Wie digital sind Österreichs Unternehmen?

"Der Österreicher blickt voller Zuversicht in die Vergangenheit." Dieses fälschlicherweise Karl Kraus zugeschriebene Zitat hat wieder Hochsaison. Und zwar im Bestreben, der digitalen Transformation zum Durchbruch zu verhelfen. Höflich formuliert: Es geht schleppend voran. [...]

Nach dem gewaltigen Digitalisierungsschub während der Pandemie geht es mit der Begeisterung für moderne Zeiten wieder bergab. (c) Midjourney – Wolfgang Franz
Nach dem gewaltigen Digitalisierungsschub während der Pandemie geht es mit der Begeisterung für moderne Zeiten wieder bergab. (c) Midjourney – Wolfgang Franz

Nach dem gewaltigen Digitalisierungsschub während der Pandemie geht es mit der Begeisterung für moderne Zeiten wieder bergab. So ist die Bedeutung digitaler Technologien für das Geschäftsmodell heimischer Unternehmen gegenüber dem Vorjahr selbst für gelernte Österreicherinnen und Österreicher in überraschendem Maße zurückgegangen: Schalppe 67 Prozent der Betriebe weisen ihnen eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung zu – vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 80 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen, für die digitale Konzepte kaum eine oder gar keine Rolle spielen, seit 2022 sprunghaft von 20 auf 33 Prozent angestiegen – der höchste Wert seit 2018. Dies sind die zentralen Aussagen der EY-Studie Digitaler Wandel in österreichischen Unternehmen, für die über 600 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern in Österreich befragt wurden.

Aus Sicht der Branchen ist der Bereich Immobilien und Baugewerbe der größte Digitalisierungsmuffel, gefolgt von Handel und Konsumgüter, Tourismus, Industrie sowie Transport, Verkehr, Energie. Am anderen Ende der Skala, im wandelaffinen Sektor, finden sich Finanz- und andere Dienstleister sowie Gesundheit/Life Science.

Im Bundesländer-Ranking punkten Unternehmen mit Sitz in Wien: 41 Prozent der befragten Betriebe in der Bundeshauptstadt geben an, dass die Digitalisierung bereits jetzt eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell spielt, für weitere 39 Prozent eine mittelgroße. Dahinter folgen Firmen in Niederösterreich und Vorarlberg. Für Betriebe in Kärnten haben digitale Technologien die geringste Bedeutung, sie reihen sich damit ganz am Ende des Rankings ein.

Auffällig ist auch, dass derzeit große und kleine Player der österreichischen Wirtschaft sehr unterschiedliche Wege verfolgen, was den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Geschäft anbelangt: Entsprechende Technologien sind für Geschäftsmodelle von Unternehmen mit Jahresumsätzen jenseits der 30-Millionen-Grenze deutlich wichtiger geworden als für Unternehmen mit weniger als zehn Millionen Euro.

Der Anteil der Unternehmen, die digitalen Technologien eine sehr große Bedeutung zuweisen, fällt bei größeren Unternehmen mit 48 Prozent auch mehr als doppelt so hoch aus als bei Unternehmen mit geringeren Jahresumsätzen unter zehn Millionen Euro: Es besteht hier ein Unterschied von 30 Prozentpunkten.

Laut Studie kam es zu einer Trendwende, denn bei der Vorjahreshebung lag der Anteil der Unternehmen, der digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung beimisst, bei größeren Unternehmen mit 82 Prozent nicht viel höher als bei Unternehmen mit Jahresumsätzen unter zwei Millionen Euro. „Für Unternehmen, die neue Technologien einführen, ist der Beschäftigtenmangel oft ein Innovationshemmnis. Auch fehlende finanzielle Ressourcen sind oftmals eine Begründung, warum Betriebe ihre Digitalisierungsvorhaben nicht umsetzen können“, sagt Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich.

Ein Drittel plant keine digitalen Investitionen

„In den letzten Jahren ist die Bedeutung digitaler Technologien für heimische Unternehmen konstant gewachsen“, führt Reimoser weiter aus. „Insbesondere war in den Vorjahren aufgrund der Corona-Pandemie ein starker Digitalisierungsdrang bei heimischen Unternehmen zu beobachten, der nun vor allem bei kleineren Unternehmen spürbar zurückgeht. Dennoch ist es auch für kleine Betriebe essentiell, konstant am Ball zu bleiben und neue Entwicklungen im Technologiebereich in die Geschäftsmodelle zu integrieren, denn die digitale Transformation macht keinen Halt und es gilt, den Anschluss an den Mitbewerb nicht zu verlieren.“

„Möchte man weiterhin mit der Transformation durch Digitalisierung Schritt halten, sind Investitionen in Cloud Computing und die damit verbundenen Technologien unverzichtbar“, ergänzt Christoph Mayer, Partner Cloud Transformation und verantwortlich für die EY Microsoft Service Group bei EY Österreich bei der Präsentation der Studie. Rund jedes vierte österreichische Unternehmen will in den kommenden zwei Jahren in Cloud Computing beziehungsweise in Data Analytics investieren – im Vorjahr war der Anteil Investitionswilliger deutlich geringer. Rund ein Viertel möchte im Bereich Automatisierung aufstocken, jeder siebte Betrieb plant, künstliche Intelligenz einzusetzen. Dabei liegt der Fokus auf dem Aufbau digitaler Kundenbeziehungen, dem Einsatz von mobilen Endgeräten und analytischen Werkzeugen, um die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen beziehnungsweise die Angebote zu personalisieren. Der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden Jahren nicht in weitere digitale Technologien investieren will, ist gegenüber dem Vorjahr deutlich von 49 auf 38 Prozent gesunken.

Jedoch verorten immer mehr Unternehmen Hindernisse, die sie von einer Investition in die Digitalisierung des eigenen Geschäfts abhalten. Ein Drittel gibt an, Schwierigkeiten zu haben, im Vorjahr waren es noch 19 Prozent. Bei gewünschten, aber nicht durchführbaren Investitionen machen vor allem der Fachkräftemangel und begrenzte finanzielle Ressourcen einen Strich durch die Rechnung: Rund jedes achte Unternehmen nennt fehlendes Personal als Investitionshemmnis Nummer Eins, rund jedes 14. befragte Unternehmen begrenzte finanzielle Ressourcen. Fehlendes Knowhow wird nur von sechs Prozent der Betriebe genannt. „Mehr als acht von zehn Unternehmen haben Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden – das hat auch Auswirkungen auf geplante Digitalisierungsprojekte, die durch fehlendes Personal nur langsam oder gar nicht vorankommen“, führt Mayer aus.

Hermann Erlach, General Manager bei Microsoft Österreich, über die Ergebnisse der Studie: „Die kleinen und mittleren Unternehmen sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Und angesichts dessen sind die Ergebnisse der Studie alarmierend. Denn der fortschreitende Fach- und Arbeitskräftemangel, der durch die Entwicklung der Demografie nun gestärkt wird, lässt sich nur durch den Einsatz intelligenter Cloud-Lösungen sinnvoll begegnen. Angesichts des fehlenden IT-Personals im KMU-Bereich spielen unsere über 4.000 Partner und Partnerinnen in Österreich dabei eine entscheidende Rolle. Sie sind in der Lage, die an die Bedürfnisse der Unternehmen und Branchen angepassten Lösungen auch in der Fläche anzubieten und diese produktiv in die jeweilige Organisation einzubringen. Es ist allerhöchste Zeit zu handeln, da das auch ein entscheidender Faktor in der eigenen Wettbewerbsfähigkeit ist.“

Susanne Zach, Partnerin und Leiterin Data & Analytics bei EY Österreich, ergänzt: „Der Wirtschaftsstandort Österreich weist eine hohe Innovationskraft auf. Um sich weiterhin dynamisch entwickeln zu können, sind auch Innovationen im Bereich Digitalisierung und hier vor allem in Data & Analytics gefragt. Gerade für KMU bietet die Digitalisierung großes Potenzial, das es vollends auszuschöpfen gilt, um auf digitale Augenhöhe mit den großen Unternehmen zu kommen.“

Schlechte Noten für den Standort

Nur jedes zweite Unternehmen in Österreich sieht die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung bezogen auf den eigenen Standort als positiv, so die weiteren Ergebisse der EY-Studie. Das sind deutlich weniger als vor einem Jahr, als der Anteil bei 63 Prozent lag. 2021 bewerteten diese sogar 72 Prozent positiv, 16 Prozent als ausgezeichnet. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung als eher oder sehr schlecht bezeichnen, auf einen neuen Höchstwert von neun Prozent gestiegen.

Betrachtet man die Bundesländer im einzelnen, sind Unternehmen in Wien am zufriedensten mit den Standortbedingungen für Digitalisierung, gefolgt vom Burgenland. Am unzufriedensten sind Unternehmen in Tirol und Kärnten mit den Rahmenbedingungen für die Digitalisierung, und zwar was vor allem Abläufe, Produktion und Geschäftsmodell betrifft.

Wirft man einen Blick auf die Branchen, zeigt sich der Bereich Gesundheit/Life Science am zufriedensten mit den Standortbedingungen, gefolgt von Transport und Industrie. Bei der Immobilienwirtschaft, aber auch beim Sektor Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur ist die positive Einstellung am geringsten ausgeprägt.

Vor allem die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur – also der Zugang zu hohen Bandbreiten und Handyempfang – wird von 63 Prozent positiv gesehen. Die meisten guten Bewertungen stammen aus Vorarlberg, gefolgt von Niederösterreich und Wien. Tirol und das Burgenland belegen den letzten Platz im Zufriedenheits-Ranking in diesem Bereich.

Mit den Kooperationspartnern vor Ort sind 62 Prozent zufrieden, mit den gebotenen Fördermöglichkeiten 51 Prozent. Hier liegt Niederösterreich auf Platz Eins – der Zugang zu Fördermöglichkeiten wird von mehr als zwei Dritteln positiv bewertet, das Burgenland bildet erneut das Schlusslicht.
„Eine stabile und leistungsstarke Digital-Infrastruktur ist für Unternehmen im Wettbewerb zentral, genau so wichtig sind aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, gerade wenn man an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und den damit verbunden AI Act betrachtet. Wir laufen hier Gefahr, gerade für kleinere Unternehmen zu große Hürden aufzubauen und damit den Wirtschaftsstandort Österreich zu schwächen“, so Mayer abschließend.

Dieser Artikel erschien in der ITWelt.at-Sonderpublikation transform! 01/2023.


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