Zwei Jahre Online-Meetings: Warum „Mit-Bild“-Auftritte so wichtig sind

Videokonferenzen sollten nicht als Black-Box-Veranstaltungen stattfinden, heißt also, nicht ohne Bild der einzelnen Teilnehmer. Warum sich Chefs in diesem Fall durchsetzen sollten, zeigt dieser Text. [...]

Eine der Erfahrungen aus zwei Jahren Online-Konferenzen lautet, dass Führungskräfte darauf bestehen sollten, dass Mitarbeiter ihre Kamera einschalten (c) pixabay.com

Stellen Sie sich vor, Sie halten ein Meeting in einem dunklen Raum ab, der keinerlei Reaktionen der Teilnehmenden offenbart. Das kann nicht funktionieren. Wir sind evolutionär darauf ausgelegt, in Interaktion mit dem Gegenüber zu treten – dazu müssen wir uns mindestens hören UND sehen. Wir alle kennen es, wenn das nicht der Fall ist: Wir sind weniger konzentriert, schneller müde und bei eigenen Beiträgen weniger emotional.

Die Gründe, das Bild trotzdem nicht freizuschalten, sind vielfältig, zum Beispiel:

  • meine Reaktionen gehen niemanden etwas an;
  • weil ich nebenbei noch andere Dinge tun will;
  • weil ich gar nicht zuhause bin, oder:
  • Trägheit: die Meeting-Leitung soll sagen, was zu tun ist.

Meist stehen aber Argumente im Vordergrund, wie „nicht genug Power in der Leitung …“ oder „Datenschutz im Homeoffice„. Bei fairer Betrachtung haben diese Argumente aber keinen nachvollziehbaren Bestand.

Die Sachebene reicht nicht

Arbeitszeit ist Arbeitszeit – egal ob vor Ort im Büro oder online. Gerade wenn die Arbeit auf Distanz funktionieren soll, brauchen wir eine maximal mögliche sichtbare Präsenz der Beteiligten. Dies ist auch aus dem Homeoffice möglich und sollte selbstverständlich sein.

Um führen zu können, braucht es den Dialog. Online ist das schon schwierig genug. Wenn jedoch auch Informationen über die Mimik und Körperhaltung fehlen, fehlen die grundsätzlichen nonverbalen Informationen, die Menschen brauchen, um im Schulterschluss arbeiten zu können. Das Gespräch allein auf Sachebene genügt bei weitem nicht. Menschen sehnen sich danach, Teil der Wertschöpfungskette zu sein. Ebenso sehnen sich Menschen nach Zugehörigkeit – auch zum Team, zur Firma. Diese Bedürfnisse zu erleben, braucht Nähe.

Nach zwei Jahren distanziertem Leben und Arbeiten zeigen sich zwei grundlegende Reaktionen: Einerseits hat die Leistungsfähigkeit zugenommen, andererseits ist die psychische Belastung deutlich gestiegen – was sich an den ausgelasteten Psychologen und langen Wartezeiten der psychiatrischen Kliniken zeigt.

Eigenbrötler bleibt Eigenbrötler

Was die Leistungsfähigkeit angeht, berichten viele Mitarbeiter, dass sie konzentrierter arbeiten können. Die „Störungen“ haben durch geordnete online-Termine drastisch abgenommen, die Fahrtzeiten entfallen und Arbeit und Privatleben können durch eigenes Zeitmanagement in Balance gehalten werden.

Es gibt aber auch negative Entwicklungen. Wer vorher schon „eigenbrötlerisch“ war, kultiviert diese Eigenschaft nochmal mehr. Es wird auf noch mehr Distanz wert gelegt. „Eigene“ Gesetze der Kommunikation werden bestimmt. Führungskräfte und Unternehmen haben dies zugelassen – die Kultur hat sich gefestigt.

Wer vorher kommunikativ und dialogfreudig war, dem fehlt es an Austausch und Reflexion – also an kommunikativen Impulsen. Zusammenarbeit und Teamspirit leben jedoch von diesem Austausch. Der Kern unserer sozialen Intelligenz / Kompetenz liegt in der Fähigkeit aus den Erfahrungen anderer zu lernen und dadurch neue Ideen, Handlungsweisen zu erwerben.

Es fehlt die Körpersprache

Was uns die Natur als Überlebenskompetenz – Selbstbestimmung und Zugehörigkeit – mitgegeben hat, wurde durch die Biologie, Neurologie und Kommunikation gründlichst untersucht. Warum sollte also dieses Wissen im digitalen Zeitalter nicht mehr genutzt werden? Die menschliche Entwicklung hinkt stark hinter der rasend schnellen Entwicklung der Digitalisierung her.

Deshalb wäre es gut, dieses Wissen gezielt einzusetzen, heißt einerseits die Fortschritte der Digitalisierung zu nutzen, aber auch gleichzeitig Mensch zu bleiben. Denn: Um Sachverhalte verstehen zu können, braucht es die Einbettung in das Umfeld: zum Beispiel, wer steht wie zum Thema? Und schließlich: Wir Menschen sind auf die Reaktionen des Gegenübers angewiesen. Die Reaktionen durch die Augen, Kopfbewegungen etc. sagen deutlich mehr aus als Sprache (gesprochen oder geschrieben) auf der Sachebene.

*Elsbeth Trautwein ist Trainerin und Coach sowie Geschäftsführerin der Trautwein Training GmbH.


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