Digitale Vertriebsprozesse sind wichtiger denn je

Warum manche Unternehmen die Krise besser bewältigen als andere, wieso Prozessoptimierung an erster Stelle stehen sollte und wie ein digital gestützter Vertriebsprozess gegen Rezession schützt, erklärt Oliver Witvoet, Geschäftsführer von easyconsult. [...]

Oliver Witvoet ist geschäftsführender Gesellschafter der easyconsult GmbH. (c) easyconsult

Viele Unternehmen kämpfen derzeit mit massiven Absatzproblemen. Im Frühjahr – mit Beginn der Coronakrise – gab es zunächst eine Schockstarre und weitreichende Veränderungen, u.a. Kurzarbeit, Schließungen und Homeoffice. Der Vertrieb ist im Lockdown zu kurz, oft fast zum Stillstand gekommen. Besonders schwierig wurde (und ist es noch immer) für jene Betriebe, die keinen klar strukturierten, digital gestützten Vertriebsprozess haben. In Österreich gibt es beispielsweise einige Maschinenbau-Unternehmen, die mit erstklassigen Produkten gewachsen und erfolgreich geworden sind. Die Konkurrenz, speziell aus Asien, wird aber immer stärker. Das Produkt alleine ist nicht mehr ausschlaggebend – es braucht digital gestützte Prozesse, um erfolgreich zu bleiben. Die Krise hat deutlich aufgezeigt: Je weiter das Unternehmen in der Digitalisierung seiner Abläufe ist, desto besser ist es für Rezessionen gewappnet. Denn ein digitaler Vertriebsprozess gibt Übersicht sowie Kontrolle über die Sales-Mitarbeiter und ermöglicht ein effizientes Arbeiten. Er sichert aber auch hohe Effektivität, denn es werden jene Kunden vorrangig angesprochen, die das größte Potenzial aufweisen.

Strategien für Krisenzeiten

Wer nach einer kurzfristigen Lösung für einen krisenbedingten Absatzrückgang sucht, wird meist enttäuscht, denn Prozessoptimierung braucht Zeit. Es gilt daher, bereits in konjunkturstarken Zeiten seinen Vertriebsprozess zu durchleuchten, zu optimieren und digital zu stützen. Damit hat man nicht nur eine klare Übersicht zu allen Aktivitäten der Sales-Abteilung, sondern kann diese auch steuern und rasch Maßnahmen setzen. Das ist gerade bei großen, international tätigen Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung, um zeitnah handeln und gegenlenken zu können. Ein weiterer Aspekt, den die Krise hervorgekehrt hat, ist das Thema Kundenstruktur. Wer auf wenige Großkunden oder eine einzige Branche fokussiert, ist besonders anfällig für Rezessionen. Aktuell sind z.B. viele Zulieferbetriebe des Automotive-Markts krisengeschüttelt. Hingegen können Unternehmen, die ihre Kundenbasis breit aufstellen, das Geschäftsrisiko in Krisenzeiten minimieren.

Digitale Potenziale nutzen

Die Geschichte liefert immer wieder anschauliche Beispiele für Unternehmen, die wichtige Technologieschritte verschlafen haben und dadurch untergegangen sind. Neben den bekannten Beispielen wie Kodak oder Nokia gibt es auch viele kleinere Firmen, die sich zu lange auf altbewährte Geschäftsmodelle verlassen. Ein erster Schritt wäre, dies zu erkennen. Hier kann eine externe Sichtweise maßgeblich helfen. Natürlich ist es verlockend, ein gut laufendes System nicht zu verändern. Wir sehen immer wieder Unternehmen, die z.B. kein zentrales Vertriebstool haben, hier gibt es enormen Aufholbedarf. Kaltakquise ist zu ineffizient geworden, auch der Kaufprozess hat sich entscheidend geändert. Im B2B-Bereich wird der Großteil der Entscheidungen über Internetrecherche eingeleitet. Mit digitalen Tools lässt sich der Prozess im Vorfeld automatisieren, der Vertriebsmitarbeiter kommt erst in einer späteren Phase ins Spiel. Dadurch kann das Sales-Personal höher qualifizierte Tätigkeiten übernehmen und die Effizienz steigern.

Zuerst Prozesse, dann Software

Wenn es um die Optimierung des Vertriebs geht, steht zu Beginn an, den Status quo zu erheben, die Ziele zu definieren und den gesamten Prozess zu analysieren. Erst dann geht es an die Auswahl des Software-Tools. Egal ob Umsatzsteigerung, Kundengruppendefinition oder Cross-Upselling-Potenziale bei Bestandskunden im Fokus sind – wichtig in dieser Phase ist die externe Sichtweise eines Beraters, um ein objektives Bild generieren zu können. Als CRM-Consultingspezialist setzen wir zuerst beim Ist-Soll-Vergleich an. Im zweiten Schritt folgt eine ausführliche Prozessanalyse. Erst zum Schluss kommt die passende Software ins Spiel, um damit den gesamten Vertriebsprozess abzubilden. Die Praxis zeigt aber ein anderes Bild: Viele Unternehmen wollen zuerst Software einführen und damit das Problem lösen. Ohne Prozessanalyse macht das aber keinen Sinn. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist z.B. das Einbeziehen des Top-Managements, denn Digitalisierung ist Chefsache.

Ohne Team kein Erfolg

Die Coronakrise hat uns auch vor Augen geführt, wie wichtig eine gute Unternehmenskultur und ein starker Teamgedanke sind. Digitalisierung und Technologie sind wichtig, gut eingespielte Mitarbeiter aber sind unser wichtigstes Asset. Jedes Unternehmen sollte Wert darauflegen, dass es seinen Beschäftigten gut geht und sie sich in ihrer Arbeit verwirklichen können. Das schweißt zusammen und schafft ein großes Potenzial für den gesamten Betrieb. Gerade Krisenzeiten sollten Anlass geben, die eigene Firmenkultur zu hinterfragen, bestehende Prozesse zu analysieren und gegebenenfalls in ein Digitalisierungsprojekt zu investieren.

*Oliver Witvoet ist geschäftsführender Gesellschafter der easyconsult GmbH.


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