Studien des Project Management Institute (PMI) zufolge, dem weltweit größten Verband für Projektfachleute, werden bis im Jahr 2030 rund 25 Millionen neue Projektfachleute benötigt. [...]
Zunehmend rückt deshalb eine Gruppe potenzieller Beschäftigter in den Fokus, die im Projektmanagement bislang noch stark unterrepräsentiert ist: Frauen. Das bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Frauen verfügen über starke Power Skills, zwischenmenschliche und kommunikative Fähigkeiten, die auch in der IT zunehmend gefragt sind.
Welche Hard Skills, also welche funktionalen Kenntnisse und Fähigkeiten, Mitarbeitende benötigen, damit Unternehmen erfolgreich sind, ist je nach Branche gemeinhin bekannt. Wer IT-Projekte erfolgreich steuern möchte, sollte beispielsweise wissen, wie man Anforderungs-, Incident-, Problem- und Change-Management betreibt, wie man mit agilen Scrum- und Kanban-Boards arbeitet, wie man konkrete Fehler behebt oder Teams, Zuständigkeiten und Deadlines in Echtzeit organisiert.
Der Frage dagegen, welche Power Skills – häufig auch als Soft Skills oder zwischenmenschliche Kompetenzen beschrieben – darüber entscheiden, ob ein Projekt erfolgreich ins Ziel geführt wird oder nicht, geht die jährliche Studie Pulse of the Profession des Project Management Institute (PMI) nach. Die Ergebnisse zeigen eindeutige Kausalitäten über alle Branchen hinweg.
So sagen neun von zehn Befragten, dass es ganz bestimmte Fähigkeiten sind, die ihnen dabei helfen, effizienter im Team zu arbeiten und den Erfolg von Projekten unter zunehmend veränderlichen Rahmenbedingungen sinnvoll neu zu definieren: die vier Power Skills kooperative Führung, Kommunikation, Problemlösung und strategisches Denken.
Das bestätigt auch die Studie Narrowing the Talent Gap, den das PMI in Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers (PwC) erstellt hat. Power Skills belegen darin den ersten Rang auf der Liste der wichtigsten Kompetenzen.
Lösungen entwickeln mit Power Skills
Während ihr Fachwissen Projektfachleuten erlaubt, den Weg vom Beginn eines Projekts bis zu seinem Abschluss zu planen, helfen ihnen ihre Power Skills dabei, das ganze Team auf ihre Reise mitzunehmen und eine gemeinsame Vision umzusetzen. Für Fachleute im Projektmanagement sind sie deshalb unerlässlich.
Power Skills sind der Schlüssel, um Teams erfolgreich zu führen, diverse Interessengruppen einzubinden und Herausforderungen im Projektplan zu bewältigen. Basieren sie auf einem soliden fachlichen Fundament, helfen sie dabei, Projekte an den Zielen der Organisation auszurichten, ihre Teams zu Kooperation, Problemlösung und ergebnisorientiertem Arbeiten zu motivieren – und so nachhaltige Wertschöpfung zu schaffen, sowohl für den Kunden als auch die eigene Organisation.
Die Ergebnisse des aktuellen Pulse of the Profession zeigen, dass Organisationen, die den Power Skills ihrer Mitarbeitenden hohen Stellenwert beimessen, wesentlich besser im Abschluss von Projekten sind und darin die Geschäftsziele zu erfüllen, auch wenn niemals vollkommen auszuschließen ist, dass Projekte trotzdem scheitern.
Den Studienergebnissen zufolge gehen Organisationen, die Power Skills besonders wertschätzen, auch wesentlich effizienter mit ihren Ressourcen um. Im Durchschnitt bleiben lediglich 4,8 Prozent ihres Budgets ohne messbare Wirkung, während derselbe Wert in Organisationen, wo Power Skills als weniger wichtig erachtet werden, mit 8,8 Prozent annähernd doppelt so hoch ausfällt. Der weltweite Durchschnitt verschwendeter Investitionen aufgrund verfehlter Projektziele liegt bei 5,2 Prozent.
Power Skills in der IT
Diesen Zusammenhang können sich auch Teams in der IT zunutze machen und nachhaltig davon profitieren. So sind an IT-Projekten häufig mehrere Teammitglieder mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund und entsprechendem technischen Fachwissen beteiligt.
Wie gut Teams über die Disziplinen hinweg kommunizieren und wie lösungsorientiert sie zusammenarbeiten, ist entscheidend für den Erfolg ihrer Projekte. Um starke Beziehungen aufzubauen und Konflikte innerhalb eines Teams effektiv zu moderieren und zu bewältigen, hilft es wiederum, wenn Projektfachleute sich realistisch selbst einschätzen, sich in ihr Gegenüber einfühlen und aktiv zuhören können.
Stark ausgeprägte Power Skills wie Kommunikation, Teamarbeit und Konfliktlösung helfen Projektfachleute dabei die Zusammenarbeit zu erleichtern, eine gemeinsame Vision zu entwickeln und Teammitglieder zu motivieren sich proaktiv einzubringen.
In der sich rasend schnell verändernden Technologielandschaft von heute erfordern IT-Projekte zudem ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Auch hier sind Power Skills gefragt, zum Beispiel, um komplexe Problemstellungen kreativ zu lösen/ meistern und das Projektteam dabei zu unterstützen sich effizient und effektiv an veränderliche Rahmenbedingungen anzupassen.
Das ungenutzte Potenzial der Frauen
Auch wenn der Unterschied klein ist, kommt der Pulse of the Profession Bericht/ Report zum Schluss, dass Frauen in Sachen Power Skills leicht die Nase vorn haben. (siehe Tabelle 6).
Das führt dazu, wie aus der aktuellen PMI-Studie The State of Women in Project Management hervorgeht, dass Frauen – trotz ihres geringeren Anteils im Projektmanagement insgesamt – relativ häufiger als Männer dazu tendieren agile und hybride Ansätze zu nutzen. Auch arbeiten sie mit größerer Wahrscheinlichkeit für Organisationen, die sich diese Ansätze ebenfalls zu Eigen machen. Männer hingegen gaben bei der Befragung an, häufiger auf klassische Ansätze zu setzen und entsprechend eher für Organisationen zu arbeiten, die diese ebenfalls nutzen (siehe Tabelle 4).
Tatsache ist, dass Erfahrungen mit agilen und hybriden Arbeitsweisen für das Management komplexer Projekte, zum Beispiel im Rahmen der digitalen Transformation, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Denn viele Organisationen sehen Agilität als entscheidenden Faktor für erfolgreiches Wachstum an.
Die PMI-Studie kommt außerdem zum Schluss, dass Frauen ebenfalls eher in Organisationen arbeiten, die fortschrittliche Technologien für das Projektmanagement einsetzen (siehe Tabelle 5) als Männer.
Das kommt insbesondere Organisationen zugute, die sich von digitalen Lösungen verbesserte Ergebnisse und Effizienzsteigerungen versprechen oder Unternehmen, die von Haus aus technologieaffin sind wie IT-Dienstleister.
Zu wenige Frauen im Projektmanagement
Insgesamt sind Frauen – wie unter anderem in den Global Megatrends 2022 des PMI dargelegt – in der Arbeitswelt immer noch deutlich unterrepräsentiert. Trotz globaler Initiativen, die sich für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzen sowie zahlreichen Programmen zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (DE&I) am Arbeitsplatz.
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liegt die weltweite Erwerbsquote der Frauen bei knapp 47 Prozent, während die der Männer bei 72 Prozent liegt.
Den aktuellen Zahlen zufolge existiert auch in der Projektmanagementbranche eine deutliche Kluft zwischen den Geschlechtern. Die Zahl der männlichen Projektfachleute übersteigt die der weiblichen im Verhältnis von drei zu eins.
Das Geschlechtergefälle im Projektmanagement besteht weltweit und über alle Branchen hinweg, wobei einige weitaus stärker betroffen sind als andere (siehe Tabelle 2).
In vielen Bereichen sind mehr als die Hälfte aller Projektfachleute männlich, insbesondere in technischen Bereichen wie Baugewerbe, Transport und Logistik, Energie, Luft- und Raumfahrt, Fertigung, Automobilindustrie, Informationstechnologie, Telekommunikation und Beratung.
Positiv zu vermerken ist, dass die Datenlage trotz aller Unterschiede – insbesondere beim Verdienst und auch bei der Zertifizierung – zeigen, dass es auf der Führungsebene weit weniger Ungleichheit gibt. Zwanzig Prozent der Frauen geben an, dass sie eine Führungsrolle innehaben, verglichen mit 23 Prozent der Männer.
Dass die Zahl der ausgebildeten weiblichen Projektfachleute insbesondere in stark technischen Branchen insgesamt wesentlich geringer ist als die der Männer, lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass Frauen im Projektmanagement vor allem dann Karriere machen, wenn Unternehmen Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen oder Teams diverser aufstellen möchten und mangels Frauen im Projektmanagement Kandidatinnen aus verwandten Bereichen einstellen.
Um Frauen einen professionelleren Einstieg ins Projektmanagement zu ermöglichen, ihre Karrierechancen zu verbessern und selbst nachhaltig davon zu profitieren, sollten Unternehmen Frauen deshalb in allen Phase ihrer beruflichen Laufbahn bestmöglich unterstützen.
Zum Beispiel, um die eigene Sichtbarkeit zu steigern, das eigene Netzwerk zu erweitern oder wichtige Branchenzertifikate zu erlangen.
Dass Frauen tendenziell eher dazu neigen in Organisationen zu arbeiten, die fortschrittliche Technologien für das Projektmanagement einsetzen, zeigt, dass es nicht am Thema alleine liegen kann, dass sie im Projektmanagement so stark unterrepräsentiert sind.
*Sandra Deichsel ist Strategy Lead für Deutschland beim Project Management Institute (PMI). Durch ihre langjährige Erfahrung als Projekt- und Programmmanagerin sowie Dozentin in diversen inner- und außereuropäischen Ländern weiß Sandra Deichsel, wie wichtig das projektbasierte Arbeiten im Team für Unternehmen und Organisationen ist.
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