In diesen Tagen zeichnet sich ein beunruhigender Trend ab. Während die größten Tech-Konzerne der Welt immer mehr Gewinne verzeichnen, steigt auch die Zahl der Datenschutzverletzungen und Hacks. [...]
Das ist natürlich kein Zufall; Nutzerdaten sind zu einer lukrativen digitalen Schatzkiste geworden, die bei Kriminellen und Unternehmen gleichermaßen begehrt ist. Big-Tech-Konzerne nutzen sie, um erschreckend präzise Profile über uns zu erstellen und zu exorbitanten Preisen an Werbekunden weiterzuverkaufen. Für Hacker sind Nutzerdaten ein gefundenes Fressen, um Lösegeld zu erpressen oder andere finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Und für die Nutzer? Heutzutage werden die meisten unserer Online-Daten verkauft, gestohlen oder gleich beides. Immer öfter werden wir von Werbung belästigt oder finden heraus, dass unsere persönlichen Daten für jeden einsehbar im Internet veröffentlicht wurden. Vorteile für den Einzelnen gibt es kaum.
Fotos, Online-Banking-Daten, was wir suchen und kaufen: Im Zeitalter der Digitalisierung gerät oft in Vergessenheit, dass unsere Daten tatsächlich uns gehören. Wir Nutzer sind der wichtigste Teil in einem Online-Ökosystem, das ohne uns in sich zusammenfallen würde. Ohne uns würden die Gewinne von Big Tech einbrechen. Es ist also besorgniserregend, dass wir als Nutzer zwar den Schlüssel in der Hand halten, aber dennoch vor verschlossenen Türen stehen.
Das ist der erschreckende Zustand der digitalen Privatsphäre im Jahr 2021. Wir befinden uns an einem Wendepunkt der Geschichte. Es genügt nicht, auf den Gesetzgeber oder einen plötzlichen Sinneswandel der Tech-Konzerne zu warten, während in der Zwischenzeit Hacks und Datenschutzverletzungen Rekordwerte erreichen. Es ist an uns, eine Entscheidung zu treffen: Wir können jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Kontrolle über unsere Online-Privatsphäre zurückzuerlangen, oder wir gehen weiter den Weg des geringsten Widerstands – und verspielen unsere Rechte für immer.
Die Kette von Ereignissen, die zu diesem Wendepunkt in der Privatsphäre geführt hat, reicht Jahrtausende zurück. Datenschutzvergehen waren auch schon vor dem Zeitalter des Internet ein Problem: Im alten Rom bauten Politiker Überwachungsnetzwerke auf, um über die Machenschaften ihrer Rivalen informiert zu sein. Im Mittelalter hatte die katholische Kirche ihren eigenen Überwachungsapparat, um die Verbreitung von Gerüchten zu unterbinden. Während der Französischen Revolution wurden eine halbe Million als verdächtig geltende französische Adelige von “Überwachungskomitees” der neuen Regierung verhaftet. Und bei der Volkszählung in den 1930er Jahren kam Lochkartentechnologie von IBM zum Einsatz – deren Daten wiederum eine entscheidende Rolle für den Völkermord der Nationalsozialisten spielten. Mit Beginn des digitalen Zeitalters in den 1990er Jahren begann der rasche Aufstieg großer Tech-Konzerne, für deren Angebote wir einen hohen Preis zahlten: unsere Privatsphäre.
Im Gegensatz zu Regierungen haben Tech-Konzerne es vollbracht, ihre Eingriffe in die Privatsphäre der Menschen als etwas Positives zu positionieren, das allen Beteiligten einen Vorteil bringt. Sie versorgen uns mit Produkten und Dienstleistungen und wir „bezahlen“ mit unseren Daten. Doch was als eine gegenseitige Beziehung zwischen Big Tech und uns Nutzern begann, hat sich schnell zu einer sehr einseitigen Angelegenheit entwickelt.
Im Laufe der Jahre haben Tech-Konzerne immer wieder ein wenig mehr von ihren Nutzern verlangt. Und wir haben sie ihnen überlassen, ohne allzu viele Gedanken daran zu verschwenden. Wir lesen keine Datenschutzrichtlinien, vergessen die Datenschutz-Tools, die auf dem Markt verfügbar sind, und unser Passwort ist für all unsere Anwendungen gleich: der Mädchenname der Mutter. Das Ergebnis: Viel zu viele unserer persönlichen Daten befinden sich außerhalb unserer Kontrolle und in den Händen derer, die sie verkaufen oder nutzen, um ihren eigenen Profit zu steigern.
Zwar es gibt Lichtblicke, etwa die europäische DSGVO, die vor fast drei Jahren in Kraft trat. Sie schränkt ein, wie und welche Informationen Unternehmen über ihre Nutzer sammeln dürfen. Letztes Jahr wurde der Freedom Act erneut vom US-Senat autorisiert, der die unbefugte Sammlung von Such- und Browser-Verläufen verbietet. Viele der großen Tech-Konzerne mussten daraufhin hohe Geldstrafen zahlen und sich vor der US-Regierung für ihr Fehlverhalten verantworten. Eine grundlegende Verhaltensänderung ist allerdings nicht in Sicht, denn unsere Daten sind unbezahlbar.
Wir als Verbraucher müssen die Dinge also selbst in die Hand nehmen. Wir wissen, was mit unseren Daten passiert, wir kennen die Konsequenzen und wir haben die Mittel zur Verfügung, die Kontrolle über das, was uns rechtmäßig gehört, zurückzuerlangen. In diesem kritischen Jahr müssen wir uns für einen Weg entscheiden: Der eine ist bequem, aber auch verheerend. Der zweite ist geringfügig schwieriger, aber er führt zu mehr Unabhängigkeit und persönlicher Freiheit.
*Robert E.G. Beens, CEO und Mitgründer von Startpage
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