2021: Das Jahr der Antworten

Die Corona-Krise hat nicht nur eine Beschleunigung der digitalen Transformation gebracht, sondern auch grundsätzliche Fragen etwa nach der künftigen Gestaltung unserer Arbeitswelt aufgeworfen. Im kommenden Jahr heißt es, Antworten darauf zu finden. [...]

Das Jahr 2021 wird so manche Veränderungen in den Unternehmen notwendig machen. (c) AdobeStock

Der verünglückte Begriff »social distancing« (richtigerweise müsste es »physical distancing« heißen) ist ein Symptom für eine Entwicklung, die über Nacht in Gang gesetzt wurde und für die wir noch keine passenden Antworten gefunden haben. Mit einem Mal wurden die Schwächen in allen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen – das Bildungswesen ist einer davon – deutlich, über die man sich bis dato mehr schlecht als recht hinwegschummeln konnte. COVID-19 hat dem Lavieren ein Ende gesetzt. So hat die Krise etwa gezeigt, dass Unternehmen nicht sofort untergehen, wenn die Angestellten nicht vom Büro aus zwischen 9-17-Uhr arbeiten.

Homeoffice hat sich vor wenigen Monaten in vielen Unternehmen als Rettungsanker während des ersten Lockdowns erwiesen und wird auch nach neun Monaten noch als stärkste Veränderung im Arbeitsleben wahrgenommen, so eine aktuelle Studie von Great Place to Work. 30 Prozent der in Österreich Befragten gaben an, schon vor Corona im Homeoffice gearbeitet zu haben. Für 70 Prozent waren die Erfahrungen neu – und positiv. So haben 31 Prozent jener Personen, die erstmals Homeoffice-Erfahrung gemacht haben, bestätigt, dass sich die Art und Weise der Zusammenarbeit deutlich verbessert hat. Dazu kommt, dass die üblichen Pendelzeiten von bis zu zwei Stunden mit einem Mal sinnvoll genutzt werden können. Was wünschen sich also Arbeitnehmer vom kommenden Jahr? Eine kompetente und empathische Führung (Platz 1), eine von Vertrauen geprägte Unternehmenskultur, in der gegenseitige Wertschätzung und Respekt gelebter Alltag sind (Platz 2) und drittens das Homeoffice und seine entsprechende Ausstattung, gepaart mit dem Wunsch, auch weiterhin teilweise von zu Hause aus arbeiten zu können.

Damit ist klar, wer die Antwort auf die Frage nach der Arbeitswelt der Zukunft finden muss: Der CEO mehr als der CIO. Und ganz oben steht die Unternehmenskultur: »Wer in den letzten Jahren seine Kultur-Aufgaben gemacht hat, kann auch in der Krise auf dem stabilen Fundament des Vertrauens aufbauen. Wenn alle im Unternehmen an dasselbe glauben, lässt sich auch eine unvorhersehbare Zukunft gestalten«, sagt Doris Palz, Managing Director von Great Place to Work.

Die Zukunft ist hybrid

In den letzten Monaten hat sich herauskristallisiert, dass die Arbeitwelt der Zukunft hybrid sein wird: teils im Büro, teils im Homeoffice. Robert Keil und Marcus Eul von Strategy&, der Strategie-Einheit von PwC, sprechen von »Work Anywhere«: »Auch wenn es sich hier nicht um eine neue Technologie handelt, hat die Corona-Krise dem Thema doch einen starken Schub verliehen. So mussten viele Unternehmen im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 innerhalb kürzester Zeit eine Work-Anywhere-Infrastruktur etablieren, um die Fortführung des Geschäfts sicherzustellen. Die notwendigen Anpassungen waren vielseitig, etwa in der Infrastruktur (Remote Access, mobile Arbeitsgeräte, Cloud Computing), bei Applikationen (zum Beispiel Kollaboration, Kommunikation), in Prozessen (beispielsweise Recruiting) oder bei juristischen Themen (zum Beispiel Arbeitssicherheit, Datenschutz).

Aufgrund der Dringlichkeit des Übergangs zu einer neuen wurden häufig sogenannte ›Technical Debts‹ in Kauf aufgenommen. Dabei handelt es sich um technische Workarounds, die jedoch noch Mängel aufweisen bezüglich Skalierbarkeit, Robustheit oder Funktionalität. Diese müssen in den nächsten Monaten und Jahren revidiert werden, um effizient und sicher zu funktionieren«, so die Autoren von Strategy&.

Es überrascht wenig, dass Cloud Computing in diesem Zusammenhang immer wichtig wird, und zwar in seiner hybriden Ausprägung, um etwa weniger abhängig von einzelnen Anbietern zu sein. »Außerdem sollten Unternehmen beachten, dass mit zunehmender Datenlast auch die Cloud-Kosten steigen, weswegen Edge Computing in Zukunft noch attraktiver werden könnte. Dabei wird die Datenverarbeitung an den Rand eines Netzwerks verlagert und somit an den Ort, an dem die Daten erzeugt werden. Dadurch lassen sie sich effizienter verarbeiten und das Datenvolumen in der Cloud sinkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach lassen sich hier in Zukunft Kostenersparnisse erzielen, wenn Edge-Computing weiter reift. Fazit: CIOs sollten ihre Cloud-Strategie möglichst flexibel halten und untersuchen, ob ein hybrider Ansatz für sie sinnvoll ist«, so Robert Keil und Marcus Eul.

Wissen aus Daten generieren

In der neuen Arbeitswelt braucht es auch Antworten darauf, wie wir produktive Arbeit künftig definieren wollen. Routineaufgaben müssen erledigt werden. Die Frage ist aber, ob dafür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig sind, die in wertschöpfenden Bereichen eines Betriebs besser aufgehoben wären.

Daher werden 2021 Projekte zur Automatisierung Fahrt aufnehmen, so etwa die Prognose von Forrester. Unternehmen schauen dabei nicht nur auf Sparpotenziale bei der Abwicklung von Geschäftsprozessen. Vielmehr sehen Führungskräfte hier auch die Möglichkeit, den Mitarbeitern mehr Zugriff auf Training und Schulung zu ermöglichen, um damit die persönliche Produktivität zu steigern und neue Formen des Arbeitens zu fördern.

Ein weitere Maßnahme wird sein, bessern Zugang zu den eigentlichen Assets eines Unternehmens zu schaffen: den bereits vorhandenen Daten. Entscheidend wird sein, wie man diese Daten aufbereitet, um sie genau dann nutzen zu können, wenn sie gebraucht werden. Im Idealfall erhalten die Mitarbeiter diese Daten in Form von Wissen. Das Thema Wissensmanagement wird in einer hybriden Arbeitswelt daher schnell an Bedeutung gewinnen, was wiederum eine Vielzahl an Technologien unter einem Dach vereint. Beispiele sind KI, Machine und Deep Learning, Natural Language Processing (NLP), Natural Language Question Answering (NLQA) und die semantische Aufbereitung von Inhalten, die eine natürliche Mensch-Maschinen-Interaktion ermöglichen.

Der Linzer KI-Spezialist Mindbreeze progonstiziert parallel zu Gartner eine Entwicklung, die unter der Bezeichnung »Behavioural Model for Information Retrieval System Design« läuft und mit den B2C-Themen »Customer Experience« bzw. »Customer Economy« verwandt ist. Hier geht es darum, dass ein intelligentes System aus dem Verhalten einer Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin lernt und diese mit zunehmender Genauigkeit mit jenen Informationen versorgt, die zur Erfüllung des aktuellen Jobs notwendig sind – Stichwort »Personal Assistent«.

Unternehmen sind zudem gefordert, ihre Geschäftsprozesse möglichst flexibel zu gestalten. »Statische, auf Effizienz ausgelegte Geschäftsprozesse waren dermaßen spröde, dass sie unter dem Schock der Pandemie zerbrachen«, sagt Gartner-Marktforscher Brian Burke. »Während CIOs damit zu kämpfen haben, die Bruchteile aufzulesen, beginnen sie zu verstehen, wie wichtig die Fähigkeiten von Firmen sind, sich der Geschwindigkeit von Veränderungen im Geschäftsumfeld anzupassen.«

Resilienz statt Lücken schließen

Die Corona-Krise hat nicht nur die digitale Transformation beschleunigt, sondern auch Lücken im Schutzschild der Unternehmen aufgedeckt – kein Wunder, denn die CIOs waren mit Themen wie Business Continuity genug gefordert. Dazu kommt, dass sich Cyberkriminelle verstärkt auf jene Bereiche stürzen, die besonders gefordert sind. Die zahlreichen Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen zeugen davon. »Angesichts der herrschenden Probleme haben Kontrollen nach wie vor keine hohe Priorität und werden im schlimmsten Fall erst dann in Angriff genommen, wenn es zu einem sicherheitsrelevanten Vorfall kommt. Diese Einstellung muss sich im kommenden Jahr ändern: Unternehmen sollten der Absicherung ihrer IT-Infrastruktur – einschließlich der Endgeräte von remote arbeitenden Mitarbeitern, Network Access sowie Cloud-Architekturen – eine höhere Priorität beimessen – nicht nur, um akute Sicherheitslücken zu schließen, sondern auch, um langfristig Resilienz aufzubauen«, sagt Neil Correa, Cyber Strategist bei Micro Focus.

Ein weiterer Bereich, in dem Security nicht den notwendigen Stellenwert hat, ist der produzierende, der verstärkt auf die Themen Industrie 4.0 und IoT setzt. »Diese bestehende Lücke werden IoT-Erstausrüster und -Security-Anbieter in nächster Zeit verstärkt adressieren müssen«, sagt Kate Scarella, ebenfalls von Micro Focus. »Auch wenn Anbieter moderner IoT- Sicherheitslösungen eng mit den Erstausrüstern zusammenarbeiten, um den Sicherheitsaspekt über den gesamten IoT-Entwicklungs- und Produktionsprozess zu berücksichtigen, bleibt Legacy-IoT weiterhin anfällig für Schwachstellen. Unter diesen Umständen finden die Services von Managed IoT-Security Providern – inklusive der Absicherung von Legacy-Geräten bis zu ihrem Austausch – immer mehr Anklang.«

Dass die Welt des Homeoffice ein beliebtes Ziel ist, zeigt der ESET Threat Report Q3/2020. Allein im DACH-Raum kam es im Oktober täglich durchschnittlich zu 7,1 Millionen Angriffsversuchen auf das RDP-Protokoll. Das entspricht einem Anstieg von rund 390 Prozent seit März 2020. Auch Angriffe mit Android-Banking-Malware haben im dritten Quartal rasant zugenommen. Ebenso setzen Kriminelle derzeit wieder verstärkt auf Kryptominer. Es wird sich zeigen, wie Unternehmen im kommenden Jahr, das ja eine hybride Arbeitswelt bieten soll, auf die Bedrohungen reagieren werden. Auch hier stehen nachhaltige Lösungen ganz oben auf der Agenda.


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