zusammenarbeit. In dieser füllt die HR nicht mehr die Funktion aus, die sie in der Vergangenheit inne hatte. Der Trend: In Zukunft werden die klassischen Hierarchien ebenso wegfallen wie möglicherweise der Begriff „HR“ selbst, denn Menschen als Ressource zu bezeichnen ist falsch. Alternative Begriffe wie People weisen bereits darauf hin, inwiefern HR sich wandeln muss: Statt die Mitarbeiter zu verwalten, muss HR sie befähigen, sich entwickeln zu können. Und dafür braucht es HR und Geschäftsführung auf derselben Augenhöhe.

Low-Code befähigt die Eigenständigkeit

Auch das technologische Enablement der HR-Mitarbeiter spielt eine zentrale Rolle, da Data Science der Schlüssel zum Erfolg in der Personalabteilung sein wird. Dafür muss man ihnen die Möglichkeit geben, umfassend auf relevante Daten zuzugreifen und eigenverantwortlich mit diesen umgehen zu können. Und zwar mit Lösungen, die sie ohne Programmierkenntnisse eigenständig bedienen können. Low-Code, Self Service und Autarkie lauten die Hausaufgaben, welche die IT dafür zu erledigen hat. Denn gerade das hat die Pandemie verdeutlicht: Täglich mussten neue Analysen und Szenarien zu Kapazitätsbedarfen oder individuelle Modellrechnungen für Gehaltsanpassungen aufgrund Kurzarbeit durch die HR-Abteilung erstellt werden. Nur was macht HR, wenn deren Programme das nicht können? Personaler werden in Zukunft weiter stark datengetrieben arbeiten, aber auch weiterhin administrative Tätigkeiten übernehmen. Flexibel und ohne viel Aufwand zu reagieren, muss zum Standard werden.

Wir steuern auf eine Welt zu, in der wir deutlich mehr agile Projekte in allen Organisationen wollen. Ohne technologische Tools wird das nicht gehen. Wichtig ist, dass diese uns unterstützen und nicht entmündigen. Das letzte Wort in der komplexen Analyse muss uns vorbehalten bleiben, denn Technologie allein ist nicht der Treiber für Produktivität. Es kommt darauf an, wie wir sie in punkto adaptiver Führungskultur, temporärer Arbeitsorganisation oder Data-Driven Decision Making nutzen, um den Unternehmenserfolg zu sichern.

*Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.


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