Manipulierte Phantomzahlen in Excel können über Jahre hinweg ein florierendes Unternehmen vorgaukeln, das in Wahrheit kurz vor der Insolvenz steht. [...]
Das Gros der Unternehmen setzt auf Schlüsselkennzahlen, im Fachjargon Key Performance Indicators oder kurz KPIs genannt, als betriebswirtschatliches Steuerungsinstrument. Die Zahlen geben neutral und unbestechlich die Leistungsfähigkeit der einzelnen Abteilungen und letztlich des gesamten Betriebes wieder – so lautet die Theorie hinter dem Managementstil „Führung anhand von KPIs“.
Doch in Wirklichkeit sind die KPIs in vielen Firmen mehr oder minder manipuliert, hat Jane Enny van Lambalgen, CEO der Beratungs- und Managementfirma Planet Industrial Excellence, bei zahlreichen Beratungsprojekten festgestellt. Sie wird häufig als sogenannte Interim Managerin, also Führungskraft auf Zeit, in Krisenzeiten in Unternehmen gerufen, um zu retten, was noch zu retten ist. Dabei hat sie festgestellt: „In vielen Fällen vermitteln die betrieblichen Schlüsselkennzahlen ein positives Bild der Firma, obwohl das Unternehmen in Wahrheit kurz vor der Insolvenz steht.“
Detektivarbeit zum Auffinden der Manipulationen
Wie es zu dieser Diskrepanz kommt, erfordert oftmals beinahe Detektivarbeit, weiß Jane Enny van Lambalgen aus der Betriebspraxis. In den meisten Fällen führt die Spur zu KPI-Tabellen in der in vielen Betrieben allgegenwärtigen Tabellenkalkulationssoftware Excel von Microsoft.
Die erfahrene Interim Managerin sagt: „In der Praxis schönen viele Beschäftigte die Excel-Zahlen, damit sie oder ihre Betriebseinheit besser dastehen. Wenn sie dann feststellen, dass dies gar nicht auffällt, bleiben sie dabei und manipulieren sich ihre eigene Leistung oder gar die ganzer Abteilungen immer besser zurecht. Manager, die ein Unternehmen primär anhand von Key Performance Indicators führen, merken oftmals über Jahre hinweg gar nicht, was los ist. Sie verstehen einfach nicht, warum sich die tatsächlich unbestechlichen Zahlen wie Umsatz und Gewinn negativ entwickeln, obwohl doch vermeintlich alles im Betrieb in Ordnung ist.“
Nach Einschätzung der Expertin kreieren „Zehntausende von Beschäftigten in Excel Phantomzahlen, auf die Hunderte, wenn nicht Tausende von Managern hereinfallen“. Im Ergebnis entstünden auf diese Weise „Betriebsmärchen, die mit der Realität kaum noch etwas zu tun haben, bis die Firma schlussendlich zum Sanierungsfall wird“.
Empfehlung: Nur auf Maschinen- und Computerzahlen setzen
Ihre Empfehlung: Das Management sollte ausschließlich auf Key Performance Indicators setzen, die direkt von Maschinen oder Computersystemen während des betrieblichen Einsatzes erzeugt werden. „Die Maschinen- und Computerzahlen sind in der Regel korrekt“, hat Jane Enny van Lambalgen festgestellt. Das gelte allerdings nur, wenn die Datenklassifizierungen wie beispielsweise die Fertigungszeiten im ERP-System korrekt sind, schränkt sie ein, und bedauert: „Genau das ist leider häufig nicht der Fall.“ Sie fügt hinzu: „Sobald ich beim Einsatz als Führungskraft auf Zeit auf Excel-Tabellen mit KPIs stoße, gehe ich auf jeden Fall von manipulierten Zahlen aus.“
Sie wundert sich: „Es hat sich in weiten Teilen des Managements über beinahe alle Firmengrößen und Branchen hinweg eine KPI-Gläubigkeit herausgebildet, die manchmal an Naivität grenzt. Dabei sollte doch jedem die Anfälligkeit eines KPI-Berichtswesens klar sein, wenn Boni und Karrierechancen eng an spezifische KPIs geknüpft sind.“
Wenn Kennzahlen wichtiger als Strategien werden
Jane Enny van Lambalgen gibt zu bedenken, dass eine primär KPI-zentrierte Führung selbst ohne Manipulationen reichlich Schwachstellen aufweist. Als mögliche Gefahren nennt sie die übermäßige Fokussierung auf kurzfristige Ziele, die Vernachlässigung nicht oder schwer messbarer Aspekte wie Mitarbeitermotivation, die Unterdrückung von Innovation und Kreativität im Betrieb, die Förderung eines ungesunden KPI-Konkurrenzkampfs zwischen einzelnen Abteilungen und letztendlich den Verlust der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens, „wenn Kennzahlen wichtiger als Strategien werden“.
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