Boom für Data-driven Marketing

e-dialog-Gründer und -Geschäftsführer Siegfried Stepke spricht im Interview über die Corona-Krise, was mit Data-driven Marketing alles möglich ist, und warum jedes Unternehmen heute nicht mehr darauf verzichten sollte. e-dialog beschäftigt heute 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist auf Expansionskurs und hat im Lockdown einen neuen Standort in Düsseldorf eröffnet. [...]

e-dialog-Gründer Siegfried Stepke. (c) Wahlmüller

„Wir brennen für das was wir tun: Fachliches Know-How und persönliche Beratung im datengetriebenen Marketing“ – so steht es auf der Website. Und das trifft wohl auf den Punkt, was sich e-dialog Gründer und Geschäftsführer Siegfried Stepke, der selbst Wirtschaftsinformatik studiert hat, auf die Fahnen geheftet hat: 2003 hat er, anfangs noch als Unternehmensberatung, e-dialog gegründet, die sich heute mit 55 Mitarbeitern (zehn werden zusätzlich gerade gesucht) zur größten österreichischen Spezialagentur für Digital Analytics und Programmatic Marketing entwickelt hat. e-dialog ist seit 2008 zertifizierter Google Analytics Partner und betreut Kunden wie u.a. Magenta Telekom, XXXLutz, RedBull, Verbund oder REWE.

Die Corona-Krise hat alle beeinträchtigt, wie haben Sie bei e-dialog die Krise erlebt?

Wir haben im Lockdown fünf Leute aufgenommen und den Standort Düsseldorf eröffnet. Wir suchen jetzt auch laufend neue Mitarbeiter und haben das Glück, dass die Themen, die wir bedienen, sehr stark nachgefragt sind, weil der Shift zum Digitalen unaufschiebbar ist. Sogar die konservativen Unternehmen machen das jetzt. Vor der Krise hatten wir ein organisches Wachstum – immer auf Qualität bedacht. Wir haben viel in unsere Arbeitgebermarke investiert, mir war es wichtig, dass wir als Arbeitgeber auch attraktiv sind. Seit zwei Jahren sind wir auch im neuen Office am Opernring. Hier hatten wir im Juli z.B. ein Team-Event auf der Dach-Terrasse. Der moderne Ort hilft uns sicher auch, die Experten zu finden, die wir brauchen.

Welche Experten suchen Sie im Moment?

Grundsätzlich haben alle unsere Mitarbeiter irgendein Studium zumindest auf Bachelor-Niveau abgeschlossen, etwa von der FH St. Pölten. Die wichtigste Eigenschaft ist aber tatsächlich der Hausverstand. Am stärksten wollen wir jetzt den Data-Science Bereich ausbauen. Wir brauchen vor allem Menschen, die Business Requirements übersetzen in das, was wir mit Daten und Systemen konzipieren, um programmatische Kampagnen zu steuern. De facto gibt es kein Studium, das uns die fertigen gebackenen Mitarbeiter liefert. Aber man kann über das Internet eigentlich alles im Internet lernen. Und da sind wir selbst an vorderster Front. Eine institutionalisierte Ausbildung zu schaffen ist schwierig: Das ist schon veraltet, sobald der Lehrplan geschrieben ist. Man muss Biss haben und eine gute Grundlagenausbildung, der Rest ist Interesse und Engagement. Ich selbst bin übrigens ein Dropout aus der Wirtschaftsinformatik – ausgestiegen, als die Praxis spannender als die Theorie wurde.

Worauf führen Sie den Erfolg von e-dialog zurück oder was war maßgeblich?

Das Eine ist Fokussierung und nicht Bauchladen. Wir haben anfangs auch Websites gemacht. Heute liegt der Fokus auf datengetriebener Werbung, die früher nur online war und heute in viel mehr Kanäle geht. Wir  machen z.B. keine Suchmaschinenoptimierung, das ist ein wichtiger Kanal, aber ich kann ihn nicht mit Daten steuern. Alles, was wir machen, ist mess- und steuerbar. Der zweite Faktor ist Qualität. Wir haben große Kunden, die wir bereits über zehn Jahre betreuen, das geht mit schlechten Mitarbeitern und schlechtem Service nicht. Insgesamt haben wir im Moment rund 200 Kunden.

Warum fokussieren sich noch immer relativ wenige Unternehmen auf dieses Feld des data-driven Marketing?

Auf irgendeine Art und Weise machen das ja fast alle Unternehmen. Die Frage ist nur: in welchem Reifegrad machen sie es? In dem Moment, wo ich Google oder facebook Ads schalte, mache ich datengetriebene Werbung. In der Umsetzung liegen dann die Unterschiede, etwa, ob ich es mit meinem CRM und meinen anderen Systemen integriere – das ist dann die Oberliga. Wenn kein Leidensdruck da ist und das Geschäft läuft: Warum soll ich es dann machen? In dem Moment, wo aber der Schuh drückt, so wie jetzt, beginnen die einen, wo die anderen schon einen Vorsprung haben.

Da hat die Corona-Krise Data-driven Marketing sozusagen einen Boom beschert…

Ja, das haben wir bemerkt. Anfangs hatten wir eine kurze Schockstarre, aber die steuerbaren Online-Werbe-Spendings haben sich rasch erholt. Wir hatten im Juni schon wieder die Budgets vom März. Online zahlt sich jetzt auch mehr aus, denn Print wird immer weniger gelesen. Und die Unternehmen haben erkannt, dass die richtige IT-Infrastruktur und die richtigen Systeme helfen.

Was kann man denn überhaupt heute alles mit Data-driven Marketing machen und erreichen?

Es gibt zum einen Marketing Automation aus dem CRM-System heraus, wo es um Dialogkanäle geht, wo aber nur Kunden oder bestehende Kontakte bedient werden. Der andere Bereich ist programmatische Werbung, wo wir neue User  datengetrieben ansprechen können. Datengetrieben heißt einerseits, die Zielgruppen richtig zu definieren und zu segmentieren, demographisch und nach Interessen/Hobbys. Dann der Bereich Bidding: Das heißt, wie viel ist ein Unternehmen bereit, für einen Werbekontakt zu bezahlen, das wird in Echtzeit ausgerechnet. Und der dritte Aspekt ist die Personalisierung, d.h. welche Botschaften werden für wen sichtbar. Das betrifft alle digitalen Kanäle, Display Videos, aber auch Digital Audio, Digital TV, Digital Out-of-Home sowie über Apps. Und auch die Verknüpfungen mit dem CRM-System und klassischer Kundenansprache, Point-of-Sale-Themen und Ansprache in den Filialen. Crossmedial ist der Schlüssel, weil wir in der Customer Journey möglichst viele Touchpoints erfassen und ansprechen wollen. Und immer mehr Touchpoints sind digital. Zum Beispiel können wir bei Filialen aus den Kassenbons erkennen, ob der Tag gut oder schlecht ist – und, wenn der Tag schlechter ist, dann lokal um diese Filiale herum Werbung schalten, das läuft voll automatisch und der ROI ist direkt messbar.

e-dialog ist Reseller für die Google Enterprise Plattform, wie kann man den praktischen Nutzen für Unternehmen kurz und knapp zusammenfassen?

Compliance, SLA, Rohdaten-Erfassung und Echtzeit. Diese Faktoren bekommt man mit der Enterprise Plattform von Google in den Griff. Wir haben schon lange den Zeitpunkt hinter uns zurückgelassen, wo wir Daten nur zum Reporten verwenden. Bei uns ist das Stichwort der “Actionable Data” Realität. Wenn ein User eine Website besucht, wird in Echtzeit die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet, ob dieser User etwas kauft oder nicht. Dann wird automatisch ein passendes Angebot ausgespielt und zweitens wird der Kunde im Remarketing anders behandelt. Da verknüpfen wir die Marketing-Plattform mit der Cloud-Plattform und die Erkenntnisse dienen für verfeinertes Targeting und Personalisierung. Der erste Schritt, um zu starten, und das leider meist sehr unsexy, ist, die Daten sauber zu sammeln. Dann eine Daten-Analyse und dann gilt es zu klären: wie können wir segmentieren und aussteuern.

Wie lange dauert es für mittelständische Unternehmen, um hier zu einem Erfolg zu kommen?

Das hängt von der Anfrage ab, wir können mit Quick-Wins arbeiten oder wir haben Initial Setups von zwei bis vier Monaten – je nachdem, welche Ziele man sich setzt.

Welche konkreten Projekte gibt es denn im Moment?

Beispiel E-Commerce Multichannel und Automatisierung: Das heißt, für welche Produkte in welchem Kanal zu welchem Preis soll geworben werden. Das geht von Search über Social bis hin zu Display und Video. Da geht es auch um die Verknüpfung des Online-Shops mit dem CRM-System und der Anbindung der realen Filialen. Wir haben ein Beispiel in der Schweiz, Globus, ein Multichannel Händler, wo wir etwa gezielt unterschiedliche  Zielgruppen mit speziellen Angeboten adressieren: Menschen, die bislang nie online gekauft haben, aber auch etwa jene, die viel online einkaufen. Oder bei einem Kunden aus der Möbelbranche kam klar heraus: Wenn die Produktbilder mit Bemaßungen versehen sind, verkaufen sich die Produkte einfach besser. Hier wurde etwa mit Bilderkennung und Machine Learning gearbeitet, um im großen Umfang automatisiert zu erkennen, ob bei Produktbildern von Herstellern die Bemaßungen fehlen. Bei Bellaflora wiederum geht es von Branding bis zur aktuellen Filial-Aktivierung um alles.

Welchen Stellenwert hat Data-Driven Marketing heute und wie wird sich das in den kommenden Jahren entwickeln?

Es geht eigentlich kein Weg mehr daran vorbei, selbst die einfachsten Systeme und digitalen Werbekanäle basieren ja auf Daten. Die Frage ist: wie viele und welche Daten zieht man dafür heran und wie viel an Technologie und künftig auch Künstlicher Intelligenz und Machine Learning wird eingesetzt oder ist bereits in den Tools enthalten.


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