Mit Kopf und Bauch entscheiden

Menschen entscheiden und handeln nicht rational, sondern basierend auf ihren Emotionen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis wird heute schon unter anderem genutzt, um das Kaufverhalten von Kunden zu beeinflussen. [...]

Menschen entscheiden und agieren nicht rational, sondern basierend auf ihren Emotionen. Manchmal täuscht uns das Bauchgefühl jedoch. (c) pixabay

Irrationales Verhalten ist weiter verbreitet als von uns angenommen, denn: Einen Großteil unserer täglichen Entscheidungen treffen wir reflexartig unter Rückgriff auf unsere Erfahrungen. Zu ihnen haben wir emotionale Bilder gespeichert, und diese nutzt unser Gehirn in aller Stille und mit hoher Schnelligkeit zum Entscheiden.

Dass wir so funktionieren, verdanken wir der Evolution. Unsere Urahnen mussten, um zu überleben, schnell entscheiden und (re-)agieren. Deshalb hat die Evolution unser Gehirn auf Geschwindigkeit getrimmt, und wird unser Handeln im Alltag in hohem Maße von Gefühlen und Impulsen geleitet.

Bauchentscheidungen erleichtern vieles im Leben

Das damit verbundene schnelle und oft unbewusste Entscheiden ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Ohne dieses könnten wir unseren Alltag nicht meistern. Wir wären stundenlang mit solchen Fragen wie „Putze ich mir jetzt die Zähne?“ und „Was ziehe ich an?“ beschäftigt.

Dasselbe gilt für das Wirtschaftsleben. Auch dort sind die berühmten Bauchentscheidungen oft nicht die schlechtesten, denn: Sie gehen auf Erfahrungen zurück, die ihrerseits wiederum zum Beispiel zu einem Gespür für den Markt führten. Manchmal täuscht uns das Bauchgefühl jedoch. So sind wir oft noch felsenfest überzeugt, recht zu haben, wenn objektive Beobachter längst die kognitiven Verzerrungen erkannt haben, denen wir aufgrund unserer Emotionen unterliegen.

Doch auch wenn wir scheinbar logisch denken, bedienen wir uns oft sogenannter Heuristiken, also gedanklicher Vereinfachungen, um mit komplexen Fragestellungen zu Recht zu kommen. Entsprechend wichtig ist es zum Beispiel bei der Strategieentwicklung, nicht in die Falle zu tappen, schwierige Fragen durch einfache, emotional zugängliche zu ersetzen.

8 Tipps für bessere strategische Entscheidungen

Doch wie kann man sich vor einem solchen, die Komplexität negierenden Denken schützen? Nachfolgend acht Tipps für eine bessere strategische Entscheidungsfindung.

  1. Strategische Entscheidungen leben von guten Optionen. Zur Optionsgenerierung benötigen Sie sowohl Kreativität, als auch ein analytisches Denken. Im Team generieren Sie mehr zukunftsweisende Optionen, als wenn Sie alleine darüber nachdenken „Was gilt es zu tun, um das Ziel X erreichen“ – zumal Sie als Person oder Organisation in der Regel nicht ein Ziel, sondern mehrere haben.
  2. Diskutieren Sie die Optionen auch mit Querdenkern. Das heißt mit Personen, die aufgrund ihrer Biografie oder Funktion eine andere Sicht als Sie zum Beispiel auf die Ist-Situation, Ihre Organisation, den Markt, die technische Entwicklung haben – nicht um die Optionen zu verwerfen, sondern die dahinter steckenden Annahmen zu hinterfragen und eventuell zu einer anderen Sicht der Dinge zu gelangen.
  3. Binden Sie Externe in den Entscheidungsprozess ein. Auch das Einbinden externer Dritter, die einen branchenfremden Blick auf den Entscheidungsgegenstand haben, kann helfen, subjektive Erklärungen für komplexe Phänomene aufzudecken und vorschnelle Beurteilungen und Reaktionen zu vermeiden.
  4. Treffen Sie strategische Entscheidungen „in Ruhe“. Entscheiden Sie folgenschwere Dinge nicht, wenn Sie gestresst oder emotional aufgewühlt sind – im Hauruck-Verfahren. Schlechte Laune, Stress und Druck machen uns anfälliger für kognitive Verzerrungen.
  5. Binden Sie Experten in die Bewertung ein. Experten können und wollen oft nicht entscheiden – weil sie alle „Wenn’s“ und „Dann’s“ und „unter der Voraussetzung, dass…“ im Kopf haben. Akzeptieren Sie dies. Nutzen Sie ihre Expertise, um sich zu fragen, ob Sie eventuell ein übertriebenes Vertrauen in sich selbst, Ihre Organisation, gewisse Technologien usw. haben. Gerade in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Manager tappen oft in die „Vermessenheitsfalle“.
  6. Halten Sie nicht an schlechten Entscheidungen fest. Dies gilt auch, wenn Sie oder Ihre Organisation schon viel Zeit und Geld in deren Umsetzung investiert haben. Strategische Entscheidungen beruhen stets auf Annahmen – zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt. Oder darüber, was in einigen Jahren technisch möglich sein wird. Diese können sich als unzutreffend erweisen. Deshalb müssen strategische Entscheidungen regelmäßig überdacht und gegebenenfalls über Bord geworfen werden.
  7. Hinterfragen Sie Ihr Bauchgefühl. Fragen Sie sich zum Beispiel: Welche Motive, Hoffnungen meinerseits (ver-)leiten mich zu dieser Entscheidung? Welche Glaubensätze von mir stecken dahinter, die eventuell keine Relevanz mehr haben? Denken Sie daran: Zu viel Ego kann – für Sie und Ihr Unternehmen – sehr teuer werden; diese Erfahrung haben im zurückliegenden Jahrzehnt nicht nur viele Privatbanken gesammelt.
  8. Schaffen Sie eine objektive Basis für Ihre Entscheidung. Machen Sie die Optionen vergleichbar – zum Beispiel indem Sie anhand eines aus Ihren Zielen abgeleiteten Kriterienkatalogs auflisten,
  • was für oder gegen sie spricht,
  • auf welchen Annahmen und Voraussetzungen, deren potenzieller Erfolg basiert,
  • welche Investitionen u.a. an Zeit und Geld ihre Realisierung erfordert,
  • welche Chancen und Risiken damit verbunden sind.

So schaffen Sie eine objektive Entscheidungsbasis, selbst wenn diese weiterhin auch auf Annahmen beruht.

Deshalb können sich Ihre Entscheidungen immer noch als partiell falsch erweisen. Dies gilt in der von rascher Veränderung geprägten VUKA-Welt mehr denn je – auch weil in ihr immer wieder sogenannte „Schwarze Schwäne“, also unverhofft eintretende Ereignisse (wie die Finanzkrise, der Brexit, der Handelskrieg zwischen den USA und China) die Grundlagen der Entscheidungen obsolet machen.

Manager müssen entscheiden. Das ist ihr Job.

Das befreit Sie als Manager oder Führungskraft jedoch nicht von der Aufgabe zu entscheiden: Wer führt, muss Entscheidungen treffen. Entsprechend wichtig ist es, die damit verbundenen Risiken zu kennen und sich bewusst zu sein: Strategische Entscheidungen sind letztlich stets eine Wette auf eine ungewisse Zukunft. Deshalb müssen wir den Mut haben, sie zu hinterfragen und bei Bedarf zu korrigieren.

*Stephan Jansen ist geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Beyond the Deal Deutschland.


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