Customer Experience ist längst kein reines Technologiethema mehr – sie entscheidet zunehmend über den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Doch viele Betriebe behandeln CX noch immer als operative Aufgabe, statt sie strategisch zu verankern. Warum der entscheidende Hebel auf C-Level-Ebene liegt und wie sich der Reifegrad österreichischer Unternehmen im internationalen Vergleich entwickelt, erklärt Philip Urban, CX Principal bei Tietoevry Create in Austria, im Gespräch mit ITWelt.at. [...]
Wird das Thema Customer Experience derzeit eher technisch oder strategisch gesehen?
Customer Experience sollte stets sowohl technisch als auch strategisch betrachtet werden. In der Realität ist das jedoch nicht immer gegeben. Entscheidend ist, dass das Thema auf der C-Level-Ebene ankommt. Unternehmen, die CX dort fest verankert haben, agieren meist erfolgreicher, weil sie dadurch auch eine strategische Perspektive einnehmen. Die technische Umsetzung folgt diesem strategischen Verständnis und sorgt für die notwendige operative Unterstützung. Technologieunternehmen legen oft großen Wert auf den technischen Aspekt, doch die eigentliche Verankerung muss strategisch auf höchster Ebene erfolgen, um eine ganzheitliche Sicht auf das Kundenerlebnis zu gewährleisten.
Wie gut sind österreichische Unternehmen im internationalen Vergleich darin, Kundenbedürfnisse zu erkennen und darauf zu reagieren?
In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Sammeln und Auswerten von Kundendaten deutlich verbessert. Unternehmen investieren zunehmend in Feedbacksysteme und nutzen diese Erkenntnisse, um gezielte Maßnahmen einzuleiten. Der Einzug von Customer-Experience-Themen auf C-Level-Ebene erfolgt dabei schrittweise, was zeigt, dass die strategische Bedeutung erkannt wurde, aber noch nicht überall gleich stark verankert ist.
Zwischen den Branchen zeigen sich deutliche Unterschiede: Während im Finanzsektor die CX oft hinter anderen Prioritäten zurücktritt, gilt der Tourismus als Paradebeispiel. Österreich hat hier einen sehr hohen Qualitätsanspruch etabliert und dient international als Benchmark. Der Umgang mit Gästen – von der Buchung über die Ankunft bis zur Problemlösung vor Ort – prägt ein tiefes Verständnis für Kundenerwartungen und emotionale Erlebnisse.
Insgesamt ist Österreich auf einem guten Weg. Das Erkennen von Kundenbedürfnissen ist in vielen Bereichen Teil der kulturellen DNA. Dennoch könnten sich technologische Branchen und Industrien noch stärker an den Best Practices des Tourismus orientieren, insbesondere was ganzheitliche Prozesse und emotionale Kundenerlebnisse betrifft.
Wie haben sich die Erwartungen von Kundinnen und Kunden im Jahr 2025 verändert, und inwiefern unterscheiden sich diese zwischen den Generationen?
Kundinnen und Kunden erwarten heute von einem Unternehmen, das sie erstmals kontaktieren, ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Individualisierung. Viele Informations- und Entscheidungsprozesse finden bereits im Selbstservice statt – über Webseiten, Onlineportale oder Social-Media-Kanäle. Diese digitalen Kontaktpunkte sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer sie nicht anbietet, wird als wenig kundenorientiert wahrgenommen.
Zwischen den Generationen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Wahl der Kommunikationskanäle.
Erfolgreiche Unternehmen schaffen es, diese Vielfalt zu orchestrieren. Sie verbinden die unterschiedlichen Kontaktkanäle zu einem einheitlichen Erlebnis und nutzen technologische Unterstützung, auch durch künstliche Intelligenz, um das richtige Angebot zur richtigen Zeit über den bevorzugten Kanal auszuspielen.
Welche Herausforderungen bestehen derzeit in der Gestaltung einer durchgängigen Customer Journey?
Die größte Schwachstelle in der Customer Journey liegt oft in ihrer fehlenden Geschlossenheit. In vielen Fällen wissen einzelne Abteilungen nicht, was bereits an anderer Stelle kommuniziert oder erledigt wurde. Diese Brüche im Prozess führen zu unnötigen Zusatzschritten, die sowohl Zeit als auch Geld kosten – für Unternehmen ebenso wie für Kundinnen und Kunden. Solche Reibungsverluste beeinträchtigen das gesamte Erlebnis und hinterlassen schnell einen negativen Eindruck.
Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Datenhaltung. Häufig fehlen klare Strukturen, einheitliche Datenmodelle und eine funktionierende Data Governance. Ohne saubere, zentral verfügbare Datenbasis kann keine konsistente Customer Journey entstehen. Gleichzeitig setzen viele neue Technologien, insbesondere Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, genau auf diesen Daten auf – etwa bei der Personalisierung von Inhalten oder der Automatisierung von Serviceprozessen.
Hinzu kommt, dass in vielen Unternehmen noch veraltete Systeme im Einsatz sind. Legacy-Strukturen erschweren die Integration moderner Lösungen und führen zu Insellösungen, die wiederum Systembrüche erzeugen. Die Herausforderung besteht also weniger darin, dass Kanäle fehlen, sondern vielmehr darin, sie richtig zu verbinden und Daten intelligent zu nutzen, um ein nahtloses und konsistentes Kundenerlebnis zu schaffen.
Wie positioniert sich Tietoevry Create innerhalb des Konzerns und welches Leistungsversprechen gibt die Einheit ihren Kunden?
Tietoevry Create ist Teil des finnischen Tietoevry-Konzerns mit Hauptsitz in Helsinki. Die Business Unit ist international aufgestellt – mit Standorten in den nordischen Ländern, in Mitteleuropa, den USA und weiteren Märkten. In Österreich beschäftigt Tietoevry Create rund 300 Mitarbeitende an den Standorten Wien, Linz und Graz. Insgesamt zählt die Einheit weltweit etwa 9.000 Mitarbeitende und gilt innerhalb des Konzerns als strategisches Kernelement, das Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation begleitet.
Tietoevry Create ist eine der zentralen Business Units des Tietoevry-Konzerns und fungiert als IT-Dienstleistungs- und Digitalisierungsberatung mit einem ganzheitlichen End-to-End-Ansatz. Der Name „Create“ steht dabei sinnbildlich für den Anspruch, gemeinsam mit den Kunden und Kundinnen Lösungen zu entwickeln, die auf deren spezifische Business-Anforderungen zugeschnitten sind. Grundlage ist ein breites technologisches Portfolio, das von der Beratung über die Implementierung bis zur kontinuierlichen Optimierung reicht.
Im Zentrum steht dabei ein Dreiklang aus Mensch, Prozessen und Technologie. Es geht darum, die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen, effiziente Abläufe zu gestalten und diese mit der passenden technologischen Basis zu verbinden. Dieser Ansatz betrifft sowohl die nach außen gerichteten Customer Journeys als auch interne Prozesse, etwa im Aufbau digitaler Arbeitsplätze oder in der sogenannten Employee Journey. Der Mensch bleibt dabei stets der zentrale Faktor.
Was verbirgt sich hinter „Customer Experience Discovery“, und welchen Mehrwert bietet es Unternehmen?
Das „Customer Experience Discovery“ ist ein Angebot von Tietoevry Create, das sich als strukturierter Beratungs- und Analyseprozess versteht. Es kann durchaus als Produkt innerhalb des Dienstleistungsportfolios betrachtet werden, da es einen klar definierten Ablauf und messbare Ergebnisse bietet. Ziel ist es, gemeinsam mit dem Kunden das bestehende Kundenerlebnis ganzheitlich zu analysieren und Optimierungspotenziale entlang der gesamten Customer Journey zu identifizieren.
Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wo es in den bestehenden Prozessen Brüche oder Inkonsistenzen gibt und wie sich diese durch bessere Abstimmung von Strategie, Organisation und Technologie beheben lassen. Ein wesentlicher Bestandteil ist das Benchmarking mit anderen Unternehmen, um Best Practices aufzuzeigen und den eigenen Reifegrad im Bereich Customer Experience realistisch einzuordnen.
Methodisch setzt Tietoevry Create dabei auf Ansätze wie Business Value Design Thinking. Dieser Ansatz bringt unterschiedliche Stakeholder aus dem Unternehmen zusammen, um eine gemeinsame Sicht auf die Herausforderungen zu entwickeln und die Perspektiven von Fachexpertin und -expertinnen sowie Kunden und Kundinnen gleichermaßen einfließen zu lassen. Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Bild der Customer Experience – als Basis für nachhaltige und praxisnahe Verbesserungen.
Was sind die typischen Meilensteine in diesem Prozess?
Die Zusammenarbeit beginnt in der Regel mit einer umfassenden Analysephase, in der das bestehende Kundenerlebnis untersucht und auf dieser Basis eine strategische Roadmap entwickelt wird. Anschließend folgt eine erste Erprobungsphase, in der durch einen sogenannten Proof of Value überprüft wird, ob die definierten Maßnahmen tatsächlich Wirkung zeigen. Das dabei gewonnene Feedback wird ausgewertet und fließt in die Weiterentwicklung der Lösung ein, bevor die Umsetzung schrittweise in den Rollout übergeht.
Dieser Prozess ist von kontinuierlichem Lernen geprägt. Unternehmen erweitern sukzessive ihre Anwendungsfälle, passen Systeme und Prozesse an und integrieren fortlaufend Rückmeldungen sowohl von Kundinnen und Kunden als auch von internen Entwicklungsteams.
Begleitet wird dieser Prozess durch ein aktives Change Management. Dabei geht es darum, neue Entwicklungen zu bewerten, zu testen und in den laufenden Betrieb zu integrieren. Ein zentrales Instrument ist das gemeinsame Backlog, in dem alle geplanten Maßnahmen gesammelt, priorisiert und nach Businessbedarf umgesetzt werden.
Darüber hinaus spielen rechtliche Rahmenbedingungen zunehmend eine Rolle. Themen wie Datenschutz oder die regulatorischen Anforderungen beim Einsatz von künstlicher Intelligenz fließen direkt in die Projektplanung ein.
Wie stark verändert künstliche Intelligenz derzeit die Customer Journey, und wird sie menschliche Mitarbeitende im Kundenkontakt langfristig ersetzen oder vielmehr ergänzen?
Künstliche Intelligenz hat im Bereich Customer Experience und Customer Service längst einen festen Platz, doch die Entwicklung der letzten Jahre hat ihr eine völlig neue Dynamik verliehen. Der Einfluss zeigt sich aus unserer Sicht in vier Dimensionen.
Eine zentrale Rolle spielt künstliche Intelligenz im Vertrieb, wo sie bei der Optimierung von Kundenkontakten unterstützt. Intelligente Suchfunktionen oder Upselling-Assistenten helfen dabei, das nächstbeste Angebot vorzuschlagen und Beratungsprozesse gezielt zu steuern. Dadurch entsteht nicht nur Effizienz, sondern auch ein messbarer Mehrwert im Kundenerlebnis.
Die zweite Dimension betrifft den Bereich Self-Service und Automatisierung. Immer mehr Kundinnen und Kunden erwarten, Probleme eigenständig lösen oder Käufe ohne persönliche Interaktion abwickeln zu können. Chatbots, Voicebots oder automatisierte E-Mail-Systeme übernehmen hier einen großen Teil der Standardanfragen und entlasten so den menschlichen Support.
Darüber hinaus wirkt KI stark nach innen. Sie verbessert die operative Exzellenz, etwa durch intelligentes Matching zwischen Kunden und Kundinnen sowie Mitarbeitenden, damit komplexe Fälle gezielt an erfahrene Servicemitarbeitende weitergeleitet werden. Auch Echtzeitübersetzungen oder automatisierte Dokumentationen von Kundengesprächen gehören inzwischen zum Alltag und fließen direkt in CRM-Systeme ein, um ein umfassendes Kundenbild – die sogenannte Customer 360 – zu schaffen.
Die vierte Dimension betrifft die direkte Unterstützung der Mitarbeitenden. Über Agent-Assist-Funktionen erhalten sie in Echtzeit Vorschläge für Texte, Produktinformationen oder weiterführende Inhalte. Das reduziert Suchzeiten und ermöglicht es, sich auf die eigentliche Interaktion mit dem Kunden zu konzentrieren.
Wie gelingt es, das Zusammenspiel zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Interaktion technologisch sinnvoll in Systemen wie einem CRM abzubilden?
Der entscheidende Punkt liegt darin, den Einsatz künstlicher Intelligenz nicht technikgetrieben, sondern strategisch zu denken. Unternehmen sollten zunächst eine klare Vision formulieren: Was soll durch den Einsatz von KI erreicht werden? Geht es um Effizienzsteigerung, um bessere Kundenerlebnisse oder um neue Serviceangebote? Auf dieser Basis lassen sich gezielt die passenden Anwendungsfälle identifizieren – also jene Bereiche, in denen KI tatsächlich einen Mehrwert liefert und einen messbaren Return on Investment ermöglicht.
Dabei ist es wichtig, nicht überall gleichzeitig anzusetzen. Künstliche Intelligenz verursacht Kosten, und ein ungezielter Einsatz kann schnell zu teuren Fehlinvestitionen führen. Deshalb empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, bei dem zunächst einzelne, klar definierte Use Cases umgesetzt und getestet werden. Diese können anschließend in einer realen Systemumgebung – etwa im CRM – validiert und bei Erfolg sukzessive erweitert werden.
Methodisch bewährt hat sich der Design-led-Engineering-Ansatz, der auf Design Thinking aufbaut. In Workshops werden gemeinsam mit den Fachbereichen Problemstellungen analysiert, Anforderungen dokumentiert und Lösungsansätze erarbeitet. Anschließend wird das Konzept in ein konkretes Projektvorhaben überführt. So entsteht eine enge Verbindung zwischen Business- und Technologieebene.
Wohin entwickelt sich Tietoevry Create technologisch und strategisch im Bereich Customer Experience, und wie spiegeln sich dabei die Veränderungen auf Kundenseite wider?
Für Tietoevry Create ist das Thema Customer Experience ein zentraler Wachstumsbereich. Die Relevanz dieses Feldes hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, weil schlechte Kundenerlebnisse heute unmittelbar als Wertschöpfungs- und Wettbewerbsthema wahrgenommen werden. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass nachhaltiger Geschäftserfolg eng mit einer positiven Customer Journey verknüpft ist. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Lösungen, die Kundenerlebnisse messbar verbessern und strategisch im Unternehmen verankern.
Tietoevry Create investiert daher gezielt in den Ausbau seiner Kompetenzen und in die Weiterentwicklung des Portfolios. Der Fokus liegt darauf, Kundinnen und Kunden nicht nur beratend zu begleiten, sondern ihnen auch konkrete Produkte und Services bereitzustellen, die die Customer Journey optimieren – sowohl technologisch als auch prozessual.
Damit schließt sich ein Kreislauf: Die zunehmende strategische Bedeutung von Customer Experience bei den Kunden spiegelt sich in der eigenen Unternehmensausrichtung von Tietoevry Create wider.

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