SAP-Anwender halten der Business Suite die Treue

Über 60 Prozent der IT-Budgets fließen in die digitale Transformation, hat die aktuelle Investitionsumfrage der DSAG ergeben. Im Fokus stehen dabei allerdings hauptsächlich die bestehenden Prozesse und Lösungen. So wollen die meisten SAP-Anwender vorerst auch an der Business Suite festhalten und von einem Umstieg auf die neue S/4HANA-Generation nichts wissen. [...]

„Es herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung im deutschsprachigen Raum“, will die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) aus ihrer jüngsten Investitionsumfrage herauslesen können. Zwischen November 2016 und Januar 2017 hat die Anwendervertretung knapp 270 IT-Verantwortliche und Entscheider gefragt, wie sich deren IT-Investitionen im laufenden Jahr entwickeln werden. Das Ergebnis: Im Schnitt steigen die IT-Budgets bei den DSAG-Mitgliedern um knapp fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das bedeutet ein Plus von drei Prozentpunkten gegenüber der Wachstumsrate aus dem Vorjahr. In Österreich soll sich das Wachstum der IT-Investitionen mit acht Prozent sogar verdoppeln. Nur die Schweizer Unternehmen wollen offenbar sparen: minus zwei Prozent, nachdem 2016 noch ein Plus von zwei Prozent beim Wachstum der IT-Budgets zu Buche stand.
Über 60 Prozent der IT-Budgets fließen in die digitale Transformation, lautet ein zentrales Ergebnis der DSAG-Umfrage. Dabei gelte es allerdings zu differenzieren – in bestehende Prozesse oder neue Geschäftsmodelle. Der DSAG-Umfrage zufolge schätzen mehr als die Hälfte der Befragten Investitionen in bestehende Prozesse als wichtig beziehungsweise sehr wichtig ein. „Gutes durch die Digitalisierung noch besser, noch ausgereifter machen, lautet die Devise bei gut der Hälfte der befragten DSAG-Mitglieder“, interpretiert der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck dieses Ergebnis. „Sie investieren in bestehende Geschäftsprozesse und digitalisieren diese.“ Gut vier von zehn DSAG-Mitgliedern messen diesen Investitionen eine mittlere Bedeutung zu.
Neue Geschäftsmodelle weniger gefragt
Ein anderes Bild ergibt sich hinsichtlich neuer Geschäftsmodelle. Ein gutes Drittel (36 Prozent) der Befragten bezeichnet Investitionen in diesen Bereich als wichtig oder sehr wichtig. Für ein weiteres knappes Drittel ist dieser Aspekt weniger wichtig beziehungsweise unwichtig. Der Druck, neue Geschäftsmodelle zu implementieren, unterscheidet sich jedoch von Branche zu Branche. Während im Segment Handel und Dienstleistungen 17 Prozent der Unternehmen Investitionen in neue Geschäftsmodelle als sehr wichtig erachten; ist es in der Produktion gerade einmal jeder Zehnte. „Das ist ein signifikanter Unterschied“, so die Einschätzung Lencks. „Handel und Dienstleistungen stehen unter Druck. Sie spüren das geänderte Nutzerverhalten der Verbraucher als erstes.“
Treiber der Digitalisierung sind in erster Linie die IT-Abteilungen, berichtet der DSAG-Vorstandsvorsitzende. In vier von zehn Unternehmen hat demnach die IT das Heft der digitalen Transformation fest in der Hand. In 50 Prozent der Firmen sind die damit verbundenen Aufgaben zwischen IT und Business aufgeteilt. Und gerade einmal in jedem zehnten Unternehmen haben die Fachabteilungen den Digitalisierungshut auf.
Digitalisierungs-Roadmap – Fehlanzeige
Auffällig sei indes, dass es in den meisten Unternehmen keinen Fahrplan und keine Roadmap für die Digitalisierung gebe, berichtet Lenck. Projekte der digitalen Transformation würden in bestimmten Nischen vorangetrieben, einen flächendeckenden Plan dafür gebe es vielfach nicht. Dieses Vorgehen mit Leuchtturmprojekten Vorhaben schnell voranzutreiben und auch „Trial and Error“-Methoden zu verfolgen, sei sicher auch ein guter Weg, „Digitalisierung auszuprobieren“, sagt Lenck, verweist aber im gleichen Atemzug auf drohende Probleme hinsichtlich der Integration. Alles in allem entspreche dieser Ansatz nicht dem sonst üblich typisch deutschen Vorgehen, erst einmal alles gründlich von Anfang bis Ende durchzudenken.
Insgesamt bleiben SAP-Produkte ein wichtiger Pfeiler in den IT-Strategien der Unternehmen. Um fast sechs Prozent sollen die Investitionen in Produkte der badischen Softwerker in diesem Jahr wachsen. Dabei stehen aber vor allem altbewährte Lösungen wie die Business Suite im Fokus. Über die Hälfte der befragten DSAG-Mitglieder erachten Investitionen in diese Produktlinie als wichtig. Immerhin die Hälfte der SAP-Anwender plant, in die neue Anwendungsgeneration S4/HANA zu investieren, 16 Prozent sogar massiv. Im Umkehrschluss bedeuten diese Zahlen jedoch, dass die andere Hälfte der SAP-Kunden derzeit noch keine Ambitionen verfolgt, auf die neue Business-Software umzusteigen. S/4HANA werde sich auch bis 2020 nicht zu einem Mainstream-Produkt für die SAP-Klientel entwickeln, lautet das Fazit von Lenck.
Umstieg auf S/4HANA und Cloud-Lösungen verläuft zögerlich
Konkret setzen der DSAG-Umfrage zufolge zwei Prozent der Mitgliedsunternehmen S/4HANA ein. In den kommenden drei Jahren soll rund ein Drittel der SAP-Anwender auf die neue Generation umsteigen, so die Prognose der Anwendervertreter. Ein weiteres Drittel der Unternehmen werde jedoch auch längerfristig an der klassischen Business Suite festhalten. „Der Umstieg wird zur Gretchenfrage in den Unternehmen“, beschreibt Lenck die Situation. Ein Drittel der befragten DSAG-Mitglieder habe noch keine Entscheidung bezüglich des Umstiegs getroffen und sei unentschlossen. „Hieraus ergibt sich ein klarer Auftrag für die DSAG und SAP, für die Weiterentwicklung bestehender Systeme und mehr Aufklärung zu sorgen.“
Auch in Sachen Cloud bleiben die SAP-Anwender den Umfrageergebnissen zufolge zurückhaltend. Hauptinvestitionen würden in diesem Bereich kaum getätigt, hieß es seitens der DSAG. Mittlere und kleinere Investitionen würden vor allem in flankierende, ergänzende Lösungen wie SuccessFactors, Hybris, Ariba, Concur sowie in die Hana Cloud Plattform (HCP) fließen. Letztere diene vor allem dazu, um unternehmensübergreifende Prozesse zu modellieren sowie Kunden und Geschäftspartner besser einzubinden.
Anwender hinterfragten Investitionen in die Cloud sehr genau hinsichtlich Integrationsaufwand und Mehrwert, schildert der DSAG-Vorstand die aktuelle Herangehensweise der Unternehmen an die Cloud. Dazu komme, dass die SAP-Cloud hinsichtlich der Lizenzierung längst nicht so flexibel ist, wie die Anwender sich das wünschen würden. Von einem schnellen Dazu- und Abschalten von Ressourcen könne keine Rede sein, sagt Lenck, und fordert mehr Flexibilität von seinem Cloud-Softwarelieferanten.
*Der Autor Martin Bayer ist Redakteur der COMPUTERWOCHE.

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