IT-Ausblick 2021: Licht und Schatten

Die Corona-Pandemie hat das Jahr 2020 geprägt, aber wie sieht der Ausblick auf 2021 aus IT-Perspektive aus? Wie kann IT unterstützen, wo ist IT massiv gefordert? Die COMPUTERWELT lud dazu Anfang November sieben Experten zum IT-Executive Outlook ins Palais Eschenbach. [...]

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IT-Executive Outlook der COMPUTERWELT im Palais Eschenbach. (c) timeline/Rudi Handl

2020 erfüllte viele mit Sorge, gerade eben haben wir alle den zweiten harten Lockdown erlebt. Angesichts der Krise ist die IT stark gefragter und wichtigster Partner für alle Unternehmen, die allerdings vielfach stark unter Druck sind und ums Überleben kämpfen.

„Wir müssen davon ausgehen, dass rund 24  bis 33 Prozent aller heimischen Unternehmen in den kommenden Jahren pleitegehen werden, was extrem dramatisch ist. Natürlich hat die IT-Branche durch Corona und den Digitalisierungsschub jetzt Vorteile gehabt. Aber die Krise trifft schon auch die IT-Branche, denn es ist eine supportende Branche, das heißt, alle Unternehmen brauchen IT. Aber jene, die es sich nicht leisten können, können IT jetzt auch nicht kaufen“, startet Peter Lieber, Präsident des VÖSI (Verband Österreichischer Software Industrie) und seit Juni auch Präsident des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV) mit den schlechten Nachrichten. Um aber freilich zu relativieren: „Manche IT-Unternehmen profitieren überproportional, aber manche leiden auch mit, weil viele Unternehmen auch IT-Investitionen aufschieben und vorsichtig, verhalten agieren. Das merkt man sehr wohl an den Zahlen in der IT-Branche.“ Lieber nimmt auch zum IT-Kollektivvertrag kurz Stellung, über den heuer sehr schnell entschieden wurde: „Ich denke, der IT-Kollektivvertrag ist angemessen mit rund 1,45 Prozent erhöht worden. Das trifft auch auf die Erwartungshaltung unserer Branche. Hier hat die Sozialpartnerschaft wieder einmal bewiesen, dass es doch auch gemeinsam gut geht.“ Als Präsident des ÖGV setzt sich Lieber für rund 2.500 Betriebe ein und appelliert auch an die Unternehmen: „Wir brauchen den Mut in der  Krise, um zu sagen: es geht auch voran. Und als Software Branche müssen wir besonders viel tun, um diesen Mut voranzutreiben.“ Lieber, der selbst Eigentümer der IT-Unternehmen Sparx Services und LieberLieber Software ist, schildert auch seine eigenen Erfahrungen: „Wir sind stark international unterwegs, mit großen Kunden wie JPL/NASA und VW, die innovieren müssen. Andere Branchen sind sehr verhalten und vorsichtig, speziell im Consulting Business haben wir ganz sicher 200.000 Euro weniger Umsatz gemacht, im Lizenz-Geschäft ist es dafür eine Spur besser gewesen.“

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Peter Lieber, VÖSI- und ÖGV-Präsident: „Manche IT-Unternehmen profitieren überproportional, aber manche leiden auch mit.“

Lieber rechnet auch im kommenden Jahr mit einem Lockdown „wahrscheinlich im Februar“, die Vorgangsweise der Regierung kritisiert Lieber „eher panikgetrieben, das finde ich nicht sehr motivierend, da braucht es mutigere Schritte und Sichtweisen auf morgen oder übermorgen, damit wir eine neue Perspektive bekommen.“ Für die IT-Branche sieht Lieber „einen großen Bedarf an IT-Fachkräften, es fehlen über 15.000 IT-Fachkräfte, gleichzeitig sind viele Unternehmen nicht bereit, Ausbildungsverantwortung zu übernehmen oder Lehrlinge auszubilden“, bedauert Lieber. In Wien ist die Zahl der Lehrlinge in IT-Betrieben auf unter 700 gesunken. Mit dem VÖSI und dem ÖGV will Lieber hier gegensteuern. „Wir werden hier versuchen, die Unternehmen über Ausbildungsverbünde zu motivieren, auch Lehrlinge und im speziellen auch IT-Lehrlinge auszubilden.“ Im kommenden Jahr soll es wieder ein „Schüler-Sparring“ (Bewerbungstraining für Pflichtschulabgänger) im ÖGV geben, hier kommen Schülerinnen und Schüler mit potentiellen Lehrherren in Kontakt und lernen auch einiges über mögliche Lehrberufe.

Gute Zeiten für RZ-Anbieter und Cloud

Robert Pumsensberger, Geschäftsführer von conova, dem größten regionalen IT-Infrastrukturdienstleister für hochsicheren und performanten IT Betrieb in Salzburg, nimmt zunächst zur aktuellen Situation Stellung. „Homeoffice war sicher ein Beschleuniger der Digitalisierung, das haben wir bei vielen Kunden gesehen. Mit unserer Vision der managed hybrid Cloud treffen wir  ganz gut den Nerv der Zeit. Wir erleben bei den Kunden sehr stark folgenden Zwiespalt: Es gibt Unternehmen, die profitieren stark von der Corona-Krise und dann gibt es natürlich Branchen, zum Beispiel der Tourismus – und Salzburg ist stark geprägt vom Tourismus – die ganz besonders stark leiden. Viele Tourismusbetriebe zählen zu unseren Kunden und sind auch vom zweiten Lockdown „gebeutelt“. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Perspektive hinsichtlich der Maßnahmen ein bisschen länger ist als bis zum nächsten Freitag oder bis zur nächsten Pressekonferenz. Ich denke, da sind wir uns alle einig, dass auch das nächste Jahr sehr herausfordernd bleibt. Es ist daher entscheidend, dass den Unternehmen, die derzeit in Schwierigkeiten sind, entsprechend geholfen wird. Es geht darum, dass die Unternehmen auch im kommenden Jahr Investitionen in ihre IT-Infrastruktur tätigen – das wird 2021 sicher eine Herausforderung.“

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Robert Pumsenberger, conova: „Wir sehen, dass Georedundanz und Hochverfügbarkeit eine immer wichtigere Rolle spielen, auch im Zeitalter von Cloud.“

Rückblickend auf 2020 ist Pumsenberger zufrieden: „Wir sind im heurigen Jahr durch verschiedene Kundenprojekte gewachsen. Im Herbst 2019 haben wir ein neues Data Center in Hallein gebaut, das bereits von acht Kunden genutzt wird. Wir sehen, dass Georedundanz und Hochverfügbarkeit eine immer wichtigere Rolle spielen, auch im Zeitalter von Cloud. Wir propagieren da ganz stark, dass der Kunde sich aussuchen kann, wo er seine IT-Infrastruktur haben möchte. Wir beraten, welche IT-Architektur Sinn macht, das heißt Public Cloud, Managed Services oder doch eigenes Rechenzentrum, was ist da der beste Mix?“ Wir sehen, dass es immer wichtiger wird, dass die Cloud-Architektur gerade durch die Verlagerung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice immer wichtiger wird. Das Nadelöhr ist die Anbindung an die Public Cloud und stabile, starke Leitungen. Das garantieren wir durch entsprechende SLA. Den Unternehmen ist auch ein regionaler Ansprechpartner sehr wichtig.“

Herausforderung IT-Fachkräftemangel

Bei den Herausforderungen der Zukunft nennt auch Pumsenberger sofort den IT-Fachkräftemangel: „Bei uns in Westösterreich ist der Arbeitsmarkt komplett leer. Das heißt, man muss entweder Lehrlinge ausbilden – und wir machen das auch – oder man versucht, direkt von den HTLs und FHs Mitarbeiter zu rekrutieren. Das wird immer schwieriger, weil es auch in Salzburg einige gute IT-Unternehmen gibt. IT-Fachkräfte sind für den Wirtschaftsstandort Österreich ein ganz essentieller Faktor. Dieses Problem müssen wir in den nächsten ein, zwei Jahren dringend lösen, sonst wird es schwierig, Projekte zu realisieren. Dabei geht es allen unseren Kunden, Partnern und Mitbewerbern so. Da sitzen wir alle im gleichen Boot. Mindestens genauso wichtig wie die Arbeitskräfte in der Pflege sind die Fachkräfte im IT-Bereich.“

Reto Pazderka, Geschäftsführer von adesso Austria, ist der Meinung, dass die IT-Branche auch durchaus stolz auf sich sein kann: „Denn wir halten derzeit sehr viele Bälle in der Luft. Das macht es schwer, aber man darf jetzt keinen dieser Bälle fallen lassen. Wir in der IT dürfen uns glücklich schätzen. Denn es gibt Branchen, die wirklich leiden. Trotzdem ist unsere Erwartungshaltung, dass wir alle gut durch die Krise kommen – und ich glaube, dass wir als IT-Unternehmen einen guten Beitrag leisten können und das auch schon gemacht haben. Viele IT-Abteilungen und IT-Dienstleister haben bereits im März und April so manches Business gerettet, damit ist sicher das Selbstbewusstsein der IT-Branche erstarkt. Was da, auch in punkto IT-Infrastruktur und Verlagerung gelungen ist, war durchaus bemerkenswert.“ Für die IT-Branche selbst war die Umstellung schnell vollzogen, „Homeoffice war keine große Hürde für uns, weil unsere Mitarbeiter schon vorher flexibel gearbeitet haben: von zu Hause, beim Kunden vor Ort sowie im Büro“, stellt Pazderka fest.

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Reto Pazderka, adesso Austria: „wir halten derzeit sehr viele Bälle in der Luft. Das macht es schwer, aber man darf jetzt keinen dieser Bälle fallen lassen.“

Er gibt sich optimistisch und verweist auf die Mentalität der IT-Branche: „Wir sehen zuversichtlich in die Zukunft, das entspricht unserem Naturell. Wenn wir diese Zuversicht verlieren, haben wir das Spiel verloren. Wir sind ein IT-Dienstleister und unsere Kernkompetenzen liegen in der Beratung, in zukunftsfähigen Technologien und im umfangreichen Branchen-Know-how – wir „brennen“ für die Digitalisierung. Bei adesso sind wir sehr projektgetrieben. Es gilt: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Ich glaube allerdings, dass es 2021 schwerer werden wird, neue Projekte zu generieren. Denn laufende Projekte ins Homeoffice zu verlagern, war gut machbar, aber von zu Hause neue Projekte zu starten oder Kunden zu akquirieren, das ist schon eine größere Herausforderung. Für erfolgreiche Projekte ist auch der enge, persönliche Kontakt zu den Kunden wesentlich.“ adesso zählt zu den zwanzig größten IT-Dienstleistern in Deutschland, in Österreich wurde heuer trotz der Corona-Krise von 50 auf 70 Mitarbeiter expandiert.

Auf eigene Organisation und Team achten

Kundennähe ist sowohl im Projektgeschäft, in der Servicierung des laufenden Betriebs und im Vertrieb wichtig, wie auch der persönliche reale Kontakt, betont Peter Lenz, seit Anfang Jänner Managing Director der Region Alpine (Österreich und Schweiz) bei T-Systems mit rund 1.100 Mitarbeitern: „In den ersten Wochen der Krise hat es in punkto IT bei uns und unseren Kunden sehr gut geklappt. Der Sommer wurde bei vielen zur Erholung genutzt. Jetzt aber, mit der zweiten Welle, kommt der „organisatorische Kleber“ unter Druck. Wenn alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice sind, ist das, als hätten wir ein Heer von Freelancern. Die Frage die ich mir stelle ist, was macht eigentlich eine Organisation aus? Was ist es, mit dem sich unsere Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen identifizieren und sich zur T-Systems-Familie zugehörig fühlen? Wenn unsere Leute den ganzen Tag zu Hause vor dem Computer sitzen, geht leider im Moment sicher einiges des T-Systems-Spirits, der von so vielen schätzt wird, verloren. Als Unternehmen müssen wir dafür mehr Sorge tragen. Der persönliche Austausch findet ja im Büro nicht nur bei Meetings, sondern auch in der Kaffeeküche oder beim gemeinsamen Mittagessen statt. Das bedeutet, dass wir noch stärker an unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dran bleiben müssen.“

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Peter Lenz, T-Systems zur Home Office Situation: „Die Frage die ich mir stelle ist, was macht eigentlich eine Organisation aus?“

Beim Umsatz ist T-Systems trotz Corona-Krise auf Plan. Lenz sieht positiv ins nächste Jahr und zitiert IV-Chefökonom Christian Helmenstein, „der unlängst von einem Digitalisierungs-Boost gesprochen hat, den wir vor allem in der Dienstleistungsbranche erleben werden. Gerade in diesem Bereich erwarten wir viele neue Themen und Projekte, was wir auch in unserer Planung entsprechend berücksichtigt haben. Der Markt ist vorhanden und auch der Kuchen wird größer. Stichwort Cyber Security: Wir sehen derzeit eine überaus große Anzahl an Verschlüsselungsaktionen bei Unternehmen. Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendein größeres Unternehmen in Österreich angegriffen wird.“ Sein Rat an Unternehmen lautet: „Sprechen Sie mit dem Dienstleister Ihres Vertrauens, ob Ihr Unternehmen für den Fall des Falles auch entsprechend vorbereitet und geschützt ist.“ Zum Arbeitskräftemangel meint der T-Systems-Chef: „Wir haben in der Schweiz das österreichische Szenario mal zwei. Das bedeutet in der Schweiz fehlen rund 30.000 IT-Fachkräfte.“

Andreas Hajek, Verkaufsleiter IT-Infrastruktur bei Rittal, sieht es so: „Bis zu einem gewissen Grad ist die IT-Industrie auf die Butterseite gefallen, es kommt aber darauf an, von welchem Ausschnitt des Business man es betrachtet. Wir sind als Dienstleister sehr projektgetrieben, aber stark an der Basis der IT-Infrastruktur, und diese wächst nicht so massiv. Der Trend geht klar zu einer immer höheren Leistung auf immer weniger Platz, auch in den Rechenzentren. Im Rittal-Kernbusiness Schaltschränke und Anlagenbau haben wir bereits sehr hohe Marktanteile, aber die Bereiche Energie, Kühlung und Klimatisierung, innovative Technologien wie OCP und der physikalische Anteil der Security – denn Security muss ja ganzheitlich betrachtet werden – hier sehen wir hohe Wachstumspotenziale. Da gibt es auch viele Projekte.“

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Andreas Hajek, Rittal: „Auf lokaler Ebene, dem österreichischen KMU-Markt, verspüren wir aufgrund der Krise eine Zurückhaltung – mit einem leichten Gegensteuern durch die Investitionsprämie.“

Zur Corona-Krise bemerkt Hajek: „Natürlich haben wir die Krise gespürt, wir sind ja auch etwas von der Automotive Industrie abhängig und der Anlagenbau ist zudem sehr projektgetrieben. Aber wir garantierten die Versorgungssicherheit für unsere Kunden mit unseren Produkten. In unserer Business Unit IT lief es wiederum sehr unterschiedlich: Global begleiten wir die Expansion der großen und größten Kunden und Konzerne sowie der Hyperscaler, hier ist das Wachstum auch sehr stark Cloud-getrieben. Auf lokaler Ebene, dem österreichischen KMU-Markt, verspüren wir aufgrund der Krise eine Zurückhaltung – mit einem leichten Gegensteuern durch die Investitionsprämie. Aber viele Leute vermissen sehr stark die notwendige Planungssicherheit.“

Einen etwas anderen Zugang bringt Jens Krüger, CTO EMEA bei Workday, live und virtuell zugeschalten aus Berlin, in die Diskussion mit ein. Workday ist Anbieter von Enterprise-Cloud-Anwendungen für den Bereich Finanzmanagement, Personalwesen, Planung, Spend Management und Analyse.

„Themen wie Cloud, Flexibilität und Mobilität stehen seit einigen Jahren auf der Agenda. Viele der Themen, die ich jetzt gehört habe, wie Homeoffice oder die Belastbarkeit von Firmen-Infrastrukturen bzw. die Reaktionsfähigkeit von Unternehmen, begleiten uns seit Jahren. Unsere Lösung ist von Grund auf vom Service-Gedanken her konzipiert. Und Services für HR- oder Finance-Lösungen sind genau jene, die aktuell in den Fokus rücken. Es vollzieht sich in der Arbeitswelt ein Paradigmenwechsel – der Mensch steht jetzt im Mittelpunkt. Es wird viel mehr Augenmerk darauf gelegt, die Fähigkeiten der Mitarbeiter weiterzuentwickeln und ihnen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, die intelligent und flexibel ausgestaltet sind. Das sind Themen, die wir exakt mit unseren Lösungen abdecken können.“

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Jens Krüger, Workday: „Es vollzieht sich in der Arbeitswelt ein Paradigmenwechsel – der Mensch steht jetzt im Mittelpunkt.“ (c) Workday

Zur Corona-Pandemie meint Krüger: „Viele Unternehmen haben jetzt realisiert, dass sich diese Krisen-Situation nicht so schnell ändern wird und man heute sehr schnell auf unerwartete Ereignisse reagieren können muss. Dafür braucht es eine Digitalisierungsstrategie. Die Migration in die Cloud ist ein wichtiger Baustein, um Prozesse, Planungsziele und Strukturen schnell anpassen und dann auch realisieren zu können.“ Krügers persönliche Sicht: „Wenn man jetzt hört, dass es bald einen Impfstoff gegen Corona gibt, da geht mir das Herz auf. Denn wir brauchen eine Vision vor Augen, so etwas wie einen Silberstreif am Horizont, der uns vermittelt, dass es wieder besser wird.“

Ebenfalls live virtuell zugeschaltet ist Johannes Kreiner, Österreich-Geschäftsführer von Sage. In Österreich ist das Unternehmen mit Sage DPW auf den HR-Markt fokussiert. Die Sage DPW-Software ist bei über 1.000 mitteständischen bis großen Kunden implementiert. Auch Kreiner schildert seine Erfahrungen aus der Krisenzeit: „Unsere Software ist bei Unternehmen ab 100 Mitarbeitern im Einsatz, unser größter Kunde hat 45.000 Dienstnehmer. Die Situation war nach dem Lockdown sehr herausfordernd, da es viel Unsicherheit und offene Fragen gab – auch in punkto Kurzarbeit. Hinzu kam, dass mit Beginn der Corona-Krise für viele unserer Kunden schwer absehbar wurde, wie sich das eigene Geschäft weiterentwickeln wird. Ein Großteil unserer Kapazitäten ist zu Beginn der Pandemie in die Aktualisierung unserer Software geflossen, damit sämtliche Regelungen zur Kurzarbeit in den HR-Systemen der Betriebe, die unsere Software im Einsatz haben, auch zuverlässig abgebildet werden konnten. Ich war persönlich mit den zuständigen Bundesbehörden in Kontakt, um festzustellen, was wir alles zur Verfügung stellen müssen, damit Anwender unserer Lösungen, darunter systemrelevante Unternehmen, ihre Leistungen und Services fortführen können. Durch diese herausfordernde Zeit im Frühjahr 2020 sind wir mit vielen Kunden in eine noch engere Partnerschaft gelangt.“

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Johannes Kreiner, Sage DPW: „Was die Partnerschaft mit unseren Kunden anbelangt, so haben wir durch die Covid-19-Krise spürbar hinzugewonnen.“ (c) Sage DPW

Sein Fazit zu den letzten Monaten: „Was die Partnerschaft mit unseren Kunden anbelangt, so haben wir durch die Covid-19-Krise spürbar hinzugewonnen. Wir haben zusammen schwierige Situationen gemeistert und sind weiter dabei, kommende Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Wir bei Sage DPW sehen dies auch als gute Chance, die Unternehmen bei der Hand zu nehmen und noch mehr in Richtung Digitalisierung zu führen.“

In Richtung der Rechenzentrumsbetreiber merkt Kreiner an: „Es gibt nach wie vor Unternehmen, die eine schlechte IT-Infrastruktur haben. Wir haben etwa Kunden, die über keine ausreichend starke Internet-Verbindung verfügen, weil sie ihre Betriebe am Land oder in Tälern haben. Besonders für solche Betriebe ist es wichtig, dass der Ausbau der IT-Infrastruktur mit hoher Priorität verfolgt wird.“

Auch zur Investitionsprämie nimmt der Sage-Geschäftsführer Stellung: „Wir haben mit einigen Unternehmen HR-Projekte gestartet. Sage DPW ist auch als SaaS- bzw. Cloud-Lösung verfügbar. Leider greift hier die staatliche Förderung nur sehr bedingt, weil die Investitionsprämie On-Premise-Lizenz-Käufe fokussiert. Unsere Hoffnung ist vor diesem Hintergrund, dass SaaS-Lösungen und Cloud-basierte Systeme noch stärker in das politische und gesamtgesellschaftliche Bewusstsein rücken, damit auch diese Form von Software-Architekturen stärker mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden können.“

Kreiner greift auch den Gedanken von Peter Lenz auf: „Wir sind seit 13. März alle im Homeoffice. Das führte auch zu wichtigen Fragen, die die Unternehmenskultur, das Recruiting und die Mitarbeiterführung betreffen. Für mich als Führungskraft stellt sich in diesem Zusammenhang eine Kernherausforderung: Wie schaffe ich es, dass angesichts einer derartigen Situation, mein Unternehmen seine Corporate Identity nicht verliert? Denn Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Wir sind also dazu aufgerufen, eine neue Unternehmenskultur zu entwickeln, die dieser neuen Zeit entspricht und auch Antworten hat auf die Fragestellungen und Herausforderungen dieser neuen Zeit. Das ist für mich eine der größten internen Herausforderungen für 2021.“

Blick in die Glaskugel: Technologie Trends

Die großen Marktforscher Gartner und IDC haben bereits ihre IT-Trend-Prognosen für 2021 abgegeben. Zu den Technologie Trends befragt, werden von den IT-Executives im COMPUTERWELT Talk die großen Schlagworte Digitalisierung, Cloud und Künstliche Intelligenz, aber auch Cyber Security und Edge Computing genannt – Voraussetzung für die Umsetzung sind mehr Engagement und Maßnahmen für Bildung/Ausbildung, um auch den IT-Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.

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IT-Executive Outlook 2021 im Palais Eschenbach mit (v.l.): Reto Pazderka, Robert Pumsenberger, Christine Wahlmüller, Peter Lieber, Andreas Hajek und Peter Lenz. Virtuell zugeschalten waren außerdem Johannes Kreiner und Jens Krüger.

Peter Lieber meint etwa: „Digitalisierung ist notwendig, das ist klar, aber es ist kein Projekt, sondern eine Reise, die uns ständig begleiten wird. Insgesamt geht es um die Digitalisierung der Prozesse und das Überdenken von Dingen, ob das, was man tut, richtig ist. Oder dann eben Dinge neu zu denken. Meine Vision ist: der starke Glaube an etwas, das man gemeinsam erreichen kann, das macht eine Organisation aus, das ist der Kleber, der schon erwähnt worden ist. Künstliche Intelligenz und Cloud sind für mich Hilfsmittel. Und bei KI muss man zwischen Statistik, Machine Learning und tatsächlicher KI, die Selbsterkenntnis hat, wo wir noch ein Stück weit zu gehen haben, unterscheiden. Heute kann KI nichts anderes als Maschinen Daten auszuwerten und zu automatisieren. Bei der Cloud-Thematik glaube ich an Hybrid-Szenarien. Beim Thema Cyber Security stehen wir vor einer Riesen-Kultur-Veränderung. Es reicht sicher nicht, im Nachhinein etwas sicherer zu machen, wenn es nicht von Vornherein so konzipiert, dass es überhaupt sicher werden kann. Und wenn beim Thema Embedded Devices und IoT nicht von Anfang an Security By Design betrieben wird, dann wird das immer eine Krücke bleiben. Hier hat Europa übrigens eine gute Chance, international zu reüssieren und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Europa sollte da auch mehr gemeinsam agieren.“

Andreas Hajek sieht die zentrale Herausforderung im Bereich Bildung: „Technologisch hat sich nicht so viel getan, und es wird sich auch im nächsten Jahr nicht so viel tun. Aber wir kommen immer wieder auf das gleiche Kernthema, und das ist Bildung. Jeder beklagt den Fachkräftemangel – aber es hat sich aus meiner Sicht in den letzten zehn Jahren dazu nicht viel getan. Die Frage ist: Warum geht das in Skandinavien und warum funktioniert das bei uns nicht? Das ist ja auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit von Österreich auf europäischer Ebene – und hier sehe ich ein bisschen unsere Felle davonschwimmen.“

Peter Lieber sieht es als strukturelles Problem: „Wir haben in Österreich eine Spaltung zwischen Wirtschaftsministerium und Unterrichtsministerium.“ Es gehe auch um die Unterscheidung zwischen Bildung und Ausbildung und einmal zu definieren, welche Anforderungen es denn gibt, und wie das Problem dann gelöst werden kann. „Aus meiner Sicht sollte Bildungs- und Ausbildungs-Verantwortung ein bisschen vereint werden“, so Lieber. Apropos Engagement der Wirtschaft: Vor 100 Jahren hat der Gewerbeverein mit dem TGM in Wien (Technologisches Gewerbemuseum) eine eigene Schule gegründet, um selbst für Ausbildung von Technikern zu sorgen, erzählt der ÖGV- und VÖSI-Präsident.

Mehr Bildung und Ausbildung notwendig

Johannes Kreiner fügt hinzu: „Es muss eine Kombination aus dem sein, was der Staat leistet, aber auch die Unternehmen müssen selbst etwas dazu tun. Wir bei Sage DPW unterstützen beispielsweise das DaVinci Lab. Das ist eine Initiative aus Wien, die Kindern das Thema Digitalisierung nahebringt.“

Auch Jens Krüger trägt zur Bildungsdiskussion noch aus HR-Perspektive bei: „Es geht in den Unternehmen jetzt um Reskilling, das bedeutet, dass die Mitarbeiter Zugang zu Weiterbildung haben, um ihre Fähigkeiten zu verbessern und sie fit für die Digitalisierung zu machen.“ Dafür brauche man ein modernes HR-System und zugleich gehe es auch im HR-Bereich um mehr IT-Know-how, betont der Workday-Manager, um zum Beispiel flexibel den Mitarbeitern zusätzliche Elternzeit für zwei Wochen im System zu hinterlegen, „das umzusetzen dauert in klassischen IT-Systemen wochenlang. Ein Ansatz ist: Das sollte jeder Personalverantwortliche selbst einrichten können. Es gibt vieles, was im HR-Bereich digital und mobil bereits eingereicht werden kann: Urlaubsanträge oder Krankmeldungen sind Beispiele, die die Abläufe in den letzten Monaten wesentlich vereinfacht haben. Der Nutzer-Fokus wird auch von Gartner und IDC explizit als Trend genannt.“

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IT-Executive Outlook 2021: Technologie-Trends aber auch Unternehmenskultur und IT-Fachkräftemangel waren die große Themen.

Hier knüpft Robert Pumsenberger an: „Wir reden alle von Customer Experience Management. Jeder Kunde muss sich wohlfühlen und personalisiert angesprochen werden, und mit Internet of Behaviour müssen seine nächsten Aktivitäten vorausgesehen werden. Auf der anderen Seite arbeiten wir alle im Homeoffice, da geht sehr viel von dem Wir-Gefühl verloren. Heute ist das Verbindende das Computer-Netzwerk, was früher das Firmengebäude war. Ich denke daher, es müsste da viel mehr an Employer Experience Management gedacht werden. Wir investieren da im Moment sehr viel. Mir ist es persönlich sehr wichtig, zu wissen, wie es den Mitarbeitern geht und wie wir sie erreichen. Also wie erhalten wir das WIR Gefühl auch über die Distanz hinweg“ Man kann hier auch viel tun, mit Incentives, Paketen, die nach Hause geschickt werden, mit Einladungen und dem virtuellen Bier nach der Arbeit. Auch  das Angebot, Mitarbeitern mit kleinen Kindern und kleiner Wohnung entweder die Möglichkeit zu geben, im Büro arbeiten zu können oder ihnen einen Nachmittag Hoteloffice zu zahlen. Innovative Salzburger Hotels bieten z.B. so etwas an.“ Große Veränderungen sieht Pumsenberger auch im Handel kommen: „Im Retail wird beim Point of Sale viel mehr digitalisiert werden. Der persönliche Kontakt wird noch weniger werden, aus der Not heraus wird sich da im nächsten Jahr ganz viel ändern.“

Unternehmenskultur und Mitarbeiter im Blick

Peter Lenz sieht neben den HR-Abteilungen auch die Führungskräfte gefordert: „Wir arbeiten daran unsere Führungskräfte noch mehr zu sensibilisieren. Wir haben uns intern intensiv mit folgender Frage beschäftigt: Was brauchen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt? Das sind genau die Dinge, die schon vor Corona gegolten haben: Anerkennung, Wertschätzung, Sicherheit und Nähe – all das ist jetzt noch wichtiger und muss wesentlich stärker gelebt werden.“ Zum Thema Infrastruktur und Cloud meint Lenz: „Ich sehe hybride Szenarien und auch Potential für lokale Datacenter. Viele Unternehmen möchten, dass ihre Daten in Österreich bleiben, das betrifft vor allem den öffentlichen Bereich. Der Daten-Nationalismus ist jedoch in der Schweiz fast noch stärker ausgeprägt als in Österreich.“ Auf die Frage nach aktuellen KI und IoT-Projekten meint Lenz: „Wirklich große IoT Projekte habe ich in Österreich noch nicht gesehen, aber ich weiß, dass österreichische Unternehmen auf einem immensen Datenschatz sitzen – hier sind wir gefordert, die Modelle und Ideen zu liefern. Wir werden, sobald persönliche Treffen möglich sind, auch wieder Co-Creation nutzen, um gemeinsam mit unseren Kunden an diesen Themen zu arbeiten, Dabei wird auch Edge Computing ein Thema sein, um die Daten zu verarbeiten.“

Edge Computing ist ein wichtiger Trend, bestätigt auch Andreas Hajek „wir beschäftigen uns bei Rittal schon seit vielen Jahren damit. Neben den zentralen Cloud-Einheiten als Kern braucht es auch das Thema Edge und der Dezentralisierung der Cloud, das ist definitiv eines der wichtigen Zukunftsthemen. Wir sind ja auch Gründungsmitglied der GAIA-X Initiative und haben da schon Use Cases und eigene Erfahrungen. In unserer neusten Smart Factory in Haiger, die Kompaktschränke und Kleingehäuse produziert, erzeugen wir pro Tag übrigens 18 TB an Sensordaten, die wir verarbeiten wollen, um daraus Wertschöpfung zu generieren. Im Rahmen der GAIA-X-Initiative, die sehr wichtig für Europa und die Unternehmen ist, wollen wir sicherstellen, dass diese Wertschöpfung unter Wahrung von Datensicherheit und Datensouveränität geschieht. Es geht hier auch um die Bildung eines Frameworks, das weit über einzelne Unternehmensgrenzen hinausgeht.“

T-Systems ist ebenfalls Mitglied der GAIA-X-Initiative. Peter Lenz nennt auch die Ö-Cloud-Initiative, „hier sind alle dabei, die Rang und Namen haben. Das ist eine gute Initiative der Frau Ministerin Schramböck.“

Reto Pazederka meint abschließend: „Ich habe eingangs gesagt, es sind viele Bälle in der Luft, aber manche sind Medizinbälle, wenn ich mir etwa das Thema Bildung anschaue. Betrachtet man die technologische Entwicklung, so sieht man bis weit in die 2000er Jahre hinein eine Erwartungshaltung an die IT und eine Leistungsfähigkeit der IT, die relativ knapp beieinander lagen. Seit 2008 beginnt sich das zu ändern. Seither gehen die Technologie-Möglichkeiten steil nach oben. Einige Stichworte sind Mobilität, Cloud und Künstliche Intelligenz. Aber die Frage ist: Wie kann sich der Kunde in dieser Welt von Möglichkeiten orientieren, und was bringt sein Business tatsächlich weiter? Wir bei adesso widmen uns intensiv dem Thema KI. Gleichzeitig sagen wir: KI ist kein Zauberstab, sondern ein Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten. Und da gibt es auch andere Werkzeuge. Zum Thema KI haben wir deshalb ein Buch mit dem Titel „KI verändert die Spielregeln“ geschrieben. In diesem Buch geht es um die Frage: Wo ist der Anwendungsfall und wo ist der Use Case, den ich mit KI-Methoden erfolgreich umsetzen kann. Das erfordert von Kundenseite auch Innovationsbereitschaft und ein wenig Mut zum Risiko.“ Pazderka rät den Unternehmen jedenfalls, sich jetzt mit dem Thema KI und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten zu beschäftigen.

Alle Teilnehmer auf einen Blick (alphabetisch)

  • Mag. Andreas Hajek, Verkaufsleiter IT Infrastruktur, Rittal
  • Johannes Kreiner, Geschäftsführer, Sage DPW
  • Dr. Jens Krüger, Chief Technology Officer (CTO) EMEA, Workday
  • Peter Lenz, Managing Director T-Systems Region Alpine
  • Peter Lieber, Eigentümer Sparx Services und LieberLieber Software, Präsident des VÖSI und des ÖGV
  • DI Reto Pazderka, Geschäftsführer, adesso Austria
  • DI Robert Pumsenberger, Geschäftsführer conova communications
  • Moderation: Dr. Christine Wahlmüller-Schiller, COMPUTERWELT

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