„Auf dem Weg zu einer intelligenten Customer Experience“

CX-Verantwortliche stehen in diesem Jahr vor einer rasanten Transformation hin zu intelligenter CX. Matthias Göhler, CTO EMEA bei Zendesk, analysiert im Interview mit ITW die Ergebnisse des CX Trends Reports 2024. [...]

Matthias Göhler, CTO EMEA bei Zendesk (c) Zendesk
Matthias Göhler, CTO EMEA bei Zendesk (c) Zendesk

Wie hat sich die Customer Experience in den letzten Jahren verändert und welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich für Unternehmen im Zeitalter der KI-gesteuerten CX?

Die Customer Experience (CX) hat sich noch nie so schnell verändert wie in den letzten Jahren: Kundenerfahrungen werden immer digitaler, immersiver, nahtloser und persönlicher. Messaging ist zu einem der wichtigsten Supportkanäle geworden, und Automatisierungen nehmen immer weiter zu. Das liegt zum einen natürlich am Voranschreiten technologischer Innovationen, zum anderen an den wachsenden Anforderungen der Verbraucher:innen. Der aktuelle Zendesk CX Trends Report 2024 zeigt eine rasante Transformation hin zu intelligenter CX – das umfasst KI, Automatisierung und Datenanalyse.

Generative KI hat sich bereits als erstaunlich leistungsfähige Technologie erwiesen, auch wenn wir hier immer noch am Anfang stehen. Sie wird immer effektiver werden und bald schon so fest in moderne CX integriert sein, dass Support-Teams auf eine Weise arbeiten werden, die man sich vor 10 Jahren nie hätte vorstellen können. Das zeigt auch der CX Trends Report: Über 60 Prozent der CX-Verantwortlichen überdenken bereits jetzt ihre gesamte Customer Journey aufgrund neuer Technologien wie generativer KI.

Das Aufkommen neuer Technologien ist allerdings auch immer mit Unsicherheiten verbunden: 62 Prozent der CX-Führungskräfte haben angegeben, dass ihre Teams sich unter Druck gesetzt fühlen, KI-basierte Tools einzusetzen. Dem steht allerdings das enorme Potenzial der Technologie gegenüber – und die Möglichkeit, ihren Kund:innen schnellere und persönlichere dialogorientierte Erfahrungen zu ermöglichen. Generative KI wird die Hyper-Personalisierung weiter vorantreiben und Unternehmen dabei helfen, menschlichere und persönlichere Interaktionen zu bieten. Und genau das erwarten die Kund:innen.

Wie können Unternehmen KI nutzen, um Kundenerlebnisse zu personalisieren und die Servicequalität zu erhöhen?

Verbraucher:innen erwarten tatsächlich, dass Unternehmen die ihnen zur Verfügung gestellten Daten nutzen, um ansprechende, personalisierte Erfahrungen zu schaffen. Sie möchten, dass die Unternehmen sie verstehen, um entsprechend auf sie eingehen zu können. Mehr als zwei Drittel der CX-Führungskräfte sind davon überzeugt, dass generative KI ihrem Unternehmen helfen wird, ihren Kund:innen einen persönlichen, menschlichen Service zu bieten – auch, wenn sie Millionen von Kund:innen betreuen.

Bereits jetzt machen KI-basierte Chatbots es möglich, dass Kund:innen rund um die Uhr Hilfe erhalten können. Der Chatbot, der im Gegensatz zu menschlichen Mitarbeiter:innen keinen Feierabend kennt, kann wiederkehrende Anfragen automatisiert beantworten oder Kund:innen zu einem hilfreichen Artikel im FAQ-Bereich weiterleiten. Eine KI kann Anfragen nach Absicht (Intent) und der Stimmung der Kund:innen (Sentiment) kategorisieren und dementsprechend priorisieren, und an die richtigen Ansprechpersonen verteilen. So können sich Kundendienst-Mitarbeiter:innen direkt den wichtigen Aufgaben zuwenden. Außerdem kann eine KI auf Basis der gespeicherten Kundendaten sowie bereits getätigter Einkäufe personalisierte Empfehlungen liefern und auf die Wünsche der Kund:innen eingehen – quasi wie ein persönlicher, digitaler Shopping-Berater. Die Kund:innen selbst sind bereits von der transformativen Kraft von generativer KI überzeugt: 59 Prozent glauben, dass die Technologie die Art und Weise, wie sie mit Unternehmen interagieren, grundsätzlich verändern wird.

Inwiefern spielt die Implementierung von KI in der CX eine entscheidende Rolle bei der Umgestaltung von Unternehmen?

Die meisten Führungskräfte begrüßen die Entwicklungen im KI-Bereich. 64 Prozent der deutschen CX-Führungskräfte betrachten KI nicht als Modeerscheinung, sondern als eine strategische Notwendigkeit und eine neue Realität, um CX-Abläufe zu verbessern. Dabei sind sie sich sicher, dass die von ihnen bereits implementierten KI-Tools sowie die damit verbundenen Schulungen für Mitarbeitende ausreichend waren, um veraltete Betriebsabläufe zu transformieren und im neuen Zeitalter der intelligenten CX die Initiative zu ergreifen.

Das sehen viele Kundendienst-Mitarbeiter:innen allerdings anders. Nur etwas mehr als ein Drittel der befragten Mitarbeitenden geben an, dass die derzeit von ihnen genutzten KI-Tools ihre Arbeit erleichtern oder den Kundenservice effizienter gestalten. Sie betrachten die neuen Tools zum Teil mit Vorsicht oder Ablehnung, denn viele Mitarbeiter:innen fürchten noch immer, dass KI ihre Arbeitsplätze gefährden könnte. Diese Kluft lässt sich auf eine Vielzahl von Ursachen zurückführen: Unzureichende Schulung, unausgereifte Tools, unklare Richtlinien und Erwartungen an Führungskräfte, die womöglich nicht realistisch sind.

KI-Tools dürfen nicht unüberlegt eingesetzt werden, ganz egal in welcher Branche oder Abteilung. Eine solche willkürliche Nutzung birgt nämlich das Risiko, dass alle Bemühungen die Situation am Ende eher verschlechtern, statt die gewünschten Verbesserungen anzustoßen. Während 72 Prozent der CX-Führungskräfte denken, ausreichende Schulungen für generative KI-Tools angeboten zu haben, gibt mehr als die Hälfte der Kundendienst-Mitarbeiter:innen an, überhaupt keine Schulung erhalten zu haben. Und von den 45 Prozent, die bestätigen, eine Schulung erhalten zu haben, waren nur 21 Prozent tatsächlich damit zufrieden. Führungskräfte, die KI-Tools zum Wohle ihrer Mitarbeiter:innen einführen wollen, müssen sich dringend auch auf ihre Bedürfnisse einstellen. Mitarbeiter:innen sollten an den transformativen Prozessen, die ihre Arbeit unmittelbar betreffen, direkt beteiligt werden.

Die Studie zeigt, dass 70 Prozent der globalen CX-Führungskräfte ihre Customer Journey mithilfe von Tools wie generativer KI neu gestalten. Welche Vorteile haben Unternehmen davon?

Ein Fokus beim Einsatz von generativer KI in Unternehmen liegt darauf, die Effizienz von Kundendienst-Mitarbeiter:innen zu verbessern und diese zu entlasten, so dass sie für Kund:innen einen besseren Service leisten können. 70 Prozent der CX-Führungskräfte sind sich sicher, dass generative KI jede digitale Kundeninteraktion effizienter macht – von Suchfunktionen bis hin zu Sprachassistenten. Wie bereits erwähnt, können KI-basierte Tools wie Chatbots Mitarbeiter:innen im Kundenservice unterstützen, indem sie etwa einfache, häufiger auftretende Fragen automatisiert beantworten und den Mitarbeiter:innen so mehr Zeit verschaffen, sich auf komplexere, kritische Anfragen zu konzentrieren. Solche Anfragen können dank KI kategorisiert und priorisiert werden und gelangen somit zur richtigen Ansprechperson.

Aktuell sind CX-Führungskräfte und ihre Teams dabei herauszufinden, wie generative KI genutzt werden kann, um den Wünschen ihrer Kund:innen gerecht zu werden und stärker personalisierte und bessere Erfahrungen zu bieten. 70 Prozent der CX-Führungskräfte wollen generative KI in den nächsten zwei Jahren in viele ihrer Kontaktpunkte mit Kund:innen integrieren. Ein wichtiger Anwendungsbereich wird dabei Conversational Commerce sein, bei dem Kund:innen ganz einfach per Chat oder Messaging einkaufen können, wodurch die Grenzen zwischen Support und Vertrieb immer mehr verschwimmen. Im Rahmen einer einzigen Konversation, die beispielsweise von Kund:innen begonnen wird, um Support zu einem Produkt zu erhalten, können sie von einer KI relevante Produktvorschläge für weitere Käufe erhalten.

Auch auf Sprachkanälen wird generative KI zukünftig größere Bedeutung einnehmen. Während die meisten Unternehmen ihren Fokus auf digitale Kanäle legen, wünschen sich viele Kund:innen dennoch die Option, in kritischen Fällen zum Telefonhörer greifen zu können. Allerdings erwarten sie dabei heute, dass ihr Problem direkt im ersten Anlauf gelöst wird. Fortschrittliche KI-Tools tragen dazu bei, die Anzahl der Anrufe zu reduzieren und Mitarbeiter:innen mehr Zeit zu verschaffen, sich auf die individuellen Probleme der Anrufenden zu konzentrieren. Wenn Unternehmen beim Umgang mit komplexen Problemen einen nahtlosen Übergang von digitalen zu Voice-basierten Kanälen ermöglichen, steigt das Vertrauen der Verbraucher:innen in das digitale Angebot. Dabei werden auch Voice-KI-Funktionen eine wichtige Rolle spielen: CX-Führungskräfte, die einen hohen ROI mit ihren Support-Tools erzielen, sind zu 62 Prozent eher dazu bereit, die Optimierung ihres Voice-Kanals durch den Einsatz von Sprachanalysen, natürlicher Sprachverarbeitung und Sprach-KI zu priorisieren.

Welchen Einfluss hat KI auf die Entwicklung von Chatbots und welche Rolle spielen sie in der emotionalen Bindung zu Kunden?

KI-basierte Chatbots spielen eine immer größere Rolle im Kundenservice und in der CX im Allgemeinen. Sie entwickeln sich damit immer mehr zu digitalen Agent:innen, die für bestimmte Serviceaufgaben qualifiziert sind. KI ist einer der entscheidenden Treiber, der diese Entwicklung ermöglicht. Eine Entwicklung, die auch von den Kund:innen gewünscht wird: Knapp die Hälfte der für den CX Trends Report befragten deutschen Verbraucher:innen ist der Meinung, dass Chatbots das gleiche Maß an Kompetenz und Qualität haben sollten wie hochqualifizierte menschliche Agent:innen.

Kund:innen wünschen sich die Entwicklung von Chatbots hin zu digitalen Agent:innen. Deshalb bietet diese Transformation eine große Chance, die Kundenbindung zu stärken. Mehr als die Hälfte der Verbraucher:innen in Deutschland stellen KIs und Bots heute mehr unterschiedliche Arten von Fragen als früher – und wollen, dass diese entsprechend beantwortet werden. Es zeigt sich bereits, dass sich die Investitionen der Unternehmen in die Weiterentwicklung von Chatbots auszahlen: 83 Prozent der deutschen CX-Verantwortlichen, die Chatbots auf dem Niveau von digitalen Agent:innen einsetzen, berichten von einem positiven ROI. Führungskräfte sollten Chatbots daher jetzt weiterentwickeln und stärker in die Customer Journey integrieren, um die CX zu verbessern und die Kundenbindung zu stärken.

Was erwarten Verbraucher heutzutage grundsätzlich von einem Kundenerlebnis?

Zunächst lässt sich auf Basis des CX Trends Reports feststellen, dass die
Erwartungen der Verbraucher:innen an CX im Allgemeinen gewachsen sind. Das ist vor allem auf das Aufkommen neuer Technologien zurückzuführen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Kluft zwischen diesen Erwartungen und der Realität größer geworden ist. Um diese Lücke zu schließen, müssen CX-Verantwortliche daran arbeiten, die Erwartungen der Verbraucher:innen zu erfüllen.
Dazu zählt unter anderem, dass die Verbraucher:innen mit signifikanten Fortschritten im Bereich KI und Bots rechnen. Mehr als die Hälfte der deutschen Verbraucher:innen gehen davon aus, dass KI bereits jetzt zu einem wesentlichen Bestandteil des modernen Kundenservice geworden ist. Und wenn es um schnelle und unmittelbare Hilfe geht, bevorzugen mehr als ein Drittel der deutschen Verbraucher:innen eine Bot-Interaktion gegenüber einer menschlichen Interaktion. Das zeigt: Die Verbraucher:innen sind bereit für den Schritt in das Zeitalter der intelligenten CX – es ist höchste Zeit, dass jetzt auch die Unternehmen nachziehen.

Inwiefern sehen Sie die Verantwortung der CX-Führungskräfte bezüglich der Sicherheit der Kundendaten und wie gehen sie mit der Herausforderung um, die Balance zwischen Datenschutz und personalisierten Erlebnissen zu finden?

Datensicherheit ist kein Nice-to-have mehr, sondern wird zunehmend nahtlos in die gesamte Customer Journey integriert. Diese zentrale und immer wichtigere Rolle des Datenschutzes in der CX ist unter anderem auf die wachsende Bedeutung der Personalisierung zurückzuführen. Kund:innen erwarten personalisierte, auf sie zugeschnittene Interaktionen mit einem Unternehmen. Dabei möchten sie, dass Unternehmen diese Daten umfassend schützen. Die Gewährleistung des Datenschutzes und der Sicherheit von Kundendaten sollte immer an erster Stelle stehen, bevor die Daten für Personalisierungszwecke verwendet werden.

Die Verantwortung für den Schutz der Kundendaten und der Privatsphäre der Kund:innen liegt dabei zunehmend auf den Schultern der CX-Verantwortlichen, wie der diesjährige CX Trends Report zeigt. Das gilt insbesondere für CX-Führungskräfte, die im IT-Bereich tätig sind. Drei Viertel dieser Expert:innen planen, ihr Cybersicherheitsbudget für CX im kommenden Jahr zu erhöhen, und fast neun von zehn geben an, dass Datenschutz und Cybersicherheit zu den Top-Prioritäten ihrer Kundenservicestrategie gehören.

Welche Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um proaktiv für Datensicherheit zu sorgen und das Vertrauen sowie die Loyalität der Kunden zu stärken?

Datenschutzmaßnahmen im CX-Bereich sollten Verschlüsselungstechnologien zum Schutz von CX-Daten, Multi-Faktor-Authentifizierung und eine KI-gestützte Betrugserkennung umfassen. Führungskräfte im CX-Bereich sollten sicherstellen, dass sie auf Maßnahmen setzen, die ihnen helfen, immer ausgefeiltere Betrugsmethoden im Kundenservice und vermehrt aufkommende Deepfakes zu erkennen. Dabei müssen sie über eine umfassende Cybersicherheitsstrategie verfügen und die aktuellen regulatorischen Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes berücksichtigen.

80 Prozent der deutschen CX-Führungskräfte sind der Meinung, dass sich Kund:innen, die nicht verstehen, wie ihre Daten verwendet werden, übergangen fühlen und sich in dem Zug eher anderen Unternehmen zuwenden, die transparenter kommunizieren. CX-Verantwortliche sollten daher ihre Sicherheits- und Datenpraktiken im CX-Bereich verständlich offenlegen. So schützen sie nicht nur die Kundendaten, sondern fördern auch das Vertrauen und die Loyalität ihrer Kund:innen.

Wie steht es um die Zukunft der CX?

Die Zukunft der CX ist intelligent, und das ist gut so. In den letzten Jahren haben wir gesehen, wie Tools und Funktionalitäten von Jahr zu Jahr intelligenter wurden. Was nun den Schritt in die neue Ära der intelligenten CX markiert, ist die Konvergenz von Funktionalitäten und Technologien. Dabei gibt es eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen dem, was Verbraucher:innen erwarten und dem, was CX-Verantwortliche denken, was sie bereits leisten. Intelligente CX kann diese Lücke schließen und bringt CX näher dorthin, wo sie schon immer sein sollte: an die Kund:innen. Deshalb blicke ich optimistisch in die Zukunft der intelligenten CX.


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