Die Tour der Daten

Das dreiwöchige Radrennen Tour de France wird auch die Tour der Leiden genannt, weil die körperliche Anstrengung für die Protagonisten seit dem Bau der Pyramiden nicht mehr so hoch war. Um das zu dokumentieren, werden eine Unzahl an Daten erhoben. [...]

Die Tour de France ist ein wunderbares Beispiel für den Einsatz von Big Data im Spitzensport. (c) NTT

Die Tour de France 2019 war die 106. Austragung des wichtigsten Etappenrennens im Straßenradsport. Sie startete am 6. Juli 2019 in Brüssel und endete am 28. Juli 2019 in Paris auf den Champs-Elysees. Die Strecke war 3.480 Kilometer lang und in 21 Etappen unterteilt. Der Kolumbianer Egan Bernal absolvierte die Strecke in 82 Stunden und 57 Minuten als Erster. Es war zudem der erste kolumbianische Gesamtsieg bei der Tour de France.
Diese Zahlen und Fakten sind aber nur ein Bruchteil im Vergleich zu den Daten, die während der dreiwöchigen Rundfahrt von den insgesamt 176 gestarteteten Fahrern erhoben wurden. Jedes Rad ist mit einem GPS-Tracker ausgestattet. Das ist aber längst nicht alles.

Im Windschatten fahren war gestern

Heute nutzen Radrennfahrer bei der Tour de France Datenanalysen, um sich an die Spitze des Feldes zu katapultieren. Aber auch Zuschauer erleben das Sport-Event aus einer ganz neuen Perspektive, da die Fahrräder mobile Daten-Hotspots sind und laufend aktuelle Positionsdaten liefern. Bei der Tour de France haben einzelne Etappen eine Länge von über 200 Kilometern. Da ist es für Zuschauer nicht möglich, direkt vor Ort den Rennverlauf nachzuverfolgen. Zwar liefern TV-Kameras aktuelle Bilder, aber es fehlt oftmals der tiefere Einblick in das Renngeschehen. Daher sind bei der Tour alle Fahrräder mit einem GPS-Transponder ausgestattet, der einen kontinuierlichen Datenstrom generiert. Durch die GPS-Sender können Anwender zu den Fahrern individuelle Daten abrufen, beispielsweise zur jeweiligen Geschwindigkeit oder zur aktuellen Position innerhalb des Fahrerfeldes. Darüber hinaus sind Daten zur Wettersituation und der Streckenführung verfügbar, wie Steigungen in den Bergetappen. In einem virtuellen Race-Center laufen diese Informationen zusammen und lassen sich von Fans weltweit bequem abrufen.
Die Datenübertragung ist eine echte Herausforderung, denn es gibt auf den Strecken der Tour kein durchgängiges und ausreichend leistungsfähiges Mobilfunknetz. So müssen die Fahrräder ihre Daten zunächst an Begleitfahrzeuge und Hubschrauber liefern, die einen sicheren Datentransfer in nachgelagerte Rechenzentren übernehmen. Dort erfolgt die Live-Aufbereitung für die Zuschauer.

Das Spiel mit den Zahlen

Spannend wird es zu sehen, wie diese große Menge an Live-Daten aus dem Radsport dazu beitragen kann, die Entscheidungsfindung während eines Wettkampfes zu beschleunigen. Teamintern verwenden die Profis eine ganze Reihe an speziellen Fitness- und Leistungsdaten. Dazu zählt die Leistung in Watt: Bei Bergwertungen können Fahrer einen Wert von über 500 Watt erreichen. Außerdem wird die Steigleistung ausgewertet: Spitzensportler erreichen Werte von knapp über 1.800 Meter pro Stunde. Dazu kommen noch viele körperbezogene und eher feststehende Daten, wie die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 Max), die angibt, welche Menge an Sauerstoff der Körper im Zustand der Belastung maximal pro Minute verwerten kann. Teamleiter könnten aus den Daten zeitnah ableiten, ob in einer gegnerischen Mannschaft ein Radrennfahrer eine Schwächeperiode am Berg gezeigt hat und gezielt am nächsten Anstieg attackieren.

Mehrwert für Fans und Zuschauer

NTT hat es sich als Sponsor der Tour de France zum Ziel gemacht, das Spektakel für die Fans noch greifbarer zu machen. So konnte von 2014 bis 2019 unter anderem die Zahl der Social-Media-Fans von 2,7 Millionen auf sieben Millionen gesteigert und die Zahl der Videoaufrufe von sechs Millionen auf rund 75 Millionen erhöht werden. In der nun vorerst auf weitere fünf Jahre angelegten Kooperation wollen NTT und die Veranstalter unter dem Arbeitstitel »Smart Outdoor Stadium« vor allem in vernetzte Dienste für die Zuschauer der Tour de France investieren. Darüber hinaus wird auch weiterhin ein starker Fokus auf die Weiterentwicklung der digitalen Innovationen gelegt, um künftig noch mehr Menschen für den Radsport begeistern zu können.
Mit der Erweiterung des Zuschauererlebnisses um digitale Komponenten reagiert NTT dabei vor allem auf die veränderte Mediennutzung der jüngeren Zuschauer. Diese verfolgen Sportveranstaltungen längst nicht mehr nur vor dem Fernseher. Das bestätigte auch eine NTT-Befragung von 3.700 Sportfans weltweit. Im Zuge dieser Umfrage hat sich gezeigt: Die Mehrheit der befragten 18- bis 34-Jährigen erlebt Sportevents bereits auf einem »Second Screen« wie etwa einem Tablet oder Smartphone, oder plant, dies zumindest in naher Zukunft zu tun. Hauptmotiv ist hierbei vor allem der Zugang zu ergänzenden Daten und Statistiken (34 Prozent), die mehr Hintergrundinfos und Einblicke als klassische Medien bieten.
In diesem Jahr werden die Zuschauer der Tour de France mit einer Vielzahl solcher Informationen versorgt, angefangen von der Live-Position und -Geschwindigkeit der Fahrer bis hin zu Rennprognosen und Wetterdaten. Hierfür analysiert und verarbeitet der Technologie-Experte insgesamt 150 Millionen Datenpunkte pro Etappe. Die Daten werden mit Sensoren an allen Rennrädern der Teams gesammelt und von NTT ausgewertet, aufbereitet und anschließend in Echtzeit mit Radsportfans weltweit auf Social-Media-Kanälen wie dem Twitter-Kanal @letourdata geteilt.
Dabei wird eine Reihe von neuen oder aktualisierten Features implementiert oder getestet wie eine verbesserte Grafiken für Fernsehübertragungen, die aktuelle Erkenntnisse des NTT Live Data Teams liefern und den aktuellen Stand des Rennens in 3D darstellen.

Transparenz im Spitzensport

Auch wenn nicht alle diese Daten für andere Teams verfügbar sind – schließlich ergibt sich aus diesen Werte ein möglicher Wettbewerbsvorteil – so lassen sich einzelne Werte durchaus schätzen. Die Auswertung solcher Daten müsste jedoch zeitnah und automatisiert erfolgen – eine manuelle Auswertung würde zu lange dauern. Daher wäre eine schnelle Datenaufbereitung über automatisierte Analysesysteme notwendig, die über Mustererkennung in der Lage ist, Abweichungen von der bisherigen Leistung zu erkennen. So wird Geschwindigkeit in der Datenauswertung zu einem weiteren Faktor, der zu Erfolgen im Spitzensport beiträgt. Darüber hinaus würde der Radsport generell davon profitieren, wenn die Teams die Leistungsdaten der Sportler transparent machen würden. So gab es bei der Tour immer wieder Doping-Vorwürfe, die auch dadurch untermauert wurden, dass Leistungsdaten einzelner Fahrer ans Tageslicht kamen, die deutlich über den Werten der anderen Spitzenfahrer lagen. Mehr Datentransparenz bei den Teams könnte also dazu beitragen, die Vertrauenswürdigkeit des Radsports weiter zu steigern.

Was Unternehmen vom Sport lernen können

Im Spitzensport wird heute jedes Training überwacht und selbst Hobbyradfahrer haben über das Handy oder einen Fitnesstracker die Möglichkeit, jeden gefahrenen Kilometer zu analysieren. Unternehmen sollten sich diese Entwicklung aus dem Sport als Vorbild nehmen und möglichst viele ihrer Abläufe digital vermessen und anschließend optimieren. Sensorwerte, die beispielsweise über ein Internet of Things erfasst werden, können Details über die Leistung einer Maschine, eines Arbeiters oder einer kompletten Abteilung liefern. Letztlich geht es im Unternehmen darum, dass diese Daten eine Relevanz und eine hohe Qualität haben müssen, aber auch für mehr Transparenz der Leistung sorgen. Darüber hinaus müssen Daten zeitnah verfügbar sein – eine nur monatlich ausgewertete Verkaufsstatistik zu Produkten ist in der heutigen Echtzeitwelt nicht mehr sinnvoll. Es geht um Geschwindigkeit und darum, der Erste zu sein. Ganz wie bei der Tour der France.


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