Jakob Kiblböck arbeitet seit fünf Jahren bei SAP. Anfang 2020 hat er die Leitung von SAP SuccessFactors für die Region Central Eastern Europa (CEE) übernommen, die insgesamt 17 Länder umfasst. Der Stellenwert von HR hat durch die Corona-Krise massiv zugenommen und die Gestaltung der »Employee Experience« ist essentiell wichtig, meint er im Gespräch mit der COMPUTERWELT. [...]
Wie ist denn Ihr persönlicher Zugang zum Thema Human Resources?
Das Thema HR und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten für Organisationen faszinieren mich. Die vielen Länder, die wir betreuen dürfen, bringen eine irrsinnig große Vielfalt mit sich. Wenn es um das Personalwesen geht, gibt es natürlich viele lokale Begebenheiten, allein schon aus der arbeitsrechtlichen Situation heraus. Es gibt aber etliche Themen, die Unternehmen und Organisationen überall gleichermaßen betreffen: etwa die Frage „Wie gelingt es mir die besten Leute anzuziehen und sicherzustellen, dass diese auch bleiben“. In den ersten beiden Monaten in der neuen Rolle bin ich die diversen Länder der Region geflogen – bis zum ersten Lockdown im März. Corona-bedingt sind die HR-Abteilungen kurzfristig hochgradig gefordert gewesen und haben eine ganz zentrale Rolle übernommen: so auch bei SAP, wo wir unsere Teams von einem Tag am anderen komplett ins Homeoffice umgestellt haben. Das ging sehr schnell und großteils reibungslos, weil unsere Mitarbeiter an Flexibilität gewohnt waren. Mein Team ist ohnehin in den diversen Ländern verteilt: da kam durch die positive Kommunikations-Veränderung hinzu, das zusätzlich zur Telco nun eine echte Video-Kultur entstanden ist.
Und wenn Sie sich die HR Abteilungen so ansehen, was hat sich da verändert?
Die Rolle von HR ist wichtiger denn je geworden. So enge Interaktion und Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung wie in den Monaten gab es wahrscheinlich noch nie. Im ersten Schritt ging es darum sicherzustellen, dass es allen Mitarbeitern gut geht und die Transition ins Homeoffice bzw. das Ermöglichen des sicheres Arbeiten vor Ort etwa in der Produktion gut zu bewerkstelligen. In Bezug auf Digitalisierungsprojekte hat es uns überrascht, dass sehr viele HR Projekte weitergeführt und vorangetrieben wurden. Vieles hat sich durch die Krise sogar beschleunigt: etwa die Themen HR Self-Services für Mitarbeiter und Manager, oder Elektronische Signaturen, Stichwort „Paperless HR“. Gewisse Projekte wurden so deutlich schneller umgesetzt, als das ansonsten geplant gewesen wäre. Nach dem Sommer war dann nochmals ein neuer Schwung für HR Transformationsprojekte zu spüren, der sich jetzt im Herbst und Winter weiter fortsetzt.
Was waren denn da die wichtigsten Themen oder vor welchen Herausforderungen stehen denn die Personalabteilungen?
Ich denke, es war sicher zunächst einmal das Bemühen, sich bestmöglich auf die aktuelle Krisensituation einzustellen. Wir haben dann drei spezielle Trends oder Hauptblöcke mitbekommen, in denen wir verstärkt Anfrage bekommen haben. Erstens wuchs das Bewusstsein, dass es einen stabilen und robusten Kern an HR-IT-Systemen als Grundlage für effektives Arbeiten in HR benötigt, um in der neuen Situation agieren zu können. Der zweite große Block betrifft Learning – alles rund um die Themen Up-Skilling, Re-Skilling der Belegschaft, und auch um den Führungskräften Hilfestellungen an die Hand zu geben etwas zur Frage: „Wie führe ich virtuell und was setzt erfolgreiche Virtuelle Führung voraus?“ Ein drittes Thema betrifft Umstrukturierungen und wie es gelingt, strukturelle organisatorische Änderungen in einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Art und Weise umzusetzen und auch systemtechnisch sauber abzubilden. In allen drei Bereichen bieten digitale Tools und Systeme viele Möglichkeiten, das sehr effizient und erfolgreich zu gestalten.
Jetzt bietet SAP die zwei HR-Lösungen HCM und SuccessFactors, wie sieht da die Abstimmung und Strategie aus?
SAP ist im HR Bereich mit Abstand der führende Anbieter. 2011 wurde die SaaS-Löusng SuccessFactors übernommen – das ist unser HR-Innovationsportfolio. Wir merken im Moment, dass die Anforderungen an die HR-Abteilungen stark gestiegen sind. Es wird erwartet, dass man schneller und agiler ist, dass man rascher reagieren kann als Organisation. Und hier bietet Cloud Lösung ganz andere Möglichkeiten. So liegt auch ganz klar der Investitionsfokus der SAP in der Cloud, und damit auch bei SAP SuccessFactors. Mit SuccessFactors servicieren wir weltweit über 8.000 Kunden und 160 Mio. User – das sind ganz tolle Zahlen und viel Verantwortung. Zudem haben sich über 4.000 Unternehmen bereits für das HR Kernmodul „SuccessFactors Employee Central“ entschieden. SAP SuccessFactors bieten wir aktuell in 42 Sprachen an, wir verarbeiten mehr als 2.000 legistische Änderungen pro Jahr und bieten Lokalisierungen für 46 Länder an. Aber wir haben auch nach wie vor eine sehr große installierte und langjährig gewachsene Basis mit SAP HCM: Da ist es uns ganz wichtig, dass unseren Kunden die Investitionssicherheit gewährleistet ist. Die Wartungsfenster wurden hier zudem erneut verlängert. Wenn es jedoch um HR Innovation geht, so inspirieren wir alle Kunden ganz klar, den Weg zu SAP SuccessFactors zu nehmen.
Wie sieht denn die Bereitschaft der Kunden im DACH-Raum aus, auf SuccessFactors umzusteigen oder generell zu SuccessFactors zu wechseln?
Die ist sehr groß. Wir haben im DACH-Raum und in Österreich eine Vielzahl an Kunden aus unterschiedlichsten Branchen, die ihre HR Digitale Transformation mit SAP SuccessFactors End-to-End durchführen, etwa die ERSTE Group. Viele Bestandskunden starten mit einigen HR Innovations-Modulen wie Recruiting, Onboarding, Learning oder Performance & Goals – andere setzen als ersten Schritt die Grundlage durch die Migration von HCM zu Employee Central als HR Core System und bauen darauf weiter auf. Wichtig ist es sicher, die lokalen Regulatorien zu respektieren und diese können wir sowohl mit HCM als auch mit SAP SuccessFactors abdecken. Einen ganz wichtigen Unterschied macht das Öko-System: hier bietet SuccessFactors eine offene Plattform mit flexibler Erweiterung und Integrationsmöglichkeiten. Als SuccessFactors Kunde hat man Zugriff auf über 250 Partner-Applikationen, etwa von agilen Startups und innovative HR Lösungen, die Sie anbinden und über das SAP App Center für sich zum Einsatz bringen können.
Sehen Sie noch eine Cloud-Zurückhaltung im DACH-Raum?
Nein, das nehme ich nicht mehr wahr. Auch sensible Branchen wie der Banken-Sektor, Energieversorger und selbst der Öffentliche Bereich evaluieren Cloud-Lösungen und bewerten offen die Nutzung und Mehrwerte für ihre Organisationen. Die SAP setzt dabei ganz stark auf das Thema Sicherheit, DSGVO-Konformität und Compliance. Aufräumen möchte ich hier auch mit einem Irrtum, SAP und SuccessFactors Lösungen wären nur für Großkunden. Im Moment erleben wir die stärksten Zuwächse im Mittelstand und selbst bei Unternehmen im Bereich von 250 Mitarbeitern plus. In der Cloud lassen sich Einführungen deutlicher schlanker und schneller vollziehen.
Früher sprach man von Human Resources und Personalpolitik, heute von „Employee Experience“ (EX) – was bedeutet das für das Personalwesen?
Wir erleben im HR Bereich in den letzten Jahren einen massiven Wandel, mit einer starken Fokussierung hin zum Mitarbeiter, „dem Employee“, und auf das Gestalten des Erlebnis, „der Experience“, die Mitarbeiter in ihrer Arbeit haben. Wir sprechen deshalb im HR-Kontext nicht mehr von Human Capital Management, HCM, sondern von Human Experience Management (HXM). Der Mitarbeiter darf nicht mehr als Kapital und Ressource betrachtet werden, sondern es geht darum, wie das Erlebnis, die Kultur, die Rahmenbedingungen für Mitarbeiter so zu gestalten, dass diese ihre beste Arbeit einbringen wollen – und zwar im Sinne der Unternehmensziele. Steigerung der Employee Experience um jeden Prozentpunkt ist nachweislich messbar. Damit erzielt man Win-Win-Situationen für alle. Es findet der War-for-Talents um Fachkräfte weiter statt und aktuell überlegen sich Führungskräfte sowie Personal-Manager: Wie gelingt es mir, die besten Leute für mich und meine Organisation als Mitarbeiter zu gewinnen, und wie stelle ich sicher, dass mir diese nachhaltig auch im Unternehmen bleiben. Der Schlüssel dazu ist „Employee Experience“ (EX).
Und wie schafft man nun als HR dieses „Erlebnis“ für Mitarbeiter?
Im Kern ist es ein kulturelles Umdenken, das notwendig ist. Es braucht Change Management, damit HR Organisationen den Wert von Employee Experience verstehen, für Mitarbeiter erlebbar und für Unternehmen messbar machen. Traditionell waren oft mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in den Personalabteilungen mit transaktionalen Tätigkeiten beschäftigt. Hier ist es wichtig repetitive Aufgaben zu standardisieren und automatisieren, damit die HR Abteilungen Zeit und Fokus auf wertstiftenden Transformative Aufgaben legen können, die Unternehmen wir voranbringen: Kultur, Leadership, Change Management, Digitalisierung und ja Employee Experience. Human Experience Management ist Vorstandsthema.
Es gibt viele Möglichkeiten, dies in die Praxis umzusetzen. Und es beginnt mit der kulturellen Wertschätzung der Einzelnen. In SAP haben wir in der HR so genannte „Moments That Matter“ definiert und umgesetzt: also Schlüsselmomente im Mitarbeiters-Lebenszyklus. Zum Beispiel „Pre-Onboarding“ und „Der Erste Arbeitstag“ oder „Becoming a Leader for the First Time“ Hier wird HR-seitig in diesen kritischen Momenten gezielt unterstützt, um sicherzustellen, dass diese Erlebnisse die Erwartungen übertreffen und auch wirklich erfolgreich und positiv wahrgenommen werden. Ein weiteres Beispiel „Das Mitarbeiter-Gespräch“: Früher gab es bei SAP klassisch einmal im Jahr oder halbjährlich ein Mitarbeitergespräch. Wir haben umgestellt auf sog. „SAP Talks“ – das sind regelmäßige monatliche 20-minütige Gespräche, die ich zum Bespiel mit jedem meiner Direct Reports durchführe und direkt in SuccessFactors dokumentiere. Es ist unglaublich, welche Themen hier frühzeitig aufkommen, und wie es mir als Führungskraft Möglichkeiten bietet, darauf zu reagieren. Noch ein Beispiel: Mit unserer Employee Experience Umfrage-Plattform SAP Qualtrics führen wir digitale „Puls-Checks“ durch – nach dem Motto: Listen-Understand-Act. Und auch hier geht es darum, nicht einmal jährlich statisch eine Befragung durchzuführen, sondern in kleineren Intervallen kurze Stimmungsbilder und Meinungen einzuholen, um dann gezielt und unmittelbar darauf reagieren zu können. So fühlen sich Mitarbeiter gehört, wertgeschätzt und eingebunden und es steigert die individuelle Einsatzbereitschaft im Sinne der Unternehmensziele.
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