Gerhard Raffling, vielen noch als Commvault-Manager in Erinnerung, widmet sich jetzt einer neuen Aufgabe: Er ist seit September 2020 Vice President und Country Manager bei Medallia, einem der führenden US-Anbieter für Experience Management und will Awareness für eine neue Art von Mitarbeiter- und Kunden-Orientierung schaffen. [...]
Wofür steht Medallia und was reizt Sie persönlich an der neuen Aufgabe?
2001 in den USA gegründet ist Medallia Pionier und eines der führenden Unternehmen im Bereich Experience Management. Herausragende Erlebnisse stellen heute ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal dar und wir unterstützen die Unternehmen dabei, sowohl Kunden als auch Mitarbeiter zu begeistern. Die Medallia Experience Cloud setzen Unternehmen ein, um Feedback zu erhalten und Maßnahmen in Echtzeit abzuleiten, um die Kunden- oder Mitarbeiter-Zufriedenheit nachweislich zu erhöhen aber auch Prozesse und somit Kosten zu optimieren und Umsätze zu steigern. In meiner neuen Rolle bei Medallia kann ich viele Erfahrungen einbringen, wie man die Märkte aufbaut und einen Brand erfolgreich etabliert. Ich halte die Branche für extrem spannend und freue mich über die neue Aufgabe.
2019 ist Medallia an die Börse gegangen, jetzt ist große Expansion angesagt…
Das Schöne daran ist: Mit Lösungen von Medallia können wir genau in der aktuellen Situation massiv zum Business-Erfolg der Unternehmen beitragen, indem wir Unternehmen unterstützen die digitale Transformation zielgerichtet und schnell umzusetzen. Zyklische Umfragen zu bestimmten Themen gibt es schon lange. Experience Management (EM) ist die Weiterentwicklung dieser Ursprungsidee: Heute geht es um die Verarbeitung und Verknüpfung aller Daten, die aus unterschiedlichsten Quellen kommen, aus IoT, von CRM und ERP-Systemen oder Social Media, unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Schließlich geht es um die Auswertung und Empfehlungen, die dann von unserer Plattform gegeben werden, damit Handlungen in real time abgeleitet werden können (Close the Loop Prozess). Unternehmen wollen weg von statischen Umfragen und einen Wow-Effekt beim Kunden generieren, indem der Kunde dann unmittelbar sieht, dass sein Feedback ernst genommen wird. Voraussetzung dafür sind meist auch Umstellungen in den internen Unternehmensprozessen sowie der Unternehmenskultur, damit geht auch ein neues Enablement und Empowerment der Mitarbeiter einher.
Hat Corona bzw. die Krise etwas in der Haltung der Unternehmen verändert, gibt es jetzt auch mehr offene Ohren für ein neues Kunden-Bewusstsein und EM?
Der Corona-Effekt wirkt wie eine Lupe, die schonungslos aufzeigt, wo Unternehmen Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung haben. Dadurch ist die digitale Transformation extrem schnell vorangetrieben worden. Für die Unternehmen bedeutet das oft, dass sie ihr Geschäft von einem Tag auf den anderen umstellen mussten. Auch Mitarbeiter mussten sich umstellen und die Geschäftsprozesse mussten angepasst werden. Man sieht es z.B. bei den Banken, im sukzessiven Wandel von Filial- auf Online-Betrieb und der stark wachsenden Konkurrenz von Online-Banken. Die Frage ist, wie ändern jetzt klassische Banken ihre Abläufe, damit sie mit den Online-Banken konkurrenzfähig sind. Und wie gestalten sie das Kundenerlebnis, damit sie hier auf Augenhöhe sind und Beachtung finden? Den klassischen Kunden der früher ein Leben lang bei der gleichen Bank war gibt es heute nicht mehr. Ein weiteres Beispiel von vielen ist der Handel, der bis dato ein Filialgeschäft hatte – und von heute auf morgen auf Online-Verkauf umstellen musste und damit plötzlich mit Amazon oder anderen großen Online Händlern konkurrieren muss. Mit einem Schlag ergeben sich völlig neue Herausforderungen wie etwa die Liefer- und Retouren-Logistik. Um konkurrenzfähig zu sein, benötigt man unmittelbares Kundenfeedback, um zu erfahren, was sie beim Einkaufen wollen und worauf sie Wert legen: Passt das Angebot, das Portfolio, die Website? Wie verhalten sich die Kunden auf der Website, brechen sie bei bestimmten Prozess-Schritten, etwa bei der Bezahlung, ab? Und warum? – Das alles analysieren wir. Zusammengefasst: Der Corona-Effekt ist eindeutig, dass sich Unternehmen viel mehr damit beschäftigen müssen, wie sie ihr Geschäft optimal an diese neuen Gegebenheiten anpassen können.
Das betrifft ja auch den Verkaufsprozess selbst, plötzlich mussten alle auf Digital Selling umschwenken. Zurück zum Customer Experience Management (CEM): Welche Hebel und Möglichkeiten sichern denn jetzt das neue „Kunden-Erlebnis“?
Ganz entscheidend ist sicher die Anpassung aller Kontaktpunkte im Unternehmen mit dem Kunden, von der Website bis zum Contact Center. Es gibt viele Untersuchungen von führenden Beratungsfirmen, die besagen, dass Konsumenten bereit sind, mehr Geld auszugeben, wenn sie im Gegenzug ein ausgezeichnetes „Kundenerlebenis“ haben. Studien besagen, dass 32 Prozent der Konsumenten, die ein einziges negatives Einkaufserlebnis haben, nicht mehr bei diesem Händler oder dieser Marke kaufen wollen. Nur acht Prozent der Konsumenten geben an, dass Unternehmen ein herausragendes Einkaufserlebnis bieten. Da kann man noch sehr viel optimieren.
Welche konkreten Lösungen gibt es dazu bei Medallia, und wie kann ein Unternehmen damit beginnen das „Kundenerlebnis“ zu verbessern?
Die Medallia Experience Cloud bietet Unternehmen die Möglichkeit, die Erlebnisse ihrer Kunden besser zu verstehen, indem wir strukturiertes Feedback, Contact Center Anrufe, Nutzungsdaten, Produktbewertungen, Social Media Posts, IoT, CRM, ERP Daten und viele andere Signale mittels Künstlicher Intelligenz systematisch auswerten und relevante Handlungsempfehlungen für alle Mitarbeiter vom Filialmitarbeiter bis zur Geschäftsleitung in Echtzeit zur Verfügung stellen. Prozesse können vereinfacht, neue Trends rascher identifiziert oder Produkterlebnisse verbessert werden. Das macht Kunden zufriedener und hilft ganz nebenbei Kosten zu senken, Kundenabwanderung zu verhindern und im Idealfall auch den Umsatz zu steigern. Durch den modularen Aufbau der Plattform können Kunden in einem Bereich starten und dann sukzessive entlang der Customer Journey weiterarbeiten. Als Medallia unterstützen wir nicht nur bei der Software Einführung sondern auch als strategische Beratungspartner.
Wie sieht jetzt die konkrete Strategie für Österreich aus?
Wir hatten bis dato in Österreich keine Präsenz. Zwischenzeitlich gibt es ein lokales Team das sich auf die Branchen Telekommunikation, Retail sowie Banken/Versicherungen konzentrieren und zusätzlich noch die großen B2B Unternehmen adressiert. Parallel dazu arbeiten wir an der Brand-Awareness für die Marke Medallia. Dritter Fokus ist das Thema Channel und Partnerschaften, die wir lokal aufbauen.
Gibt es schon Kunden in Österreich?
Global zählen mehr als 1000 Unternehmen zu unseren Kunden, die wir aus mehr als 15 Niederlassungen weltweit betreuen. Darunter sind die Top Brands aus den jeweiligen Branchen. Acht der Top-Ten Kommunikationsunternehmen weltweit oder sechs der Top Ten globalen Banken und Versicherungen. In Österreich gibt es Niederlassungen internationaler Unternehmen wie etwa IBM, Zürich Versicherung, Hilton und viele mehr, die auf Medallia vertrauen. Wir beginnen wie gesagt jetzt, den österreichischen Markt aufzubauen. Entscheidend für den Erfolg ist es, die Geschäftsprozesse der Unternehmen zu verstehen, um die Firmen auch entsprechend beraten zu können. Diese Kompetenz und eine Vielzahl an Best Practices aus internationalen Projekten bringen wir selbstverständlich auch in Österreich mit ein.
Aber den Kunden ins Zentrum zu stellen – das sollte eigentlich selbstverständlich sein…
Ja das sollte tatsächlich für jedes Unternehmen selbstverständlich sein. Denn dass Kundenzufriedenheit ganz entscheidend zum Unternehmenserfolg beiträgt, untermauert auch eine Studie von Forrester, die besagt, dass Unternehmen, die führend im Bereich Customer Experience sind, fünfmal mehr Umsatzwachstum haben als andere.
Auch unsere Partner spielen im gesamten Transformationsprozess eine entscheidende Rolle. Wir arbeiten da einerseits mit den großen Beratungshäuser, etwa Accenture, McKinsey, Deloitte, zusammen, aber auch mit Unternehmen, die primär aus der Marktforschung kommen wie Ipsos und Kantar oder strategischen Alliance Partnern wie Salesforce.
Seit kurzem ist Medallia ja auch Tableau Partner?
Ja, die strategischen Partnerschaften werden sukzessive ausgebaut. Ebenso haben wir seit dem Börsegang weitere Unternehmen gekauft die unsere Lösung sinnvoll ergänzen, u.a. etwa Crowdicity (Ideenmanagement), Zingle (SMS-Engagement/kontaktlose Bestellung), das Video-Feedback-Unternehmen LivingLens oder Stella Connect, eine Contact Center Coaching Lösung.
Zweites großes Thema ist Employee Experience Management (EEM), was hat sich hier in Corona-Zeiten verändert?
Wie ist das Unternehmen in Corona Zeiten mit Mitarbeitern umgegangen, inwieweit arbeiten Mitarbeiter auch im Homeoffice loyal für ihr Unternehmen, oder empfehlen ihre Firma auch privat weiter – all diese Fragen gewinnen durch Corona jetzt an Bedeutung. Da ging es vielfach auch ganz einfach darum, die Beziehung zu den Mitarbeiten gut aufrecht zu erhalten. Wir alle kennen ja die klassischen jährlichen Mitarbeiterbefragungen, sozusagen eine Momentaufnahme. Was wir unter EEM verstehen, geht weit darüber hinaus. Das ist eine permanente Abfrage der Mitarbeitermotivation im Unternehmen und davonausgehend die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Spannend ist hier etwa die Einbindung der Ideenplattform Crowdicity. Mitarbeiter sind bekanntlich am nähesten am Kunden dran und können wertvollen Input liefern. Mitarbeiter haben den direkten Kontakt zum Kunden und bekommen direktes Feedback. Sie wissen, welche Produkte beim Kunden gut ankommen oder haben neue Ideen zu Produkten und Services. Wenn man sie einbezieht, fühlen sie sich auch als Teil vom Ganzen. Eines ist klar: Motivierte Mitarbeiter sind ein wichtiger Erfolgsfaktor, verkaufen besser, empfehlen ihre Firma weiter und sind somit selbst positive Botschafter für ihr Unternehmen.
Ist EEM in Österreich im HR Bereich schon angekommen oder steckt das Thema noch in den Kinderschuhen?
Wir haben viele Kunden, die mit Customer Experience anfangen und dies später mit Employee Experience (EEM) ergänzen. Eine unternehmensweite Umsetzung von Experience Management bringt dem Unternehmen den größten Erfolg. Auch hier gibt es ein großes Potential. Der jährliche Fragebogen hat ausgedient und auch in diesem Bereich haben Unternehmen die Vorteile von „real time“ erkannt.
Wie sehen Sie die Konkurrenz, etwa SAP, die mit Zukäufen wie Qualtrics und Emarsys ja ganz stark in den CX Markt drängen?
Wenn man an Microsoft zurückdenkt, die vor vielen Jahren den Cloud Markt praktisch geebnet haben, denke ich, dass potente Mitbewerber uns dabei helfen werden, auch das Thema Experience Management bekannter zu machen und die Awareness zu steigern. Der Markt ist groß genug und Konkurrenz belebt das Geschäft.
Die Kurzfassung dieses Interviews finden Sie auch in der Printausgabe der Computerwelt 01/2021
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