Ein modernes ERP-System ist für Unternehmen mehr denn je Pflicht. Diese Trends sollten Sie dabei im Auge haben. [...]
Angesichts von COVID-19 und der damit zusammenhängenden, wirtschaftlichen Einbrüche haben viele Unternehmen das Jahr 2020 nur mit Glück überlebt. Mit Blick auf 2021 verspricht insbesondere die Verteilung der Impfstoffe eine mögliche Rückkehr zur Normalität. Für Unternehmen steht das allerdings nicht zur Debatte: Sie wollen beziehungsweise müssen ihre Geschäftsmodelle neu erfinden, ihre Prozesse auf Vordermann bringen und sich selbst umfassend transformieren.
Bei diesem Transformationsvorhaben spielt Enterprise Ressource Planning (ERP) eine wichtige Rolle. Dazu haben auch der Zusammenbruch traditioneller Lieferketten, die zeitweise oder dauerhafte Migration ins Homeoffice sowie der dramatische Umschwung in Richtung Onlinehandel und die neuen Hygienebedingungen (Stichwort kontaktlose Zustellung) beigetragen.
Nach Beobachtung von Lisa Anderson, President der LMA Consulting Group, realisierten kleinere Unternehmen, die noch kein ERP-System einsetzen, dass sie ohne modernes Enterprise Ressource Planning hinter der Konkurrenz zurückfallen. „Große Unternehmen hingegen setzen alles daran, angestaubte ERP Software zu modernisieren, um den veränderten Rahmenbedingungen und Kundenbedürfnissen gerecht zu werden“, meint die Beraterin.
ERP-Trends 2021 – Top 7
Die folgenden sieben ERP-Trends sollten Sie für 2021 auf dem Zettel haben.
1. Cloud
Einen ERP-Monolithen in die Cloud zu hieven ist ungefähr so populär wie Kanalarbeiten, aber unausweichlich. „Nur auf On-Premises zu setzen wird nicht mehr funktionieren“, weiß Michael Larner, Principal Analyst bei ABI Research: „Cloud-Plattformen werden zur Norm – auch auf Anbieterseite. Viele ERP Provider, die Cloud-Plattformen anfangs mit Argwohn betrachtet haben, wissen deren Vorteile inzwischen zu schätzen und raten auch ihren Kunden zur Migration.“ Schließlich biete die Cloud viele Vorteile, beispielsweise mehr Speed, höhere Agilität, Resilienz und Innovationskraft – bediene also kritische Faktoren im unternehmerischen Wettbewerb.
Geschäftskritische Applikationen in die Cloud zu migrieren ist ein bisschen wie die Räder an einem fahrenden Auto zu wechseln. Es gibt allerdings eine Menge Best Practices und externe Beratungsunternehmen mit Expertise in ERP-Cloud-Migration. Ein Lift & Shift-Ansatz ist dabei nicht der richtige Weg – Applikationen müssen ins Refactoring und Geschäftsprozesse auf den Prüfstand, um die Vorteile der Cloud vollumfänglich erschließen zu können.
2. KI
Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind der Theoriephase entwachsen. Das beweise die steigende Zahl der Use Cases – egal, ob es nun um Betrugserkennung im Finanzsektor, Anomalieerkennung in Vertragsmanagement und Beschaffungswesen oder die Automatisierung mit Hilfe von Robotic Process Automation (RPA) gehe, meint Forrester-Analystin Liz Herbert.
„Die Pandemie hat traditionelle Lieferketten durcheinandergewirbelt – jetzt werden KI-Systeme ausgerollt, um den Unternehmen dabei zu helfen, Licht ins Dunkel von Lieferverzögerungen und Versorgungsengpässen zu bringen“, fügt ABI-Mann Larner hinzu. Künstliche Intelligenz könne Unternehmen mit Simulationen dabei unterstützen, für solche Fälle vorzusorgen und erweise sich damit als lebensrettende Technologie im geschäftlichen Krisenfall.
3. Mobility
Mobile ERP-Applikationen sind im heutigen Unternehmensumfeld erfolgskritisch. Nur so können Kerndaten aus ERP-Systemen für Mitarbeiter unabhängig von deren Arbeitsort verfügbar gemacht werden.
Beispiel Manufacturing: In der Pandemie werden Unternehmen alles daransetzen, so wenig Mitarbeiter wie möglich vor Ort einzusetzen. Dennoch müssen Monitoring Workflows und Troubleshooting-Prozesse weiterlaufen. „Diese Funktionalitäten müssen für die entsprechenden Mitarbeiter über Mobile Apps remote verfügbar gemacht werden“, mahnt Forrester-Analystin Herbert.
4. ERP App Stores
Der Begriff App Store wird oft mit Smartphones assoziiert – inzwischen haben aber auch alle großen ERP-Anbieter eigene App Stores aufgesetzt, um den Kunden schnellen und einfachen Zugriff auf Peripherie-Apps und Add-Ons für ihre ERP-Systeme zu geben.
Wie Forrester-Analystin Herbert berichtet, werden bereits fünf Prozent aller neuen ERP-Applikationen über solche App-Stores ausgeliefert – Tendenz steigend: „Neue Applikationen können in bester Self-Service-Manier schnell heruntergeladen und installiert werden – ohne sich dabei Sorgen um die Kompatibilität mit dem Kern-ERP machen zu müssen.“
5. Integrations-PaaS
Die Grenze zwischen ERP und CRM verwischt immer mehr, ERP-Anbieter gehen zunehmend dazu über, Module anzubieten, die man sonst eher bei einem CRM erwarten würde – beispielsweise für Marketing-Zwecke. Die CRM-Anbieter halten ihrerseits mit der Einbindung von ERP-Funktionalitäten dagegen – beispielsweise für die Rechnungsstellung. Die meisten Unternehmen haben einen Mix aus beiden Systemen im Einsatz – neben Collaboration-Plattformen wie Microsoft Teams oder Slack. All diese Apps laufen On-Premises, SaaS oder in der Public Cloud, weswegen Integrationssysteme sinnvoll sind.
Diese bieten eine übergreifende Plattform, die Daten und Applikationen über die hybride IT-Landschaft hinweg integriert, Datensilos auflöst und die Produktivität treibt. Zu den Anbietern solcher Enterprise-Plattformen gehören große ERP Provider wie SAP und Oracle, aber auch Unternehmen wie MuleSoft (kürzlich von Salesforce übernommen), Jitterbit und Dell Boomi.
6. Low-Code & No-Code
In einer idealen Welt haben Unternehmen genug Zeit und IT-Expertise, um jede ERP-App individuell anzupassen. In der Praxis ist das jedoch nicht der Fall. LMA-Beraterin Anderson zufolge haben insbesondere kleinere Firmen oft nicht das nötige Knowhow und sind deshalb auf der Suche nach „out of the box“-Lösungen. „Größere Unternehmen konzentrieren sich hingegen darauf, neue ERP-Module so schnell wie möglich auszurollen und wollen daher Anpassungsarbeiten möglichst vermeiden.“
Die ERP-Anbieter hätten das verstanden und reagierten mit der Standardisierung beziehungsweise Spezialisierung ihrer Angebote, um den Konfigurationsaufwand für ihre Kunden klein zu halten, weiß Forrester-Analystin Herbert. „Dennoch sind so gut wie immer zumindest kleinere Anpassungen nötig. Hierbei kann ein Low-Code- oder No-Code-Ansatz helfen, der es auch technisch weniger versierten Mitarbeitern erlaubt, ERP-Applikationen zu optimieren. Dieser Trend hin zum Empowerment der Business User hat Fahrt aufgenommen“, urteilt Herbert.
Auch der demografische Wandel innerhalb der Belegschaften sorgt für steigendes Interesse in Low-Code- und No-Code-Plattformen. Für Millennials sei es selbstverständlich, ihre Tools selbständig anpassen zu können, meint ABI-Analyst Larner.
7. Customer Experience
ERP-Systeme erhalten zunehmend Features wie automatisierte Sprachassistenten und Chatbots, die für intelligente Kundeninteraktionen in Echtzeit sorgen sollen. Die Daten dieser Systeme fließen in die ERP-Kundendatenbanken zurück, um personalisierte Kundenerfahrungen zu verwirklichen. Zusätzlich sorgen ERP-Systeme aber auch für eine Omnichannel Experience auf Kundenseite.
Geht es um die Employee Experience, vermitteln ERP-Systeme ebenfalls neue Erfahrungswerte – beispielsweise durch Sprach- und Gestensteuerung oder Augmented Reality. „Solche Systeme können ohne Einsatz der Hände bedient werden und wertvolle Echtzeit-Informationen per Headset oder Smart Glasses liefern“, analysiert Herbert.
Mit Blick auf die ERP-Zukunft zeichnet sich ab, dass die großen IT-Trends – Cloud, künstliche Intelligenz und Mobility – auch die Enterprise-Ressource-Planning-Landschaft aufmischen werden. Um der wachsenden Komplexität ihrer Systemlandschaften Einhalt zu gebieten und ihre Innovationskraft zu steigern, werden die Integration von ERP und CRM sowie die Demokratisierung der App-Entwicklung über Low-Code und No-Code weiter an Bedeutung gewinnen.
*Neal Weinberg schreibt als freiberuflicher Autor unter anderem für unsere US-Schwesterpublikation Network World.
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