Meta Work: Das Metaverse als New-Work-Treiber

Bei Metaverse denkt man oft nur an futuristisches Entertainment. Doch hat die neue VR-/AR-Technologie auch großes Potenzial, die Arbeitswelt zu verändern. Die Anfänge sind schon zu sehen. [...]

Foto: GerdAltmann/Pixabay

Mit der Umbenennung von Facebook in Meta ist der Begriff „Metaverse“ ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in vielen Konzernen sitzt das Geld locker für enorme Investitionen. Auch auf die Arbeit der Zukunft könnten drastische Veränderungen zukommen – kommt nach New Work jetzt Meta Work?

Das Metaversum stellt ein ungeahntes Maß an sozialer Vernetzung, Mobilität und Zusammenarbeit in einer Welt des virtuellen Arbeitens in Aussicht. Es könnte die Arbeit in vielerlei Hinsicht transformieren: immersive Formen der Collaboration, digitale, KI-gestützte Mitarbeiter, schnelleres Lernen und Trainieren per Virtualisierung und Gamification und letztich eine Metaversum-Wirtschaft mit völlig neuen Unternehmen und Arbeitsaufgaben.

Webex Hologram: Für virtuelle Meetings und Trainings verspricht Cisco foto­realistische Avatare.
(Quelle: Cisco)

Das virtuelle Büro muss nicht zwingend in den Betonschluchten einer Stadt beheimatet sein. Virtuell ist alles möglich: ein Strand, ein einsames Stück Land, ferne Welten. Die Kollegen beschränken sich im Metaversum nicht unbedingt auf Avatare oder gar Hologramme realer Mitarbeiter. Denkbar sind auch digitale Kollegen, KI-gesteuerte Bots.

Das Metaverse befindet sich zwar bestenfalls in den Kinderschuhen, aber es eröffnet Unternehmen einen neuen Weg, das empfindliche Gleichgewicht in der Hy­brid- und Fernarbeit wiederherzustellen: Interaktivität und Spaß des teambasierten Arbeitens und Lernens wiederzuerlangen und gleichzeitig die Flexibilität und Bequemlichkeit des Homeoffice zu erhalten.

Versuch einer Definition

Thomas Golatta, Managing Director des Digitalisierungsspezialisten Macaw, definiert Metaverse so: „Der Begriff beschreibt die Vision eines dezentral organisierten 3D-Interaktionsraums. Dieses Konzept bietet einige grundlegende Eigenschaften einer real existierenden Gesellschaft, etwa Interaktion mit Menschen, die sich mittels ihrer Avatare bewegen, Transaktionen, eine eigene Währung und privates Eigentum. Es handelt sich nicht um eine einzelne Technologie oder einen einzelnen Anbieter, vielmehr ist es die Idee eines digitalen Zusammenkommens von Menschen.“

Zreality: Nach den Vorstellungen des pfälzischen Unternehmens könnte so eine virtuelle Messe im Metaverse aussehen.
(Quelle: Zreality)

Neben der VR- und AR-Hardware spielen Technologien wie 5G, KI, das Internet of Everything und Tools für die digitale Zusammenarbeit eine große Rolle. In den gängigen Videokonferenzen mit Kamera fehlt der räumliche Eindruck und das Gefühl, sich gemeinsam an einem Ort zu treffen.

In der Virtual Reality ist das anders: Hier können sich Menschen von jedem Punkt der Welt an einem gemeinsamen Ort versammeln. Während man in einer klassischen Videokonferenz an die Perspektive eines Einzelnen gebunden ist und die unmittelbare Interaktion fehlt, bewegt sich bei einem VR-Meeting jeder eigenständig in einem virtuellen Raum und interagiert mit virtuellen Objekten.

Mit Virtual Reality wird der Arbeitsplatz zum Konferenzraum, zum Planungsbüro oder zur Fabrikhalle. Das bietet großes Potenzial für die Kommunikation in Projekten: Die Beteiligten können sich virtuell in der Fabrik treffen oder direkt neben dem Bauteil, das gerade geplant wird.

Arbeiten mit Hologrammen und Avataren

Die Vorstellung, in einer virtuellen Realität zu arbeiten und dort mit Avataren oder Hologrammen zu kommunizieren, fasziniert und erschreckt zugleich. Mithilfe von AR-Headsets lassen sich Meeting-Funktionen mit immersiven 3D-Hologrammen kombinieren. Webex Hologram beispielsweise ermöglicht ein reales Gefühl der gemein­samen Präsenz, indem es fotorealistische Echtzeit-Hologramme der Meeting-Teilnehmer liefert.

„Das Metaverse wird lediglich ein weiterer Kommunikationsweg sein – wie ein Telefon, ein Chat-Programm oder ein virtuelles Meeting.“

Jack Klaassen Director Innovation und Technology bei Macaw

Doch die verfügbaren VR-Brillen, in die etwa Facebook Milliarden investiert hat, interessieren bislang nur die Nische der Computerspieler. Vielleicht wollen ja die meisten Menschen in Konferenzen nicht dreidimensional als Hologramm erscheinen und es genügt ihnen völlig, über einfache Kameras in die meist schlecht ausgeleuchteten Gesichter ihrer Gegenüber zu blicken.

Jack Klaassen, Director Innovation und Technology bei Macaw, erwartet nicht, dass sich das bald ändert. „Wir Menschen brauchen für die persönliche Interaktion auch Elemente wie die Körpersprache. Ein Metaverse, das diese Bedingungen erfüllt, ist nicht in Sicht. Das Metaverse wird lediglich ein weiterer Kommunikationsweg sein – genau wie ein Telefon, ein Chat-Programm oder ein virtuelles Meeting.“

Ähnlich argumentiert Thomas Golatta: „Virtuelle Räume und Avatare können dort ansetzen, wo unser heutiges ortsunabhängiges Arbeiten an seine Grenzen stößt. Das kann das Knüpfen von sozialen Netzwerken oder die Durchführung von Workshops beinhalten. Die Grundlage für eine wirklich erfolgreiche Teamarbeit besteht allerdings aus Elementen wie Empathie und Innovation, die nur bei echter zwischenmenschlicher Interaktion entstehen.“

Laut einer Gartner-Studie sind 63 Prozent der CEOs weltweit der Ansicht, dass das Metaverse wahrscheinlich keine Schlüsselrolle für ihr Unternehmen spielen wird. Microsoft-Gründer Bill Gates dagegen ist überzeugt, dass das Metaverse in die Arbeitswelt Einzug halten wird.

Er glaubt sogar, dass bereits in zwei bis drei Jahren sehr viele virtuelle Meetings in 3D statt in 2D stattfinden werden. Man nähere sich der Schwelle, an der die Technologie die Erfahrung des Zusammenseins im Büro wirklich nachahmen könne. Microsoft-CEO Satya Nadella hat verkündet, sein Konzern wolle ein Enterprise-Metaverse bauen.

Platzmangel ist im Metaversum kein Thema mehr. Virtuelle Arbeitsbereiche lassen sich leicht erweitern. Und es gibt weniger Bedarf an Hardware. Für die Arbeit im Metaversum bieten sich digitale Whiteboards an, und in den digitalen Arbeitsplätzen sind 3D-Avatare frei beweglich und können sich ohne zusätzliche Konferenz-Hardware treffen.

Es ist eine Sache, sich 3D-Modelle anzuschauen, aber eine ganz andere, Teil eines 3D-Modells zu sein. Und die Echtzeit-Übersetzung bietet Menschen ungeahnte Möglichkeiten, in Kontakt zu treten und zusammenzuarbeiten.

Meta Work

Meta Work für Führungskräfte

Facebook-Entwicklerkonferenz: So sieht der Avatar von Mark Zuckerberg aus, den er im Oktober 2021 präsentierte.
(Quelle: Facebook)

Das Metaverse stellt nicht nur die Arbeit auf den Kopf, sondern auch die Führung. Personalführung im Metaversum muss vollkommen anders sein als analoge Personalführung. Je weiter sich das Metaverse entwickelt, desto mehr kommen rechtliche und regulatorische Fragen ans Tageslicht.

Macaw-Manager Golatta folgert: „Es ergeben sich ganz neue Herausforderungen, wenn Teams globaler und der persönliche Kontakt seltener werden. Gute Führung muss neu gedacht werden. Aktuell ist das Metaverse noch mehr Vision als Realität – ganz im Gegensatz zum ortsunabhängigen Arbeiten. Führungskräfte, die es heute verstehen, zu inspirieren und das selbstständige Arbeiten an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vermitteln, legen damit den Grundstein für die Arbeitswelt von morgen.“

Jack Klaassen ergänzt: „Führungskräfte sind gut beraten, neue Arbeitsweisen zu fördern und Experimente anzuregen – sollten sich allerdings nicht von den vorherrschenden Technologietrends leiten lassen, sondern den Weg finden, der für das Unternehmen am besten geeignet erscheint.“ Die klassische Führung, die hierarchisch aufgebaut ist und auf ein hohes Maß an Kontrolle setzt, ist ein Auslaufmodell. Künftig ist laterale Führung gefragt, die ohne Weisungsbefugnis auskommt.

Meta Work für Unternehmen

Als Vorteil des Metaverse gilt auch die Chance, durch das virtuelle Erleben von Produkten den Kaufanreiz zu verstärken. Die Sportartikelhersteller Nike und Adidas experimentieren bereits mit virtuellen Ausstellungen ihrer Produkte. Vielleicht lässt sich auch der Fachkräftemangel mit der VR-Technologie lindern. „Konzepte wie das Metaverse bieten Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt eine Reihe von Vorteilen bei der schwierigen Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, findet Thomas Golatta.

Und Jack Klaasen ist überzeugt: „Das Metaverse wird vorrangig die jüngste Generation ansprechen. Für Unternehmen ist es wichtig, für diese Gruppe attraktiv zu bleiben. Das Metaverse könnte eine verbindende Kommunikations- und Collaboration-Alternative zwischen dem eindimensionalen Chat, der zweidimensionalen Teams-Welt und der mehrdimensionalen physischen Welt sein.“

Führt das Metaverse zu Meta Work?
(Quelle: Microsoft)

Viele Unternehmen setzen bereits heute VR ein. Zu den Anwendungsfeldern zählen virtuelle Showrooms, Events und Trainings. Meta Work hat das Potenzial, die Zusammenarbeit interner Teams auf einen neuen Level zu heben. Die Mitarbeitenden treffen sich nicht mehr in Videokonferenzen oder auf digitalen Boards, sondern springen als Avatare in eine virtuelle Welt und arbeiten dort zusammen.

Als Avatar können sie mit Kollegen interagieren, Präsentationen an die Wand werfen oder an einem Whiteboard zusammenarbeiten. Eine weitere Anwendung findet VR in Trainings für Mitarbeitende wie für Kunden: virtuelle Sicherheitsschulungen oder Trainings zu einzelnen Arbeitsschritten. Die Mitarbeiter können zeit- und ortsunabhängig lernen und das Training so oft wie nötig wiederholen.

Die Visionen der US-Konzerne

Unternehmen wie der Facebook-Konzern Meta investieren viele Milliarden Dollar. Die übrigen Tech-Giganten geben riesige Summen aus, um auf den Zug aufzuspringen und am Metaverse mitzuverdienen. Google hat schon früh versucht, die digitale und die analoge Welt miteinander zu verschmelzen. Mit der 2013 vorgestellten Brille Google Glass war der Konzern allerdings seiner Zeit voraus. Tendenziell verfolgt Google heute mehr die Stoßrichtung Augmented Reality. Auch Apple könnte demnächst ein Mixed-Reality-Headset auf den Markt bringen.

„Führende Analysten schreiben dem Metaverse ein größeres Marktpotenztial zu als dem heutigen Internet.“

Thomas Golatta Managing Director bei Macaw

Thomas Golatta konstatiert: „Auf einem umkämpften Markt zählt vor allem die Innovationskraft. Unternehmen müssen früh investieren und experimentieren, um nicht von der Konkurrenz verdrängt zu werden oder später bei dem Versuch, Trends aufzuholen, sehr viel höhere Kosten tragen zu müssen. Führende Analysten schreiben dem Meta­verse ein noch größeres Marktpotenzial zu als dem heutigen Internet. Wenn das kein Grund für einen Hype ist, was dann?“

Jack Klaasen stimmt zu; „Wir sollten das Metaverse als Hype ansehen. Es vereinigt eine Vielzahl an Technologien wie Augmented und Virtual Reality und treibt diese Technologien weiter voran.“

In Bereichen wie Gesundheitswesen, Architektur und Bau eröffnet sich die Chance, sich mit Ideen auseinanderzusetzen und Probleme anhand von 3D-Modellen visuell zu lösen. Im Metaversum lässt sich alles dreidimensional modellieren.

Das erlaubt präzisere Entwürfe und Entscheidungen mit weniger Zeitaufwand und zu geringeren Kosten. Dafür sind VR-Brillen und Motion-Capture-Handschuhe notwendig – Hardware, die Unternehmen wie Microsoft und Meta in Zukunft verstärkt auf den Markt bringen werden.


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