Warum entscheiden sich Kunden für Produkte oder Dienstleistungen? Wie kaufen und nutzen sie Angebote? Wer die Customer Journey versteht und erfolgreich in die eigenen Unternehmensabläufe einbindet, hat einen Wettbewerbsvorteil. [...]
Ob sich Kunden wohlfühlen oder nicht, ob sie sich gut oder schlecht behandelt fühlen – das können Unternehmen gestalten. Wir geben acht Tipps für ein besseres Kundenerlebnis.
1. Kundenorientierung ist mehr als ein Schlagwort
Fast jedes Unternehmen schätzt sich heute als kundenorientiert ein. Allerdings gib es selten ein konzernweit einheitliches Verständnis von Kundenorientierung, geschweige denn eine gemeinsame Definition. Selbst der Begriff „Kunde“ ist in den Organisationen häufig unterschiedlich belegt. So ist für einen Marketingleiter Kundenorientierung gleichgesetzt mit Lead-Management. Setzt sich ein Vertriebsmitarbeiter mit dem Kundenbegriff auseinander, denkt er in „Opportunities“ und Provisionen. Der Servicemitarbeiter hat eher Service Level Agreements (SLAs) vor Augen.
Um den Kunden wirklich zu verstehen, braucht es einen Perspektivwechsel. Und der sollte in jedem Unternehmensbereich stattfinden. Dabei dürfen Bereichsinteressen keine Rolle spielen. Dafür interessiert sich der Kunde ebenso wenig wie für die Abläufe, Systeme oder Organisationsstrukturen des Produkt- oder Servicelieferanten.
Die Kundenperspektive ist die Sicht von außen auf das Unternehmen, sein Produkt oder seine Serviceleistung. Genauso wie ein Kunde die Marke als Ganzes wahrnehmen soll, müssen auch die einzelnen Leistungsbestandteile als konsistente Experience wahrgenommen werden. Um hier voran zu kommen, eignen sich agile Methoden oder New-Ways-of-Working-Ansätze. Sie müssen immer durchgängig aus Sicht des Kunden heraus entwickelt werden.
2. Jedes Unternehmen kann von Customer Journeys profitieren
Customer Journeys funktionieren unabhängig von Branchen oder Firmengrößen sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. Welche Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden, spielt keine Rolle, solange die Kunden am Ende eine positive Erfahrung machen.
Wichtig ist aber, die unterschiedlichen Entscheidungswege zu verstehen: Während Endkunden entweder alleine oder mit nahestehenden Personen zur Kaufentscheidung gelangen, sind im B2B-Segment oftmals viele Mitarbeiter beteiligt. Wer seine Maßnahmen plant und seine Touchpoints definiert, sollte das im Auge behalten. Gerade im Bereich B2B kann der persönliche Kontakt der entscheidende Faktor für einen erfolgreichen Deal sein. Hier lässt sich gezielt ansetzen, indem die bisherige Kommunikation analysiert und optimiert wird.
3. Kunden kaufen nie nur aufgrund eines Nutzens
Ist ein Produkt zweckmäßig, preiswert oder sicher, ist das noch lange kein Garant dafür, dass es sich auch verkauft. Nur weil es die Erwartungen erfüllt und erledigt, wozu es angeschafft wurde, muss es nicht wieder gekauft und in Anspruch genommen werden. Der Kunde wird dem Unternehmen deswegen auch nicht zwangsläufig treu bleiben.
Die Chancen erhöhen sich aber, wenn Erwartungen übertroffen und soziale sowie emotionale Aspekte wie Prestige, Freude und Gefühl angesprochen wurden – im Produkt selbst, aber auch in der Interaktion des Herstellers. Deshalb ist es so wichtig, sich damit zu beschäftigen, was ein Kunde bewusst oder unbewusst wahrnimmt und wie er sich dabei fühlt.
4. Customer Journeys beruhen auf echten Kundendaten
Unbedingt zu vermeiden sind theoretische Diskussionen über die Bedürfnisse, Ziele und Verhaltensweisen des Kunden. Sie helfen nicht zu verstehen, weshalb ein Kunde eine Geschäftsbeziehung abbricht und mit der Konkurrenz liebäugelt. Stattdessen kommt es auf echte Kundendaten an, die aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und ausgewertet werden müssen.
Diese Daten finden sich leider meist wenig sortiert in den unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel in CRM– oder Ticketing- Systemen, in Reports oder in einer Flut von Freitexten. Wer für diese Aufgabe einen Customer-Data-Analysten im Team hat, ist klar im Vorteil.
Zusätzlich können Kunden natürlich auch direkt befragt werden, wenngleich diese Methode in Zeiten von KI nur noch als Übergangstechnik bezeichnet werden kann. Trotzdem: Kunden sollten die Möglichkeit bekommen, ihre Anliegen auch ungestützt kundzutun. Richtig erfasst und strukturiert ausgewertet, sind diese Erkenntnisse Gold wert: Sie machen die Customer Journey authentisch, lassen Schlüsse auf die Güte der dahinterliegenden Prozesse zu und können ein Umdenken in Sachen Kundenorientierung bewirken.
5. Prozessmanagement als Beschleuniger einsetzen
Unabhängig von Branche oder Geschäftsmodell gilt: Die Prozesse eines Unternehmens werden von vielfältigen Einflüssen geprägt. Daher hilft es jedem Unternehmen, das sich mit Customer Journeys befasst, sich auch mit seiner Prozesslandkarte und den dazugehörigen Verantwortlichkeiten zu beschäftigen.
Wenn die ideale Customer Journey erstellt wird, müssen auch die eigenen Strukturen und Abläufe klar definiert und darauf ausgerichtet werden. Dann fällt es leicht Kreativität, Emotionen oder Bedürfnisse zu operationalisieren sowie schnell und übergreifend auf sich verändernde Kundenbedürfnisse zu reagieren. Deshalb beschleunigt zugrundegelegtes Prozessmanagement ein Unternehmen, weil es durch seinen bereichsübergreifenden Ansatz dem Silodenken keine Chance lässt.
6. Die Interaktion mit Kunden konkret gestalten
Der Kundenkontakt findet in der Regel vor einer Kaufentscheidung statt. Schon hier lassen sich Weichen stellen, damit der Kunde Kunde bleibt. Während Entscheidungsprozesse bei Menschen immer gleich ablaufen, verändern sich die Touchpoints, die ein Kunde nutzt, rasant. Durch die Digitalisierung kommen täglich neue Kundenkontaktpunkte dazu, alte werden unwichtig oder entfallen.
Ein Smartphone vereint mittlerweile unzählige Kontaktmöglichkeiten und ist so zum „Touchpoint Consolidator“ geworden. Die Aufgabe eines Unternehmens besteht darin, die Kunden entlang der Customer Journey zu begleiten, um mit ihnen Kontakt zu halten. Dabei ist stets relevant: Welche Informationen sind hierzu erforderlich und wie werden diese bereitgestellt? Ist der Bedarf einmal ermittelt, lassen sich die Touchpoints ganz simpel darum herum orchestrieren.
7. Alle Prozesse müssen sich am Kunden ausrichten
Jeder Schritt einer Customer Journey ist der für den Kunden sichtbare Teil eines Unternehmensprozesses. Deshalb müssen sich Unternehmen selbstkritisch hinterfragen und den Mut aufbringen, ihre Prozesslandkarte neu zu gestalten. Kernprozesse sind auf ihre Kundenausrichtung hin zu überprüfen, um sogenannte Magic Moments zu identifizieren.
Jeder dieser magischen Momente führt zu einem dahinterliegenden Prozess mit Optimierungspotenzial. Sollten sich die Bedürfnisse des Kunden in einem Schritt der Journey ändern, wird schnell klar, wo auch der betreffende Prozessschritt oder Touchpoint angepasst werden muss.
8. Fokussierung: Ressourcen gezielt einsetzen
Aller Anfang ist schwer, daher gilt es bei der Erstellung einer Customer Journey nicht zu viel auf einmal zu wollen. Für den Beginn empfiehlt es sich, den Fokus auf einen relevanten Geschäftsvorfall zu lenken und die Magic Moments zu analysieren. Besonders geeignet sind alle Bereiche, in denen sich die Wechselwirkung von Kundenbedürfnis und Leistungserbringung beeinflussen lassen. Denn nur mit einer exzellenten Customer Experience lässt sich das volle Marktpotential eines Unternehmens ausschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gewährleisten.
*Fabian Schwarz ist Management-Berater bei der BPM&O GmbH in Köln.
Be the first to comment