„Tief verwurzelte On-Premise-Mentalität“

Österreich ist seit jeher eines der Cloud-skeptischsten Länder Europas, laut einer Accenture Studie 2022 vertrauen 60 Prozent Cloud-Plattformen nicht. Die valantic-Experten Mario Gruber-Kalteis und Oliver Pretz im Interview. [...]

Die Potenziale von Generative AI, Digital Twin oder Internet of Things lassen sich ohne Cloud kaum heben. (c) Unsplash
Die Potenziale von Generative AI, Digital Twin oder Internet of Things lassen sich ohne Cloud kaum heben. (c) Unsplash

Langsam schwinden zwar die Vorbehalte gegenüber entsprechenden Technologien. Doch die verheißungsvollen Potenziale von Trendtechnologien wie Generative AI, Digital Twin oder Internet of Things lassen sich ohne Cloud kaum heben. Für immer mehr Wirtschaftsentscheider ist deshalb klar: Wer ein Unternehmen erfolgreich digitalisieren, zukunftsfähig aufstellen und international wettbewerbsfähig machen will, braucht eine Cloud-Strategie.

ITWELT.at sprach mit Mario Gruber-Kalteis, Managing Director bei valantic Division SAP Services, und Oliver Pretz, Leiter Standort Vorarlberg, ebenfalls bei valantic.

Wo aus Ihrer Sicht stehen österreichische Unternehmen in Sachen digitaler Transformation im Vergleich zu anderen Ländern?

Mario Gruber-Kalteis: Österreichische Unternehmen arbeiten aktiver an der digitalen Transformation als noch vor drei oder vier Jahren und sind in vielen Bereichen gut positioniert. Bspw. gibt es im produzierenden Gewerbe eine starke Bewegung hin zu Industrie 4.0-Initiativen. Allerdings gibt es auch Herausforderungen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben manchmal Schwierigkeiten, die notwendigen Investitionen in digitale Technologien zu tätigen und das erforderliche Knowhow aufzubauen.

Oliver Pretz: Es gibt aus meiner persönlichen Erfahrung zwei Lager: Im einen befinden sich Österreichs Innovationsführer, die schon seit je her Technologietrends beobachten und fortlaufendend entscheiden, welche Themen sie in ihre IT-Strategie übernehmen und zur Umsetzung bringen. Diese Unternehmen sind auch im internationalen Vergleich vorne mit dabei. Im anderen, größeren Lager sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, welche die digitale Transformation im “notwendigen” Ausmaß verfolgen. Meiner Einschätzung nach haben hier viele durchaus noch Potential nach oben.

Österreichische Unternehmen arbeiten aktiver an der digitalen Transformation als noch vor drei oder vier Jahren und sind in vielen Bereichen gut positioniert.

Mario Gruber-Kalteis, Managing Director bei valantic Division SAP Services

Wie sieht es insbesondere mit der Cloud-Transformation aus? Welche Rolle wird ihr in der digitalen Gesamttransformation zugewiesen?

Mario Gruber-Kalteis: Die Cloud-Transformation ist ein zentraler Bestandteil der Digitalisierung und ermöglicht es Unternehmen, agiler zu werden und schneller auf Marktveränderungen zu reagieren, während Cloud-Anbieter die Wartung und Sicherheit der IT-Infrastruktur übernehmen.

Oliver Pretz: Das “Move-2-Cloud“-Thema wird allerdings kontrovers diskutiert. Die typischen Argumentationen der Cloud-Skeptiker gehen in Richtung Datenschutz und zielen oft auf die strengen regulatorischen Rahmenbedingungen der DSGVO ab. Nun ist das nichts Österreich-Spezifisches, haben wir doch in vielen anderen Ländern der EU dieselben Verordnungen. Weitere Gründe sind das mangelnde Vertrauen in die Datensicherheit externer Clouddienstleister und nicht zuletzt das bereits angesprochene fehlende Knowhow aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels. Auch wenn dies ernstzunehmende Herausforderungen sind, sollten diese Argumente keinesfalls vorgeschoben werden, während es in Wahrheit vielleicht eher an der grundlegenden Innovationskultur in einem Unternehmen mangelt.

Wo sehen Sie die Hauptgründe dafür, dass heimische Unternehmen bei der Cloud-Transformation hinterherhinken?

Mario Gruber-Kalteis: Einerseits sehe ich kulturelle und organisatorische Widerstände, da in manchen Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Veränderungen oder eine tief verwurzelte „On-Premise-Mentalität“ vorherrscht. Andererseits wirtschaftliche Überlegungen, da die anfänglichen Kosten und der Aufwand für die Migration in die Cloud abschreckend wirken können, insbesondere für KMU mit begrenzten Budgets.

Oliver Pretz: Die Bereitschaft, neue Technologien zu adaptieren und zu innovieren, ist ein wichtiger Treiber der digitalen Transformation im Allgemeinen. Das trifft natürlich auch auf die Cloud-Technologien zu. Eine moderne agile Organisation hat das notwendige Mindset, um die Digitalisierung voranzutreiben, Fortschritt zu wagen und dadurch die Einführung neuer Technologien zu fördern. Hier gilt es anzusetzen, statt entsprechende Projekte aus budgetären, technologischen oder regulativen Herausforderungen zu lange vor sich herzuschieben.

Welchen durchschnittlichen Reifegrad würden Sie heimischen Unternehmen bei der Cloud-Strategie zuweisen? In welchen Teilen dieser Strategie ist aus Ihrer Sicht die meiste Luft nach oben?

Mario Gruber-Kalteis: Ich denke, dass sich viele Unternehmen in einer Übergangsphase befinden, in der sie beginnen, Cloud-Dienste zu evaluieren oder zu implementieren. Der Reifegrad variiert jedoch stark zwischen verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen. Kleine und mittlere Unternehmen weisen im Durchschnitt noch einen niedrigeren Reifegrad auf, da sie oft mit begrenzten Ressourcen und fehlendem Fachwissen konfrontiert sind. Große Unternehmen und Konzerne haben einen höheren Reifegrad erreicht, da sie eher in der Lage sind, in Cloud-Technologien zu investieren und Fachkräfte für die Umsetzung ihrer Cloud-Strategie einzustellen.

Welche primären Auswirkungen sehen Sie, die die Cloud-Skepsis auf den Wirtschaftsstandort Österreich hat?

Oliver Pretz: Die Cloud-Technologie kann als ein zentraler Baustein der digitalen Transformation gesehen werden, da sie Flexibilität, Skalierbarkeit und Effizienz bietet, um Trendtechnologien wie Generative AI, Predictive Analytics oder Extended Reality (XR) zu implementieren. Cloud-Infrastrukturen sind in der Lage, die dafür notwendigen Rechenleistung zur Verarbeitung großer Datenmengen bereitzustellen. Die Cloud-Skepsis wirkt daher innovationshemmend, kann die Einführung neuer digitaler Geschäftsmodelle einbremsen und damit die Wettbewerbsfähigkeit Österreichischer Unternehmen nachhaltig gefährden.

Die Cloud-Technologie kann als ein zentraler Baustein der digitalen Transformation gesehen werden, da sie Flexibilität, Skalierbarkeit und Effizienz bietet.

Oliver Pretz, Leiter Standort Vorarlberg bei valantic

Mario Gruber-Kalteis: Als weitere Auswirkungen wären zudem die verpassten Chancen zur Zusammenarbeit über Standortgrenzen hinweg zu nennen, welche durch die Cloud erleichtert wird. Eine verlangsamte digitale Transformation kann auch zu Investitionsrückgängen führen, falls potenzielle in- und ausländische Investoren zögern, in einen Markt zu investieren, der als technologisch rückständig wahrgenommen wird. Auch das Thema Fachkräftemangel könnte sich ausweiten, wenn die Nachfrage nach Cloud-Lösungen gering ist und dies die Entwicklung des lokalen Talentpools beeinflusst.

Was sind für Sie die wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen, die sich gegen diese Skepsis richten?

Mario Gruber-Kalteis: Vor allem Lokalität: Das heißt, es braucht eine enge Zusammenarbeit mit lokalen IT-Firmen und Beratern, die als vertrauenswürdige Vermittler fungieren können. Weiters die Bereitstellung von Cloud-Diensten über lokale Datenzentren, um Bedenken hinsichtlich der Datenhoheit und der Einhaltung lokaler Datenschutzgesetze zu mindern.

Oliver Pretz: Bei valantic arbeiten wir viel mit Success-Stories und Fallstudien von Kunden, die erfolgreich auf Cloud-Dienste umgestiegen sind und als überzeugende Beispiele dienen. Zudem bieten sich Pilotprojekte und eine schrittweise Einführung an: Unternehmen können mit kleineren, weniger kritischen Anwendungen beginnen, um Erfahrungen zu sammeln und Vertrauen aufzubauen.

Wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Mario Gruber-Kalteis: valantic hat sich auf die digitale Transformation spezialisiert und bietet hier neben Beratungsleistungen auch Implementierungs- und Entwicklungsservices an. Das Leistungsspektrum umfasst dabei vor allem die Bereiche Digital Strategy & Analytics, Customer Experience, SAP Services, Smart Industries und Financial Services Automation. Mit über 4.000 spezialisierten Lösungsberatern und Entwicklern ist valantic in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Portugal und an vielen weiteren internationalen Standorten vertreten.

Wie war Ihr Geschäftsverlauf in den vergangenen 12 Monaten? Was waren die Highlights? Die größten Herausforderungen?

Mario Gruber-Kalteis: valantic blickt auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr zurück, das sowohl durch ein starkes organisches als auch anorganisches Wachstums gekennzeichnet war. Wir haben unser Leistungsspektrum weiter diversifiziert und unsere End-2-End-Kompetenzen weiter ausgebaut.

Oliver Pretz: Durch die exponentielle technologische Entwicklung, wie bspw. das Thema Künstliche Intelligenz, sind wir stets gefordert, unsere Expertise und unser Fachwissen auszubauen. Dies gelingt nicht durch organisches Wachstum alleine, weshalb wir auch im letzten Jahr neue Expertenfirmen aus dem Bereich AI, Cloud Computing und Smart Industries in die valantic Familie aufgenommen haben.

Was planen Sie in Österreich kurz- und mittelfristig?

Oliver Pretz: Wir planen den Ausbau unserer Standorte in Dornbirn, Salzburg und Wien, verbunden mit der Neueinstellung weiterer Expertinnen und Experten – divisionsübergreifend und in diversen Fachrichtungen. Wir möchten unsere stabile Kundenbasis weiter stärken und mit unserem End-2-End-Serviceportfolio zunehmend international agierende Unternehmen ansprechen, die ihren Hauptsitz in Österreich haben.


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