„Das Schlüsselthema ist, Menschen vom Arbeiten in der IT zu überzeugen“

Barbara Klinka Ghezzo, Geschäftsführende Gesellschafterin von Confare, erklärt im Interview mit ITWELT.at, warum IT-Verständnis und eine digitale Ausbildung heutzutage zur Grundausbildung gehören müssen. [...]

Barbara Klinka Ghezzo, Geschäftsführende Gesellschafterin von Confare: "Wir haben damit gestartet, die Jugend direkt anzusprechen. Einerseits über unsere Plattform Livin IT, andererseits fangen wir an, unser Eventprogramm auch für Schüler zu öffnen um frühzeitig zu zeigen: was tut sich nach der Schule, wie sieht das aus, wer sind die Menschen die in der IT arbeiten, was gibt es für Jobs, wo sehe ich Möglichkeiten für mich?" (c) Confare

Welche Lehren nehmen Sie aus dem IT-Jahr 2022 für die Zukunft mit?
Alles ist schaffbar mit der richtigen Haltung und den richtigen Allianzen. Da denke ich an den Ukrainekrieg und die Plattform Jobs for Ukraine. Hier haben sich zwei Confare CIO Award Preisträger zusammengeschlossen und sofort gehandelt und innerhalb von zwei Wochen die Plattform aufgebaut und zum Laufen gebracht. Das war sehr beeindruckend für mich und hat mir gezeigt: mit Solidarität und Netzwerk geht viel! Das hat mich auch darin bestätigt, dass unsere Community Plattform DACH-weit etwas Besonderes und Einzigartiges ist, mit wahnsinnig vielen engagierten IT Manager:innen und mit Impact! Brauchst Du etwas, hast Du eine Idee, dann rein ins Netzwerk und los. Auf unseren Veranstaltungen herrscht auch eine derart gute Stimmung, dass die Menschen sich gerne austauschen und aufeinander zugehen! Das hat mich 2022 wieder fasziniert und den Schwung nehme ich auch für heuer wieder mit.

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2022?
Die Umsetzung unserer Livin IT Plattform, wo wir unser Netzwerk aktivieren und den Nachwuchs ansprechen, ob frisch nach der Ausbildung, Quereinsteiger:innen, Interessierte, etc. Wir haben eine unheimliche Social-Media-Aufmerksamkeit, das werden wir nutzen, um hier einiges zu erreichen!

Wie schätzen Sie den Digitalisierungsgrad österreichischer Unternehmen und Organisationen ein und wo gibt es noch Nachholbedarf?
Ich sehe Handlungsbedarf bei der Kundenerfahrung. Vieles was Kunden als digitale Lösung oder App angeboten bekommen, ist nicht ausgereift und sehr unpraktisch, es fehlt eine übersichtliche, einfache Handhabung. Im Grunde ist hier der Mensch zu wenig adressiert, vieles ist in der Handhabung eher zermürbend. Aus meiner Sicht müssen Lösungen schnell und „naiv“ anwendbar sein. Das ist noch nicht richtig ausgereift.

Im Bereich Bildung und Digitalisierung steht man vor einem riesigen Dilemma. Nachholbedarf ist milde ausgedrückt. Ziel muss es sein, dass die digitale Welt in der wir leben auch im Schul- bzw. Bildungsalltag Resonanz findet.

Inwiefern spürt Ihr Unternehmen den Fachkräftemangel und was tun Sie um Fachkräfte zu bekommen und zu halten?
Es gibt keine Branche die nicht vom Fachkräftemangel betroffen ist. Wir haben daher damit gestartet, die Jugend direkt anzusprechen. Einerseits über unsere Plattform Livin IT, andererseits fangen wir an, unser Eventprogramm auch für Schüler zu öffnen um frühzeitig zu zeigen: was tut sich nach der Schule, wie sieht das aus, wer sind die Menschen die in der IT arbeiten, was gibt es für Jobs, wo sehe ich Möglichkeiten für mich? Nach dem Motto: Tisch decken und Interesse wecken.

„Ich sehe Handlungsbedarf bei der Kundenerfahrung. Vieles was Kunden als digitale Lösung oder App angeboten bekommen, ist nicht ausgereift und sehr unpraktisch, es fehlt eine übersichtliche, einfache Handhabung. Im Grunde ist hier der Mensch zu wenig adressiert, vieles ist in der Handhabung eher zermürbend.“

Barbara Klinka Ghezzo

Welche IT-Trends sehen Sie für 2023 bzw. welche IT-Themen sollten heuer auf der Agenda von IT-Verantwortlichen ganz oben stehen und warum?
Die Agenda ist recht offensichtlich und reicht von Cybersecurity bis zum Voranbringen der digitalen Transformation. Das Schlüsselthema wird es aber sein, Menschen vom Arbeiten in der IT zu überzeugen. Hier wird Zukunft gestaltet. Dazu braucht es Diversity und den Faktor Mensch. Ein der wichtigsten Aufgaben der internen IT wird sein, die IT als Arbeitgeber interessant zu machen. Das Arbeiten in der IT kann extrem spannend, flexibel und vielseitig sein. Es gibt ganz viele Möglichkeiten mit Menschen zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren und kreativ zu sein. Viele Vorurteile sind veraltet. IT ist längst nicht mehr nur was für Nerds und sozial Inkompatible. Auch für Quereinsteiger gibt es viele Möglichkeiten. Doch bei jungen Menschen sind die Chancen, die eine IT zu bieten hat kaum sichtbar. Die Jobtitles und verlangten Qualifikationen machen Jobinserate undurchsichtig. Da setzen wir mit unserer Arbeit rund um den Confare CIOAWARD, Female IT-Mentoring und mit der Initiative Livin IT an. Viele IT-Abteilungen haben das bereits verstanden und setzen auf eigene Employer Branding Maßnahmen. Aber es gibt noch viel zu tun.

Welche Herausforderungen, die sich mit IT-Unterstützung lösen lassen, sehen Sie 2023 auf Unternehmen zukommen?
Fachkräftemangel sehe ich an erster Stelle, gefolgt von Security, weil es ein lukratives Geschäftsmodell geworden ist, Firmen zu attackieren. In dem Zusammenhang muss Resilienz gleich mitgedacht werden. Wie stelle ich mein Unternehmen auf um flexibel genug zu sein, um mit Krisen umgehen zu können? Nachhaltigkeit ist wichtig, besonders in Hinblick auf eine positive Klimabilanz jedes einzelnen Unternehmens.

Für mich steht noch das Thema Kooperation im Raum, im Sinne: mit wem schließe ich mich zusammen, um Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, Ressourcen zu bündeln um effektiver zu handeln? Das ist sicher für kleine und mittlere Unternehmen ein wichtiger Aspekt um auch große Brocken zu heben, wie zum Beispiel das Thema Cybersecurity.

Wie kann IT im Allgemeinen und Ihr Unternehmen im Speziellen dazu beitragen, dass die Welt zu einem lebenswerteren Ort wird?
IT ist in vielen Fällen der Umsetzungspartner. Das heißt, wenn etwas verbessert wird, dann hat die Technik sofort den richtigen Hebel. Einerseits werden Prozesse optimiert, andererseits Lösungen gefunden wie das Ziel, das ich mir setze, auch erreicht werden kann. Ein paar Prozent bessere Performance haben sofort Auswirkung auf eine besser Umweltbilanz. Das ist beim Thema Transport z.B. ein Riesenpotenzial, um ein Thema herauszugreifen.

Wenn Sie einen IT-bezogenen Wunsch frei hätten, wie würde der lauten?
IT mehr in die Grundausbildung zu integrieren. Informatik in der Oberstufe ist zu kurz gedacht. Prozessdenken, Teamwork und Teamgeist, Lernen als fortwährenden Prozess betrachten (lebenslanges Lernen), Lösungserarbeitung schulen – das sind Skills die wir in der IT brauchen. Kinder sollten in der Schule spielerisch gewisse Denk und Verhaltensmuster lernen, die zur Gewohnheit werden und im späteren Berufsleben mobiler und flexibler machen. IT begleitet uns im Alltag, ist im Berufsumfeld wichtig, warum adressieren wir in der Ausbildung nur Experten indem wir eine Spezialausbildung in einer FH oder beim Studium anbieten? Es ist so als würde man sagen: lesen lernen sollen die, die es interessiert. IT-Verständnis und eine digitale Ausbildung gehören einfach zur Grundausbildung, um am Ende Egalität gewährleisten zu können. Nicht exklusiv, sondern integrativ gedacht, ohne Bewegung, kreative Fächer und Allgemeinbildung links liegen zu lassen.


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