Hays HR-Report 2021: Online-Meetings sehr effektiv

Obwohl die Mehrzahl der Leader sich in der Führung im Homeoffice tätiger Mitarbeiter eingeschränkt sieht, erweisen sich Videokonferenzen als äußerst effektiv. [...]

Die Arbeitseffizienz virtueller Meetings ist, wie Studien in der COVID-19-Pandemie zeigen, erstaunlich gut und gibt Führungskräften meist Anlass, ihren Teams Beifall zu klatschen. Trotzdem befürchtet die Mehrzahl den Verlust der Kontrolle und persönlichen Bindung (c) pixabay.com

Laut dem aktuellen HR-Report des Personaldienstleisters Hays in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) klagen viele Führungskräfte über Schwierigkeiten, ihre leitende Funktion in Zeiten des Homeoffice umzusetzen. Drei Fünftel der befragten Manager tun sich schwer, Mitarbeiter in ihre Entscheidungen einzubinden oder überhaupt Selbstorganisation zuzulassen. Der Grund: Sie haben es schlicht anders gelernt. „Die Studienergebnisse machen deutlich, wie stark die Sozialisation der Führungskräfte innerhalb starrer hierarchischer Unternehmensstrukturen greift. Mehr noch: wie dieser Zustand die Entwicklung von New-Work-Arbeitsweisen behindert,“ so Hays-Vorstand Christoph Niewerth.

Entsprechend haben über 70 Prozent der Führungskräfte Probleme damit, Macht abzugeben oder an einem Hierarchieabbau in den Unternehmensstrukturen mitzuwirken. Während mehr als die Hälfte der über 1000 Befragten feststellt, dass die Arbeit durch Corona sowohl zeitlich als auch örtlich einen deutlichen Flexibilisierungsschub erfuhr, behauptet lediglich ein Viertel, dass sich Führungs- oder Machtstrukturen verändern. Corona wirkt also als Katalysator für die Flexibilisierung individueller Arbeit, ist aber kein entscheidender Treiber für eine demokratischere Unternehmensorganisation.

IT-Unternehmen sind flexibler und demokratischer strukturiert

Etwas anders sieht es in IT-Unternehmen aus. Meist später gegründet als Industrie- oder Handelsunternehmen pflegen sie einerseits demokratischere Organisationsformen und sind in Projektstrukturen mit flexiblen Hierarchien geübt. Außerdem arbeiten viele Spezialisten längst wenigstens teilweise im Homeoffice. Doch seit fast alle Mitarbeiter mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie nach Hause geschickt wurden, verändert sich auch im Führungsverhalten innerhalb der Branche einiges. So sind bei Easysoft in Metzingen regelmäßige Meetings und Gespräche noch wichtiger geworden seit 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter nicht mehr im Büro arbeiten.

Bisher merkten Führungskräfte am Verhalten ihres Teams schnell, ob Informationen falsch oder überhaupt nicht ankamen. Viele hatten ein Gespür, wann die Arbeit nicht rund lief. „Der gemeinsame Focus kann schrittweise verlorengehen“, sagt der strategische Geschäftsführer Andreas Nau. Darüber tauschen sich die Führungskräfte des Metzinger Unternehmens aus, das Software für Personalentwicklung und Seminarorganisation entwickelt. Mit dem Ergebnis: Es wird noch konsequenter nach dem Arbeitsstatus gefragt: Wo steht jeder? Wie geht es weiter? Dieses Zusammenspiel zwischen Führungskräften und Mitarbeitern klappt in der Regel ausgezeichnet. Trotz Corona sind Umsatz und Gewinn des Unternehmens auch im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gestiegen.

Videokonferenzen erweisen sich als sehr arbeitseffizient

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Arbeitseffizienz von Videokonferenzen oft höher als bei klassischen Treffen, wenn klare Regeln eingehalten werden: Kamera an, Mikro aus, das Programm ermöglicht virtuelles Handheben und Fragen werden im Chat schriftlich gestellt, schildert Nau das Procedere des letzten Gesamtmeetings mit knapp 80 Mitarbeitern. Fragen, die die Führungscrew in der vorgegebenen Zeit nicht mehr beantworten konnte, wurden ins Unternehmens-Wiki gestellt und dort beantwortet.

Doch Arbeitseffizienz ist nur ein Aspekt solcher Treffen. Andere und oft wichtigere sind, die Gemeinschaft im Unternehmen zu fördern, neue Mitarbeiter vorzustellen oder den Abschluss einer neuen Software-Generation zu feiern. „Ende September mit allen Mitarbeitern Easysoft 5 feiern zu können, war einfach wesentlich verbindender“, so Nau – selbst mit den damaligen Abstandsregelungen, Masken und einem Freiluft-Catering vor dem Firmengebäude.

Trotzdem macht sich der Easysoft-Chef Gedanken: „Vielleicht merken wir erst in fünf Jahren, dass etwas gefehlt hat.“ Denn die ersten Ideen für Innovationen entstehen aus einem Teamgeist, oft wenn Mitarbeiter sich ohne konkretes Ziel auf den Kommunikationsinseln im Büro treffen, gemeinsam kochen, spielen oder Sport treiben. Es fehle die unmittelbare Qualität des Miteinander, die durch Online-Treffen nicht zu ersetzen sei, so der Firmenchef.

Arbeiten im Homeoffice ist nicht allein selig machend

Die Euphorie, im Homeoffice und flexibler arbeiten zu können, verpufft zunehmend. Stattdessen wächst die Erkenntnis, dass „etwas“ fehlt: Das Zwischenmenschliche, die Arbeitsfreude oder das gemeinsame Feiern von Erfolgen. Dabei bemühen sich Führungskräfte darum, den sozialen Kontakt mit und zwischen ihren Mitarbeitern zu gestalten. „Wenn die Gespräche in der Kaffeeküche wegfallen, müssen sich sowohl das Team als auch die Führungsverantwortlichen gezielt um das Zwischenmenschliche kümmern“, sagt Andreas Günzel.

Nach Ansicht des Personalchefs von IT-Design, sei die Arbeitsorganisation gerade in den Holacracy-Meetings mit eindeutig fachlicher Funktion und festgelegter Agenda sehr effizient. Da gebe es wenig Raum für persönliche Gespräche. Die Führungskräfte kümmern sich deshalb darum, neue virtuelle Orte für Begegnungen auszuprobieren. Zum Beispiel die virtuelle Küche, die das Unternehmen eingerichtet hat: Wenn Mitarbeiter Pause machen, finden sie dort Kollegen für einen Video-Chat. Auch kleine Freizeit-Events wie die interaktive Zaubershow für die ganze Familie in der Vorweihnachtszeit tragen dazu bei, dass die Mitarbeiter auch privat im Gespräch bleiben.

Elise Ross, technische Beraterin: „Online kann live nicht ersetzen. Die Emotionen fehlen.“ (c) Ross – IT-Design

Zudem bestehen weiterhin Rituale, wie etwa das monatliche Mittagessens-Roulette. In diesem Fall melden sich Mitarbeiter an und werden bunt in Dreier- oder Vierergruppen gemixt, so dass sie mit Kollegen aus anderen Teams zusammensitzen. Vor allem für die neuen Mitarbeiter sei das eine „wunderbare Gelegenheit“ persönlichen Kontakt zu bekommen, so Günzel. Doch auch hier gilt: Die Gruppen sitzen eben nicht wie früher zusammen an einem Tisch, sondern jeder isst vor seinem Laptop. „Die Situation belastet viele, aber sie regt auch dazu an, neue kreative Wege auszuprobieren“, fasst der HR-Chef zusammen.

Grundsätzlich läuft die Arbeit gut, findet Elise Ross, technische Beraterin bei IT-Design. Die Meetings sind ins Internet gewandert: Etwa der tägliche Huddle am Morgen, das wöchentliche Meeting für operative Themen und quartalsweise das strategische Focus-Meeting. „Wir achten bei der Personalauswahl auf hohe Eigenverantwortung“, erzählt die Bioinformatikerin, deswegen vertraut sie in ihrer führenden Rolle als Coach zur Weiterentwicklung ihren Teammitgliedern, egal wo sie arbeiten. Das entspricht der Unternehmenskultur des Tübinger CRM- und PPM-Spezialisten. Hohe Beteiligung der Mitarbeiter sei Voraussetzung für agiles Arbeiten.

Allerdings stellt Ross auch fest: „Die Emotionen fehlen“. Der gemeinsame Spaß an der Arbeit ist geringer geworden. Sie vermisst das „Quatsch machen“ beim Kaffee trinken. Es werde Zeit, sich endlich wieder direkt zu treffen. Denn obwohl sie ihre Meetings ein wenig verlängert, um Zeit für den persönlichen Austausch zu lassen, lautet ihr Credo: online kann live nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass für den ein oder anderen die Situation zu Hause nicht ideal ist, sei es, weil ausreichender Arbeitsraum fehlt, es zu viele Unterbrechungen gibt oder schlicht die Trennung zwischen Arbeit und Privatem schwerfällt.

Deshalb führt sie mehr individuelle Gespräche, um eine bessere Lösung zu finden. Die kann lauten, gehe zumindest zeitweise wieder ins Büro, denn momentan verteilen sich lediglich etwa zehn Prozent der Mitarbeiter in dem Bürogebäude. Wer sich in die Liste einträgt, für den findet das Hygieneteam einen geeigneten Arbeitsplatz mit entsprechendem Abstand.

*Jens Gieseler arbeitet als freier Journalist in München.


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