Sechs Best Practices für eine überzeugende Customer Experience im B2B-Onlinehandel

Im B2B-E-Commerce geht es nur um den Preis? Keineswegs. Über alle Branchen hinweg wird die Einkaufserfahrung für Geschäftskunden zunehmend zu einem wesentlichen Auswahlkriterium in der Beschaffung. [...]

Nach einer Studie des Customer-Intelligence-Beratungsunternehmen Walker wird das Einkaufserlebnis bis zum Jahr 2020 das entscheidende Differenzierungsmerkmal von Unternehmen im B2B-E-Commerce sein – noch vor den Preisen oder dem Produktangebot selbst. Auch eine aktuelle Untersuchung von Gartner zeigt: für 80 Prozent der B2B-Kunden hat ein positives Einkaufserlebnis erheblichen Einfluss darauf, für welchen Anbieter sich Unternehmen entscheiden.
Diese Ergebnisse bieten interessante Perspektiven insbesondere für Unternehmen, die in wettbewerbsintensiven oder engen Nischenmärkten agieren. Für sie bedeutet dies einen Weg aus dem Preiskampf mit herausragenden Service-Funktionen im B2B-E-Commerce, die wirkungsvoll zur Kundenbindung beitragen und den entscheidenden Unterschied ausmachen bei der Auswahl von Zulieferern und Geschäftspartnern.
Eine optimale Customer Experience birgt aber noch weitere Vorteile, wie McKinsey anhand einer Analyse von Projekten zur Optimierung der Kundenerfahrung in Unternehmen zeigt: Demnach führt die konsequente Orientierung an Kundenbedürfnissen nicht nur zu höheren Zufriedenheitswerten, sondern auch zu Umsatzsteigerungen von zehn bis 15 Prozent sowie zu einer Reduzierung der Servicekosten von zehn bis 20 Prozent bei gleichzeitig steigender Mitarbeiterzufriedenheit. Daraus wird deutlich: Wenn B2B-Unternehmen nachhaltig im Wettbewerb bestehen wollen, müssen sie das Thema Customer Experience im Online-Geschäft als zentralen Bestandteil ihrer Vertriebs-Strategie begreifen.
Jedoch: Die Anforderungen an einen Webshop für Geschäftskunden sind komplex. Es genügt nicht, sich allein auf schönes Design und intuitive Benutzerführung mit Informationen und Auswahlmöglichkeiten zu Produkten, Lieferzeiten und Einkaufskonditionen zu konzentrieren – obgleich dies die Voraussetzung für die Akzeptanz von B2B-E-Commerce ist. Gefordert ist, B2B-E-Commerce als integralen Teil der Vertriebsstrategie und der oft langwierigen Kauf- und Entscheidungsprozesse zu verstehen und umzusetzen. Das heißt, sämtliche Interaktionen mit Kunden müssen über alle Vertriebskanäle integriert sein – also online, offline im Kundengespräch sowie auch mobil – und konsistent und in Echtzeit in den zugrundeliegenden IT-Systemen abgebildet werden.
Ein zukunftsorientiertes B2B-E-Commerce-System ist daher keine Standalone-Lösung, sondern integraler Teil des bestehenden ERP-Systems (Enterprise Resource Planning), das alle Informationen zu Produkten, Projekten, Lieferbedingungen, Kunden, Rahmenvereinbarungen, Servicefällen, Finanzwesen und Kaufhistorien vorhält. Auf Basis einer solch integrierten E-Commerce-ERP-Umgebung ist auch ein hoher Automatisierungsgrad für eine personalisierte Kundenkommunikation über alle Kanäle wirtschaftlich realisierbar.
Aus der Erfahrung mit aktuellen E-Commerce-Projekten im B2B-Umfeld hat Sana Commerce daher neben den Standardanforderungen folgende Best Practices identifiziert: 
1. Einbindung der Fachbereiche schafft die nötige Informationstiefe
Das Thema Customer Experience darf im B2B-E-Commerce keinesfalls nur aus Marketing- bzw. Vertriebssicht betrachtet werden. Wichtig ist, von Anfang an auch Fachbereiche einzubinden, um beispielsweise technisch komplexe Informationsanforderungen von vornherein zu berücksichtigen um beispielsweise Produktspezifikationen oder Einsatzbereiche online in der nötigen Detailtiefe und Qualität darzustellen. Die Kompetenz der Fachabteilungen ist auch erforderlich, um im Webshop die Logiken für automatisierte, sinnvolle Cross- und Upselling-Angebote zu gewährleisten oder anhand aktueller Bestellungen oder der Kaufhistorie passende Ersatzteile, ergänzende Produkte oder Serviceangebote anzubieten.
2. Webshops müssen vielschichte Kundenprofile abbilden
Unternehmenskunden fordern in unterschiedlichen Rollen und Berechtigungen Zugang zum B2B-Webshop sowie Mehrmandantenfähigkeit und EDI-gestützte Kommunikationsprozesse. Hinzu kommt, dass übergeordnete Rahmen- und Rabattverträge oder auch besondere Lieferbedingungen bei Usern gemäß ihrer einzelnen Rollen und Berechtigungen berücksichtigt werden müssen. Diese Kundenprofile und Zusammenhänge, die im ERP vorliegen, muss auch der Webshop zuverlässig abbilden. Eine direkte Integration von E-Commerce-Systemen mit dem ERP gewährleistet, dass die Informationsbereitstellung und -verarbeitung konsistent über eine zentrale Quelle erfolgt und bei allen Einkäufen – ganz gleich über welchen Kanal – Rabatte, Kontingente, individuelle Vereinbarungen und Kreditrahmen angewandt werden. 
3. Unterstützung bei komplexen Entscheidungsprozessen differenziert im Wettbewerb
Häufig ist die Produkt- und Angebotsauswahl für Geschäftskunden komplex, erfordert Entscheidungen unterschiedlicher Abteilungen und geht über einen längeren Zeitraum. Dieser Prozess sollte im Webshop unterstützt werden, etwa indem B2B-Kunden den aktuellen, aber noch nicht abgeschlossenen Stand ihrer Produktauswahl speichern können für weitere interne Abstimmungsprozesse. Dies zu ermöglichen und zudem online mit Informationen zu begleiten, die die Entscheidungsfindung der beteiligten Verantwortungsbereiche beim Kunden erleichtern – etwa Fachabteilungen, Finanzwesen, Logistik, Qualitätsmanagement – ist ein wesentlicher Bestandteil hochwertiger Customer Experience im B2B-Umfeld und differenziert Anbieter von Wettbewerbern.
4. Intelligente Personalisierung braucht Analysen des Online- und Offline-Kaufverhaltens
Intelligente Personalisierung und damit eine hochwertige Customer Experience im B2B-E-Commerce heißt, dass Anbieter im E-Commerce neben den Rollen und Berechtigungen der User auch den strategischen Kundenwert und die Kaufhistorie berücksichtigen sollten. Dies setzt voraus, dass Unternehmen das Einkaufsverhalten ihrer Kunden online und offline möglichst genau analysieren und dieses Wissen fortlaufend anpassen. Es geht um das tiefe Verständnis dazu, welche Produkte ihre Kunden wann kaufen, welche Informationen für eine reibungslose Bestellabwicklung nötig sind und welche funktionellen oder inhaltlichen Hürden zu Kaufabbrüchen führen. Zudem gilt es herauszufinden, wo die Chancen liegen, im E-Commerce den Umsatz pro Kunde zu erhöhen, bzw. welche Marktentwicklungen und damit entsprechende Marketingmaßnahmen – online und offline – Umsatz und Kundenbindung fördern. 
Dafür müssen Daten aus dem Online-User-Verhalten mit den Kunden- und Absatzinformationen aus dem ERP- oder CRM-System korreliert und ausgewertet werden. Anhand dessen wird es möglich, B2B-E-Commerce kontinuierlich zu optimieren und als Vertriebskanal auszubauen.
Die Relevanz der Datenerhebung und -auswertung für das Einkaufserlebnis im B2B-E-Commerce unterstreicht auch eine aktuelle Studie von Adobe: Demnach betrachten über die Hälfte der befragten Unternehmen die Möglichkeiten der Datenanalyse als wichtigsten Erfolgsfaktor für die Umsetzung einer überzeugenden Customer Experience im B2B-E-Commerce und planen in diesem Bereich höhere Investitionen.
5. Perfektioniertes Reklamations- und Retouren-Management bringt Vorteile für beide Seiten
Reklamationen, Retouren, Ersatzteile, Support und Notfall-Service – diese Anforderungen sind für Geschäftskunden kritisch. Die Art, Qualität und Zuverlässigkeit, wie diese Fälle über den Webshop abgebildet, gelöst und dokumentiert werden, ist entscheidend bei der Anbieterauswahl. Fehler werden hier im B2B-E-Commerce nicht verziehen, umgekehrt ist hier Verlässlichkeit eines der wichtigsten Kundenbindungsinstrumente. Daher gilt es, für Geschäftskunden online schnelle und transparente Lösungswege zu bieten, die die nötige Sicherheit für Zusagen und Hilfestellungen garantieren. Zumal ein durchdachtes Online-Reklamations- und Retouren-Management mit hoher Automatisierung auch für Anbieter erhebliche Kosteneinsparungen bedeuten kann.
6. Mobile-friendly Webshops unterstützen Kunden und den Vertrieb auf Anbieterseite
Mehr und mehr erfolgen auch im B2B-Umfeld Informationssuche, Kaufentscheidungen und Bestellungen über mobile Endgeräte. Auf der anderen Seite profitiert der Vertrieb vor Ort beim Kunden davon, jederzeit über jedes Gerät aktuelle Produkt- und Kundeninformationen zur Hand zu haben. Hier gilt allerdings, die Webshop-Funktionen und die teils sehr umfangreichen, komplexen Inhalte auf die Möglichkeiten mobiler Bildschirme anzupassen und wenn nötig auch einzuschränken. Mobilität darf nicht zulasten der Qualität in der Benutzerfreundlichkeit gehen, sonst wird der Service zum Ärgernis.
Fazit
Diese sechs Best Practices zeigen, dass erfolgreiche Customer Experience im B2B-Umfeld keine Frage großer Budgets ist. Vielmehr geht es darum, das Wissen zu den eigenen Kunden durchdacht mit einem E-Commerce-System umzusetzen, das integraler Teil des ERP-Systems ist – also alle bestehenden Informationen und Business-Logiken zu Kundenprozessen im Unternehmen zu nutzen, aus den Analysen des Kundenverhaltens zu lernen und so kontinuierlich Verbesserungen zu erreichen. Gerade mittelständische Unternehmen können hier punkten – sie kennen ihre Zielgruppen und Märkte zumeist sehr genau und wissen, wie sie mit Qualität in Detailfragen Kunden begeistern können. Diese Kompetenz gilt es, auch im E-Commerce zu leben.
*Michiel Schipperus ist CEO von Sana Commerce.

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