IT-Profis scheitern in der Praxis häufig nicht aufgrund fachlicher Schwächen, sondern mangelnder Führungskompetenz. Personalberater raten deshalb dazu, bei der Besetzung von Schlüsselpositionen evidenzbasierte Methoden anzuwenden. Potenziale von Führungskräften lassen sich durch die Kombination aus Kompetenzprüfung und narrativem Interview zuverlässiger vorhersagen als mit traditionellen Verfahren. [...]
Hochkomplexe und innovative Aufgaben lösen, die Verantwortung für Mitarbeiter tragen und Unternehmen erfolgreich durch Change-Prozesse begleiten, erfordert Führungskraft mit hohem Potenzial. Fehlbesetzungen auf solchen IT-Positionen verursachen hohe Kosten. Zum Beispiel durch die notwendige Neubesetzung der Stelle, gescheiterte IT-Projekte sowie den Leistungsverlust frustrierter Mitarbeiter.
- Welche Leistungen soll der Kandidat bringen?
- Wie werden relevante Persönlichkeitsmerkmale, Kompetenzen und Potenziale ermittelt?
- Welche Methoden liefern bei der Auswahl valide Ergebnisse?
Gerade im IT-Bereich herrscht für fast alle Positionen ein chronischer Fachkräftemangel. Entsprechend knapp ist auch der Pool geeigneter Kandidaten mit Fach- und Führungserfahrung beziehungsweise mit solchem Potenzial. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter in der IT – anders als in anderen Bereichen – bisher selten die Option hatten, sich zwischen Fach- und Führungskarriere zu entscheiden. Stattdessen erhalten hoch qualifizierte IT-Profis nicht nur die fachliche Verantwortung für Detailaufgaben und Teilprojekte, sondern häufig auch für die Projektleitung und damit auch für die Führung von Mitarbeitern. Sie müssen immer größere Teams managen, unabhängig davon, ob sie dafür die Kompetenz mitbringen.
Bei der Besetzung von Führungspositionen ist es gefährlich, bisherige Erfolge und Leistungen eines Kandidaten von ihm ohne Weiteres auch in Zukunft zu erwarten. Selbst auf der gleichen Führungsebene sind in hoch innovativen Feldern wie der IT die Aufgaben sehr differenziert und die Teams zunehmend interdisziplinär zusammengesetzt.
Von den fünf Merkmalsdimensionen der Big Five können nur die Dimensionen Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität valide mit der zukünftigen beruflichen Leistung in Verbindung gebracht werden. Auch der Faktor Intelligenz beeinflusst nach aktuellen Studien den beruflichen Erfolg weit weniger als häufig vermutet: Bereits die Kombination von Selbst- und Fremdeinschätzung kann die Vorhersagegüte von kognitiver Intelligenz übersteigen. Intelligenz korreliert zwar signifikant mit der Motivation für die berufliche Leistung und ist somit eine wichtige Voraussetzung für den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit der Kandidaten. Mehrere Langzeitstudien haben jedoch nachgewiesen, dass Faktoren wie Beharrlichkeit und Ausdauer eine deutlich zuverlässigere Prognose über den zukünftigen beruflichen Erfolg ermöglichen.
Die evidenzbasierte Personaldiagnostik nutzt relevante und valide Erkenntnisse der Persönlichkeitspsychologie, Neurowissenschaft, Epigenetik, Soziologie und anderen Forschungsrichtungen für die Personalauswahl. In zahlreichen Studien konnte valide ermittelt werden, dass die wesentlichen Indikatoren für den beruflichen Erfolg im Bereich der bisher oft vernachlässigten nichtkognitiven Fähigkeiten liegen. Anhand von Indikatoren wie der Selbstkontrolle mit den Aspekten Gewissenhaftigkeit, Ausdauer und Selbstdisziplin, Willensstärke sowie Motivation und Resilienz lässt sich ein Berufserfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren.
Diese Eigenschaften werden weniger in der universitären Ausbildung und dem Berufsleben der Kandidaten geprägt, sondern durch positive psychosoziale Einflüsse in den ersten Lebensjahren, im späteren Kindesalter sowie in der Jugend geformt. Durch die klassischen Test- und Auswahlverfahren werden diese Faktoren bisher kaum oder gar nicht berücksichtigt. Zudem sind Lebenslaufanalysen und allgemeine Interviews auch methodisch nicht geeignet, intrinsischen Motiven auf die Spur zu kommen.
Die evidenzbasierte Personaldiagnostik erweitert die notwendige fachliche Kompetenzprüfung daher um die Technik des narrativen Interviews, das einen individuellen Erzählfluss zum Ziel hat und biografische Einblicke in die Kindheit und Jugend sowie in die unbewussten Handlungsantriebe der Kandidaten erlaubt. Diese Technik erfordert Zeit, Erfahrung und die Fähigkeit, eine offene Gesprächsatmosphäre herzustellen. Eine Investition, die sich lohnt, denn die Erfolgsquote bei der Führungskräfteauswahl lässt sich nach Studien und der Erfahrung der Autoren aus der Besetzung vieler Führungspositionen auf über 85 Prozent erheblich steigern. Das macht die Beschäftigung mit diesem wissenschaftlich fundierten Ansatz und den Einsatz von evidenzbasierten Methoden zu einer sinnvollen Investition.
Eine falsche Personalentscheidung ist nicht nur teuer, sie lässt sich im Nachhinein auch kaum mehr korrigieren. 80 Prozent des Erfolgs einer Führungskraft werden Studien zufolge durch die Auswahl und nur 20 Prozent von späteren Förder- und Entwicklungsmaßnahmen beeinflusst. Angesichts der Bedeutung der IT für den Unternehmenserfolg lohnt es sich gerade für diesen Bereich, die ausgetretenen Pfade der Personalauswahl zu verlassen und sich den aktuellen Stand der Forschung zunutze zu machen. Das ist der Erfolg der evidenzbasierten Personaldiagnostik: Sie setzt zur Vorhersage der Leistungen einer Führungskraft auf die Ermittlung der Persönlichkeit und der notwendigen Kompetenzen, vor allem aber auf evidente Indikatoren und wissenschaftlich geprüfte Zusammenhänge, um den passenden Kandidaten für die jeweilige Position zu ermitteln.
* Jörg Knaack ist wissenschaftlicher Berater und Mitglied des Aufsichtsrates der Personalberatung GET AHEAD AG. Florian Crefeld ist Berater in der Branche Informationstechnologie bei der GET AHEAD AG.
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