Nicht nur Supermärkte, Handel und Banken – auch IT-Hersteller und Softwarehäuser denken über eine neue Art der Kundenorientierung nach. Microsoft zählt zu den IT-Herstellern, die sich in den letzten Jahren stark gewandelt haben. [...]
Christian Maranitsch ist seit 2018 bei Microsoft für die damals neugeschaffene „Customer Success Unit“ verantwortlich, Boryana Manolova arbeitet bei ihm im Team. Die Computerwelt hat mit beiden gesprochen.
Wie war denn Ihr persönlicher Zugang zum Thema Customer Experience Management?
Maranitsch: Wir haben 2017 eine relativ große Reorganisation gehabt, die auch von externen Consultants begleitet wurde, die sich auch das gesamte Umfeld angesehen haben, mit der Perspektive: Wie sieht ein Softwarekonzern in der Zukunft aus? Heute entwickeln sich die Businessmodelle sehr stark von einer linearen Wertschöpfungskette zu einem Plattformmodell, wo es um Ecosysteme geht. Die Top-Performer weltweit bei den Unternehmen sind jene, die in Plattform-Ökonomie und Ecosystemen agieren, und ihr Geschäftsmodell darauf aufgebaut haben. Da spielt natürlich die Digitalisierung eine große Rolle, ist aber nur eine Teilkomponente. Auch wir bei Microsoft haben uns genau in diese Richtung entwickelt – wir sind heute eine Plattform-Company. Wenn wir über das Thema Compute sprechen, dann haben wir Azure als Plattform.
Was zeichnet eine Plattform aus? Braucht es tatsächlich heute Plattformen?
Maranitsch: Der Vorteil ist, dass man viele Dinge nicht selbst machen muss. So stellen wir bei Azure einerseits die Compute-Leistung zur Verfügung. Daneben stehen auf dem Azure Marketplace ganz viele Lösungen zur Verfügung. Bei der Microsoft-Reorganisation wurde gefragt: Wie können wir die Kunden optimal betreuen und Ihnen das Beste bieten? Die Lösung war, den Bereich Customer Success einzuführen, der sich darauf fokussieren sollte, den Kunden jeweils die beste Kombination aus diesem Plattform-Ecosystem für die jeweilige Situation im Business-Umfeld zu bieten. Es geht heute nicht mehr darum, den Kunden Lizenzen zu verkaufen, sondern sie besser zu betreuen und zu beraten, um genau dann Services anzubieten, wenn die Unternehmen sie wirklich brauchen. Wir fokussieren uns also darauf zu schauen, was hat der Kunde im Einsatz und welches Businessmodell verfolgt er – und wie können wir die Unternehmen dabei unterstützen, dass sie ihre vorhandenen Lösungen und Services besser nutzen. Dabei geht es um Microsoft Lösungen, aber auch um Lösungen anderer Anbieter. Das Spannende ist, dass auch Unternehmen dann selbst Lösungen entwickeln und in die Plattform einbringen.
Wie ist die Customer Success Unit bei Microsoft aufgebaut?
Maranitsch: Wir haben 2018 Jahren in Österreich zu zweit im Team angefangen, das ging auch Hand in Hand mit der massiven Umstellung auf das Consumption Business Modell. Begonnen haben wir im Azure-Bereich und haben uns selbst die Frage gestellt: Was braucht ein Kunde, um dieses Azure Ecosystem für sich optimal zu implementieren? Hier haben wir eine neue Rolle, den sogenannten Cloud Solution Architekt, entwickelt. Das ist ein eher technischer Spezialist, der den Kunden in seiner „journey to the cloud“ ganz gezielt unterstützt. Als zweite Rolle kam im darauf folgenden Jahr der Customer Success Manager für den Bereich Modern Workplace dazu, der sich auf Adoption und Change Management fokussiert. Viele Kunden haben Office 365 und Teams zwar im Einsatz, könnten aber damit viel mehr Nutzen herausholen. Wir wollen einfach die User gewinnen, damit sie ihre Vorteile sehen. Hier braucht es auch gar keine IT-Leute, sondern Menschen, die aus dem Dienstleistungssektor kommen, etwa aus der Touristik-Branche. Es wird bei mir im Team heute kein Mitarbeiter nach Umsatz gemessen, sondern daran, was der Kunde wirklich nutzt. Die dritte Rolle war dann der Customer Success Manager für die BizApps, der zeigen soll, dass mit den Apps viel mehr möglich ist, als viele Unternehmen nutzen. Unsere Ansprechpartner sind oft HR-Abteilungen – da geht es darum, die Mitarbeiter zu motivieren und ihnen zu zeigen, dass mit den neuen Lösungen leichter gearbeitet werden kann. Als vierte neue Rolle haben wir Ende 2020 den Customer Success Account Manager implementiert. Heute wird das Customer Success Account Management Team in Österreich von Boryana Manolova geleitet. Weltweit gibt es im Customer Success Bereich bei Microsoft übrigens inzwischen einige Tausend Mitarbeiter.
Manolova: Die Customer Success Unit mit den neuen Job-Rollen – das ist ein Bereich, der sich derzeit sehr dynamisch entwickelt. Vor fünf Jahren hat das noch gar nicht existiert. Aber mit dem Einsatz der Cloud hat sich hier ein großer Bedarf ergeben. Wir haben gesehen, dass es wichtig ist, sich dauerhaft um die Customer Experience zu kümmern. Microsoft ist hier für mich auch einer der Vorreiter der Branche. Und vor etwa einem Jahr wurde ein Teil des Support Teams in das Customer Success Account Team umgewandelt, das sich um die End-to-End Betreuung der Businesskunden kümmert.
Maranitsch: Es geht hier darum, nicht reaktiv sondern proaktiv auf die Kunden zuzugehen, damit sie die Plattform optimal nutzen.
Das bedeutet, es ist ein Riesen Change im Denken passiert – weg vom reinen Support und hin zum Customer Experience Mindset. Wie sehen Sie das selbst?
Manolova: Genau. Wir gehen jetzt wirklich proaktiv mit unseren Vorschlägen auf die Unternehmen und auch auf das Management zu, um schon bei der Unternehmensstrategie mit ansetzen zu können. Wir sind ständig im Gespräch, um flexibel zu sein und gemeinsam zu planen. Unser Anspruch ist es, die Businessprozesse der Kunden, und welche für sie kritisch sind, genau zu verstehen. Es ging in den letzten zwanzig Monaten auch darum, den plötzlichen Wechsel in unsere virtuelle Welt, wo einfach alles online ist, entsprechend zu unterstützen und zu skalieren. Wir sind jeden Tag proaktiv mit den Kunden im Kontakt – das ist die große Änderung.
Da hat sich durch die Corona-Krise sicher einiges verändert?
Manolova: Es war und ist eine wirklich sehr intensive Zeit. Nur ein paar Beispiele: Wir haben etwa alle Schulen in Wien, alle Lehrer und Schüler, auf einen Schlag auf die „digitale Schule“ und Online-Zusammenarbeit umgestellt. Daneben gab es viele Betriebe, auch Industrie, die bis dato sehr traditionell bzw. old-school unterwegs war und auf uns zukamen. Es gab unglaublich viele Anfragen, und wir hatten alle Hände voll zu tun.
Maranitsch: Die größte Herausforderung war es, selbst sehr viele Sachen zu ändern und umzudenken. Wir haben in den Lockdown-Zeiten alle Hirings und On-Boarding-Gespräche plötzlich nur noch online gemacht. Viele Dinge, die früher unvorstellbar waren, haben dann auf einmal sehr rasch funktioniert, weil sie auch funktionieren mussten. Eines meiner Schlüssel Learnings, das sicher für viele größere Unternehmen gilt: Man muss aufpassen, dass das übergreifende Denken nicht verloren geht. Und man muss in der Lockdown-Zeit auch Zeit dafür einräumen, virtuelle Coffee Sessions zu machen oder private Erlebnisse zu sharen. Das sind zwar Kleinigkeiten, sie helfen aber ungemein.
Was sind denn die Fragen und Herausforderungen, die euch aktuell beschäftigen?
Manolova: Bei uns Customer Success Account Managern geht es um die zentrale und dauerhafte Verantwortung für den jeweiligen Kunden. Daraus resultieren unterschiedliche Programme und Ressourceneinsätze. Wir kümmern uns darum und koordinieren, dass die notwendigen Engineers und Architekten zeitlich zur Verfügung stehen, damit aufgrund der der großen Nachfrage keine Konflikte entstehen. Da geht es auch um die Abstimmung mit den globalen Teams. Das heißt, Kommunikations- und Projekt-Fähigkeiten sind die Basis, daneben ist auch die technische Expertise gefragt. Man muss sicher diesen holistischen View auf die Technolgie haben. Das Schöne ist jedenfalls, die Kunden langfristig als Advisor zu begleiten. Es gibt da kein „one size fits all“, sondern es muss maßgeschneidert und personalisiert sein.
Maranitsch: Ich habe Boryana deswegen als Teamleiterin gewählt, weil sie einen Service Background hat, das ist für diese übergreifende Rolle ganz wichtig. Sie hat in ihrer Vergangenheit auch ganz stark das Thema Change Management vorangetrieben. Wichtig ist natürlich auch das Know-how rund um Projektmanagement. Einerseits brauchen wir in unserem Bereich Leute mit ganzheitlichen Skills, aber wir brauchen auch die Spezialisten, z.B. Cloud Solution Architekten, und innerhalb dieser Gruppe Spezialisten für AI, Data oder App Development. Beide Gruppen gemeinsam machen ein gutes Customer Success Account Team aus.
Was ist denn für 2022 das Ziel, was soll erreicht werden? Und an welchen Zielen messen Sie sich selbst?
Maranitsch: Wir orientieren uns daran, wie die Nutzung bei den Kunden aussieht. Einerseits gibt es ja Kunden, die bereits Lizenzen haben. Im Idealfall würden Kunden 100 Prozent nutzen, was sie gekauft haben. Bei den reinen Pay-per-use Modellen wie im Azure-Umfeld schauen wir uns an, welche Komponenten und Workloads beim Kunden abgedeckt sind. Da gibt es folgende Schlüsselkomponenten: Wie viel Infrastruktur und Applications werden genutzt, wie stark werden unsere Services von Developern genutzt und als drittes geht es um die Nutzung von Data und AI Services.
Manolova: Natürlich geht es auch darum, unsere Neuausrichtung mit der Customer Success Unit noch stärker zu verankern. Früher waren wir reaktiv ausgerichtet, heute agieren wir proaktiv. Letztlich geht es um die Kundenzufriedenheit, die wir durch unsere Neuausrichtung steigern wollen.
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Christian Maranitsch leitet die 2018 gegründete Customer Success Unit bei Microsoft Österreich und unterstützt mit seinem Team Unternehmen dabei, mit Microsoft Cloud-Lösungen erfolgreicher zu werden. Maranitsch ist seit 16 Jahren bei Microsoft und fungiert ebenso als Director Health Industry und Incubation Sales Western Europe.
Boryana Manolova leitet seit 2020 bei Microsoft Österreich das Team für Customer Success Account Management, das Kunden in der Nutzung der Microsoft Cloud Plattformen und der technischen Implementierung unterstützt. Manolova bringt 13 Jahre Erfahrung bei IBM im Bereich Digital Transformation und Change Management mit.
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