ITWelt-Roundtable ERP & CRM: Zukunftsfit in Krisenzeiten

Klimawandel, Energieknappheit, Inflation und der stets akute Fachkräftemangel fordern heimische Unternehmen. Wie sie diese Krisen mit ERP- und CRM-Systemen unterstützt durch Cloud und KI bewältigen, diskutierten Experten im Roundtable von ITWelt.at. [...]

v.l.n.r.: Thorsten Menslin (Kreuzbauer IT), Otmar Zewald (proALPHA), Friedrich Woltran (All for one Customer Experience), Helmut Rabanser (KUMAVISION), Wolfgang Theiner (COSM= CONSULT), Stefan Wailand (Datenpol), Oliver Witvoet (Easyconsult), Klaus Lorbeer (IT Welt). (c) timline/Rudi Handl
v.l.n.r.: Thorsten Menslin (Kreuzbauer IT), Otmar Zewald (proALPHA), Friedrich Woltran (All for one Customer Experience), Helmut Rabanser (KUMAVISION), Wolfgang Theiner (COSM= CONSULT), Stefan Wailand (Datenpol), Oliver Witvoet (Easyconsult), Klaus Lorbeer (IT Welt). (c) timline/Rudi Handl

Es sind viele Krisen, denen sich Unternehmen gegenwärtig gegenübersehen und die in unserer vernetzten Welt gleichzeitig auf die Betriebe einwirken. Um unbeschadet durch durch diese Herausforderungen zu kommen und die Resilienz eines Unternehmens zu erhöhen sowie möglichst gleichzeitig das Geschäft weiter auszubauen, bedarf es geeigneter Strategien und Digitalisierungsinitiativen. Wesentliche Pfeiler für die Transformation eines Unternehmens bilden ERP- (Enterprise Ressource Planning) und CRM-Systeme (Customer Relation Management). Was hierbei zu beachten ist, diskutierten im Roundtable von ITWelt.at in den Räumlichkeiten des Wiener Büros von Easyconsult Gastgeber und Geschäftsführer von Easyconsult, Oliver Witvoet, Stefan Wailand, Geschäftsführer von Datenpol, Wolfgang Theiner, kaufmännischer Geschäftsführer von Cosmo Consult, remote zugeschaltet aus Vorarlberg Helmut Rabanser, Geschäftsführer Kumavision, Friedrich Woltran, Head of Customer Care bei All for One Customer Experience, Otmar Zewald, Head of Product Management bei proALPHA und Thorsten Menslin, Chief Operating Officer und Prokurist bei Kreuzbauer IT.

„Bei der Digitalisierung achten wir intensiv mit unseren Kunden darauf, diese Reise nur mit einem begleitenden Change Management zu betreiben. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen und sowohl die Kollegenschaft als auch die Kunden vom Nutzen der Veränderungen zu überzeugen.“

Friedrich Woltran, Head of Customer Care, All for One Customer Experience
(c) timeline/Rudi Handl

Digitalisierung ist das Gebot der Stunde

Es ist keine Frage, die Corona-Pandemie hat die digitale Transformation beschleunigt. Viele Möglichkeiten wie Home Office, Meetings via Videokonferenzen, ein starker Trend in Richtung mobile Computing und Cloud sind gekommen, um zu bleiben. Einen kleinen Einblick in die Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsbestrebungen heimischer Unternehmen bietet die im Oktober 2023 veröffentlichte elfte Global Family Business Survey von PwC.Demnach hat für knapp zwei Drittel (62 Prozent) der Familienunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz der Ausbau der digitalen Kompetenzen höchste Priorität. Alle Teilnehmer des Roundtable erachten diese Zahl als überraschend niedrig – im Kontakt mit ihren vorhandenen und potenziellen Kunden erleben sie wesentlich mehr Engagement für dieses Thema. Oliver Witvoet von Easyconsult sieht „den Push, den die Pandemie der Digitalisierung gegeben hat als nach wie vor vorhanden.“ Die letzten Jahre seien für die meisten Unternehmen gute Jahre gewesen, konstatiert er, die gegenwärtige Situation sorge jedoch – in manchen Branchen mehr in anderen weniger – für eine große Unsicherheit. Deswegen beobachtet der Easyconsult-Chef, dass viele Betriebe Geld in die Hand nehmen würden, um sich resilienter aufzustellen – eine sinnvolle und notwendige Maßnahme, wie er findet. 

„Wir haben Test Drives, wo man mit überschaubaren Investitionen ein Problem in Angriff nehmen kann. Denn es hat keinen Sinn, alles auf einmal anzugehen. Wir erkunden, wo es am sinnvollsten ist zu beginnen und fangen mit EINER Herausforderung an. Diese lösen wir.“

Oliver Witvoet, 
Geschäftsführer Easyconsult
(c) timeline/Rudi Handl

Stefan Wailand von Datenpol merkt an, dass 62 Prozent jedenfalls die Mehrheit sei und das wäre schon einmal positiv. Insbesondere bei Familienunternehmen sieht Wailand die Herausforderung darin, „die erfolgreiche Tradition beizubehalten, aber gleichzeitig mit der Digitalisierung auch neue Wege denken zu müssen.“ Deswegen empfiehlt der Datapol-Chef erfolgreiche analoge Prozesse nicht eins zu eins digital abzubilden, „da Digitalisierung ein Ändern der Gewohnheiten, ein Ändern des bestehenden Prozesses ist. Darum muss man Prozesse in der digitalen Welt anders denken, als sie erfolgreich in der analogen Welt stattfinden.“ Es gehe hier um einen Mindset-Wechsel, der aber nicht von heute auf morgen umzusetzen sei. Neue Generationen hätten hier die Chance, Tradition erfolgreich in neuen digitalen Prozessen weiterzuführen, sieht Wailand durchaus transformatives Potential auch bei familiengeführten Familienbetrieben.

„Wir haben Datenschätze in diesen familien-geführten Unternehmen. Die sind zu heben und zu veredeln, damit ich KI überhaupt damit betreiben kann. Wir als Digitalisierungsunterstützer brauchen sortierte Daten, mit denen wir schnell saubere Projekte umsetzen können. Wenn wir das nicht haben, stoppt jedes Projekt.“

Thorsten Menslin, Chief Operating Officer,
Kreuzbauer IT-GmbH
(c) timeline/Rudi Handl

Wolfgang Theiner von Cosmo Consult sieht das ähnlich: „Gerade im Mittelstand gibt es sehr viele eigentümergeführte Unternehmen, bei denen der Spagat bewältigt werden muss zwischen Traditionsunternehmen, das es vielleicht seit 100 Jahren gibt, und sich fit machen für die Zukunft. Schafft man das nicht, ist man weg vom Markt, und wird vom Mitbewerb überholt.“ Schaffen könne man das nur mit Digitalisierung. Theiner merkt deshalb auch einen großen Hunger der Betriebe „nach Digitalisierung, nach neuen Technologien und wie sie Lieferketten besser steuern können“.

Hinzu komme der stattfindende Genrationen wechsel, wirft Helmut Rabanser von Kumavision ein: „Die Jungen wollen natürlich mit neuen Lösungen arbeiten. Sie haben ein anderes Verständnis der Digitalisierung.“

„Im unternehmerischen Kontext lege ich Wert darauf, die einfache Nutzbarkeit der künstlichen Intelligenz in den Vordergrund zu stellen und rate jedem Unternehmer daher Folgendes: Probieren statt philosophieren.“

Stefan Wailand, 
Geschäftsführer Datenpol
(c) timeline/Rudi Handl

Friedrich Woltran beobachtet, dass sich mittlerweile die Kunden dem Digitalisierungsthema strategisch näherten. Das sei auch durch eine sich verändernde wirtschaftliche Situation und durch strengere Regularien, etwa bei der Datensicherheit, ein Muss, ist Woltran überzeugt. 

Gleichzeitig wollen die Unternehmen den Anschluss in Sachen KI und Machine Learning nicht verlieren. Deswegen achte All for one Customer Experience gemeinsam mit den Kunden „intensiv darauf, diese Transformationsreise nur mit einem begleitenden Change Management zu betreiben“, so Woltran. Es gehe schließlich darum, Vertrauen zu schaffen und sowohl die Kollegenschaft als auch die Kunden vom Nutzen der Veränderungen zu überzeugen.

Otmar Zewald beschreibt die gegenwärtige Ausgangslage vieler Unternehmen in Österreich aus Sicht von proALPHA. Man habe viele Maschinenbauer als Kunden, die nach wie vor zwanzig- oder gar fünfundzwanzig Jahre alte ERP-Systeme im Einsatz hätten. Deren Kunden würden jetzt gerne auf ein Mietmodell umstellen, das aber von diesen alten Versionen nicht unterstützt wird. Man brauche also neue Versionen der Produkte, so Zewald. Wird jedoch eine Maschine als Mietmodell angeboten, ist der Hersteller für die Wartung verantwortlich. Mittels Internet-of-Things-Technologie erhält man aktuelle Daten aus der Maschine und kann diese nutzen, um sie remote zu warten. Dies könne sowohl proaktiv als auch reaktiv erfolgen, so Zewald, der deswegen hier viele neue Technologiechancen als auch neue digitale Geschäftsmodelle sieht, „vor allem außerhalb der Fabriktore“. Diese würden noch durch viele hinzukommende Anforderungen der Behörden, etwa im Bereich Datensicherheit oder Rechnungswesen , dazu führen „dass die Kunden einfach weiter digitalisieren müssen.“

„Die meisten Unternehmen haben schon seit über 20 Jahren Daten. Diese wurden in der Vergangenheit oft nicht ausgewertet. Und ich glaube, KI ist eine Chance, um diese schon lange vorhanden Daten gut auszuwerten und dann die Prozesse weiter zu automatisieren.“

Otmar Zewald, 
Head of Product Management, ProALPHA
(c) timeline/Rudi Handl

Für Thorsten Menslin von Kreuzbauer IT sind es vor allem drei Themen, denen sich Industrieunternehmen stellen müssen: Resilienz, neue Geschäftsmodelle und staatliche als auch zwischenstaatliche gesetzliche Anforderungen. „Es geht eben nicht mehr um alte, herkömmliche Modelle, bei denen im Prinzip eine Maschine verkauft wird, sondern um neue Service-Modelle, wir nennen das Servitisation; die Geschäftsmodelle gehen also in den Servicebereich hinein“, konkretisiert Menslin. Dafür brauche es wiederum resiliente, flexible ERP-Systeme – „Resilienz ist für mich auch Flexibilität“ –, die sich schnell anpassen können. Das bedeute, so der Kreuzbauer-COO: „Man verkauft keine Maschinen mehr, man verkauft Services, man verkauft quasi die Arbeitsstunden der Maschine. Oder anders gesagt: man verkauft keine Beleuchtung mehr, man verkauft Lichtstunden.“ Das müsse ein ERP-System heute gewährleisten können – inklusive einer offenen Anbindung für sich ständig ändernde staatliche Anforderungen.

Künstliche Intelligenz ist nicht mehr wegzudenken

Im Bereich der KI wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt, und diese Technologie ist ein probates Mittel, Arbeitsabläufe zu erleichtern und zu beschleunigen – darin stimmen alle Diskutanten überein. Oliver Witvoet verweist auf Untersuchungen, nach denen 80 Prozent der Tätigkeiten, die eine spezialisierte Fachkraft im Customer Service verrichtet, auch weniger spezialisierte Mitarbeiter machen könnten. Easyconsult setzt hier bei Anfragen, die bei ihren Kunden auf den unterschiedlichen Kanälen hereinkommen, auf künstliche Intelligenz, die diese Anfragen an die geeignetsten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leitet, „so dass die hochspezialisierten Kräfte möglichst nur das machen, was diese Spezialisierung auch erfordert.“ Damit werde die Effizienz wesentlich gesteigert, weiß Witvoet. Auch beim Self-Service sei die KI eine große Hilfe. Heutige KI-gestützte Bots unterschieden sich dramatisch in ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem Nutzen von früheren Bots. 

Dank KI könne man die Automatisierung „etwas weiterdenken und auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken“, pflichtet Friedrich Woltran bei. Er nennt das Beispiel eines Außendienstmitarbeiters, der für die Servicierung einer Maschine zuständig ist. Dieser bestückt in der Früh sein Fahrzeug mit den entsprechenden vom ERP-System bereitgestellten Ersatzteilen, wird vom Routenplaner effizient – und damit nachhaltig – von einem Kunden zum nächsten geführt, hat vor Ort bereits sehr viel benötigte Basisinformation im Zugriff und weiß dank KI nicht nur, was an dem Gerät fehlerhaft ist, sondern etwa auch, wo das Gerät im Gebäude steht, wer die Ansprechpartner im Unternehmen sind und dergleichen mehr. Woltran: „Wer so einen vollständigen 360-Grad-Blick mit all dieser Information hat, der weit über die Maschine und die Fehlerbehebung hinausgeht, der zeigt natürlich enorme Kompetenz.“

„Dem Unternehmer ist es egal, wie wir ein Problem lösen, damit die Mitarbeitenden einfacher Ergebnisse erzielen. Hier sind wir gefordert, das so zu gestalten, dass die Anwender die Komplexität in der Technologie nicht zu sehen bekommen, sondern vielmehr ein komfortables Arbeiten mit dem jeweiligen Tool erleben.“

Wolfgang Theiner, 
kaufmännischer Geschäftsführer,
COSMO CONSULT
(c) timeline/Rudi Handl

Kumavision profitiert als Microsoft-Partner natürlich vom hohen Engagement und den Forschungen im KI-Bereich des amerikanischen Softwarehauses, die künftig auch in ERP- und CRM-Lösungen integriert werden, beschreibt Helmut Rabanser den Zugang seines Unternehmens zum Thema KI. Ein Einsatzbereich sei etwa die Qualitätskontrolle, wo eine eine KI, die mit Millionen von Daten trainiert wurde, sich viel leichter tue, Fehler, auch kleine Fehler zu erkennen und aufzuzeigen. Danach könne der Mensch in die weitere Bearbeitung einsteigen. Rabanser: „Dort, wo es um Details und Prüfungen geht, bringt die KI sehr großen Nutzen und kann den Mitarbeitern mühsame Arbeit abnehmen. Nach der Prüfung durch die KI können sich Spezialisten um die wirklichen Probleme kümmern und diese Themen dann tatsächlich lösen.“

Stefan Wailand sieht das genauso und nennt ein Beispiel aus dem Rechnungswesen: „Das Verarbeiten von Eingangsrechnungen ist zumindest zu 90 Prozent ein Routineprozess, der von der künstlichen Intelligenz effizienter, schneller und genauer abgewickelt werden kann als von einem kreativen Menschen. Das bedeutet für den Menschen, dass er nun Zeit hat, sich neuen Fragestellungen zu widmen, worin wiederum die künstliche Intelligenz sehr schlecht ist.“ Dabei befinde sich man im Bereich KI erst ganz am Anfang der Entwicklung, ist sich Wailand sicher.

„Bei Routinetätigkeiten, wo es um Details und Prüfungen geht, bringt künstliche Intelligenz sehr großen Nutzen und kann natürlich den Mitarbeitern mühsame Arbeit abnehmen. Danach kümmern sich Spezialisten um die wirklichen Probleme und lösen diese dann.“

Helmut Rabanser, 
Geschäftsführer KUMAVISION
(c) KUMAVISION

Dem pflichtet Wolfgang Theiner bei und verweist auf den Chefentwickler von Open AI, der von der allgemeinen Begeisterung für ChatGPT sehr überrascht war, weil das, was wir jetzt sehen, nur ein klitzekleiner Teil der Möglichkeiten ist, zu denen KI fähig sei. Jedoch, fügt Theiner hinzu, „muss man schon sagen: nur weil es KI gibt und sich jetzt dank ChatgGPT eine sehr große Öffentlichkeit dafür interessiert, entbindet das den Kunden nicht davon, seine Hausaufgaben zu machen.“ Man müsse die Qualität der Daten in Ordnung bringen, so dass die KI damit etwas anfangen kann. Man müsse den Mitarbeitern klar kommunizieren, dass die KI nicht dazu da sei, sie zu ersetzen, sondern vielmehr deren Arbeit zu beschleunigen, wodurch die Mitarbeiter den Fokus auf nicht repetitive Dinge legen und ihr Fachwissen einbringen können.

Dabei sei Change Management extrem wichtig, denn all das Genannte bedeute, so Theiner, „einen Wechsel in der Arbeitsweise hinter den Prozessen, und damit auch einen Wechsel in den Denkweisen im Unternehmen.“ Natürlich sei die IT dabei ein unterstützendes Element, aber im Grunde gehe es darum, dass ein Unternehmen sich selbst transformiert – sowohl in der Arbeits- als auch in der Denkweise. „Und da öffnen sich Welten für alle – für uns genauso wie für die Unternehmen,“ sieht Theiner Chancen für Kunden wie Anbieter.

Positiv sei auf jeden Fall, so Zewald, dass die meisten Unternehmen Daten der letzten 20 Jahre oder länger in ihrem Besitz hätten. „Diese wurden in der Vergangenheit oft nicht ausgewertet. KI ist eine Chance, um diese schon lange vorhanden Daten gut auszuwerten und dann die Prozesse weiter zu automatisieren“, ist Zewald überzeugt.

Thorsten Menslin verweist darauf, dass bei der IFS ERP-Software KI bereits eingebaut sei und in den verschiedensten Fachbereichen genutzt werde – in der Arbeitsvorbereitung, der Fertigungsplanung, der Maschinensteuerung und in den nachgelagerten Auswertungen. Damit braucht sich „der User nicht mehr um Standardprozesse zu kümmern“, so Menslin, denn das übernehme das System beziehungsweise die KI. Der Mensch bekommt alles übersichtlich angezeigt – „die Dinge, die zu tun sind, die Dinge, die passiert sind, die Dinge, die laufen“ – und kann, wenn er es will, jederzeit eingreifen, wobei es natürlich auch einen KI-Steuerungsmechanismus gibt, der Vorschläge macht, wann ein menschliches Eingreifen sinnvoll ist.

KI und Komplexität

Dass KI das geeignete Mittel ist, die vorhandene Komplexität zu verringern, glaubt Helmut Rabanser eher nicht, aber sie beschleunige jedenfalls die Problemlösung. Tritt etwa ein Fehler auf, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass – insbesondere im Service oder Support – dieser Fehler weltweit schon einmal aufgetreten ist. Die KI kennt diese Daten, wodurch die Problemlösung mitunter wesentlich schneller vonstatten gehe, sagt Rabanser.

Warum sollte eine Rechnung nicht auch eine Freundlichkeit enthalten oder ein kleines positives
Erlebnis?

Oliver Witvoet

Für Thorsten Menslin ist der wichtigste Schritt bei der Nutzung von KI, die von Wofgang Theiner bereits erwähnten Hausaufgaben zu machen. „Wir haben Datenschätze in diesen familiengeführten Unternehmen, die zu heben und zu veredeln sind, damit ich KI überhaupt betreiben kann“, betont er und fügt hinzu: „Wir als Digitalisierungsunterstützer, egal ob CRM, ERP oder anderes, brauchen sortierte Daten, mit denen wir schnell saubere Projekte umsetzen können. Wenn wir das nicht haben, stoppt jedes Projekt.“

Das sieht Friedrich Woltron genauso: „Die Frage nach Vereinfachung der Komplexität ist auch immer an den Adressatenkreis gebunden. Bei Unternehmen mit noch vorherrschenden Datensilos, bin ich mit einer enormen Komplexität konfrontiert.“ Hier gehe es darum, stimmt Woltron Menslin zu, die Daten aufzubereiten, ein gutes Master Data Managementsystem einzuführen, und alles dafür aufzubereiten, dass die KI die Komplexität für den Endanwender auflöst.

Der Wunsch nach Komplexitätsreduktion ist Augenwischerei, vielmehr geht es um das intelligente Managen.

Otmar Zewald

Auch für Stefan Wailand stellt sich die Sache zweigeteilt dar: Zum einen gehe es um die Technologie, die künstliche Intelligenz an sich, die eine sehr komplexe Sache sei und „mit der wir uns als IT-Experten beschäftigen“. Zum anderen geht es daum Einfachheit für den Anwender herzustellen. Wailand: „Im unternehmerischen Kontext lege ich darauf Wert, die einfache Nutzbarkeit der künstlichen Intelligenz in den Vordergrund zu stellen und rate jedem Unternehmer daher: Probieren statt philosophieren“.

„Dem Unternehmer ist es im Endeffekt egal, wie wir ein Problem lösen, damit der Anwender einfacher arbeiten und zu Ergebnissen kommt“, ist Wolfgang Theiner überzeugt und unterstreicht, dass die Anbieter hier gefordert seien, das so zu gestalten, „dass die Anwender die Komplexität in der Technologie nicht zu sehen bekommen, sondern vielmehr ein komfortables Arbeiten mit dem jeweiligen Tool erleben“.

Oder wie Helmut Rabanser es ausdrückt: „Wir sind gefordert, die Komplexität im Hintergrund darzustellen. Das geht weit über CRM und ERP hinaus und betrifft auch DMS, IoT und vieles mehr.“ Oliver Witvoet nennt als plakatives Beispiel den Kühlschrank: „Die Komplexität eines Kühlschranks kann sehr hoch sein, doch die Benutzung ist recht einfach.“

Wir bemerken, dass die Kunden sich dem Thema Digitalisierung zunehmend strategischer nähern.

Friedrich Woltran

Otmar Zewald hingegen ist überzeugt, dass die Komplexität weiter zunehmen wird. Er sagt: „Es geht weniger darum, wer das Wissen hat, sondern wo das nötige Wissen in einem Unternehmen zu finden ist. Ich glaube, der Wunsch nach Komplexitätsreduktion ist Augenwischerei, vielmehr geht es um das intelligente Managen.“ Trotzdem könne KI dabei unterstützen, „die Komplexität intelligent zu managen und die Daten in relevante Informationen zu transformieren, die es braucht, um bessere Entscheidungen zu treffen.“ 

Integration von CRM und ERP reduziert Komplexität

„Die Integration von CRM und ERP ist für mich keine Möglichkeit, sondern ein Muss“, sagt Oliver Witvoet und erntet hundertprozentige Zustimmung aller Diskutanten. Witvoet: „Die Customer Journey ist ein Begriff, der ein durchgängig positives Kundenerlebnis beschreibt und zwar vom Service über den Vertrieb bis hin zur Rechnung, also jeden Touchpoint zum Kunden betrifft. Und da spielen sowohl ERP als auch CRM eine Rolle. Warum sollte eine Rechnung nicht auch eine Freundlichkeit enthalten oder ein kleines positives Erlebnis.“

Wer digitalisieren will, steht oft vor vielen Anforderungen und Aufgaben, deren schiere Zahl als erdrückend empfunden wird und man oft nicht weiß, wo beginnen, beobachtet Stafan Wailand immer wieder. Er empfiehlt „in Etappen vorzugehen, die Anforderungen in kleine Häppchen zu schneiden, einen Prozess end-to-end zu denken und diesen zu digitalisieren – und nicht den ganz großen Berg ständig im Blickfeld zu haben.“ Thorsten Mensil pflichtet bei: „Ein kleines Projekt zu starten, ist einfacher.“ Zudem sei ein Riesenprojekt auch finanziell eine Riesenherausforderung. Mensils Fazit: „Es sind überschaubare Projekte mit einem überschaubaren Team, wo der Nutzen sehr schnell gestiftet ist.“

Man muss Prozesse in der digitalen Welt anders denken, als sie erfolgreich in der analogen Welt
stattfinden.

Stefan Wailand

Deswegen spielten modulare Systeme auf Microservices-Architektur eine große Rolle, fügt Zewald hinzu. Hier sei der Kunde bei kleinen Änderungen nicht gezwungen ein neues ERP-System einzuführen, sondern kann punktuell modernisieren. Eine weitere Möglichkeit nennt Oliver Witvoet: „Wir haben Test Drives, wo man mit überschaubaren Investitionen ein Problem in Angriff nehmen kann. Denn es hat keinen Sinn, alles auf einmal anzugehen. Wir erkunden, wo es am sinnvollsten ist zu beginnen und fangen mit einer Herausforderung an. Diese lösen wir.“ Diese Microsteps seien auch extrem wichtig, um das Vertrauen aufzubauen, versichert Friedrich Woltron. Kleine Änderungen einführen, die funktionieren, schaffe eben Vertrauen und „das geht nur mit kleinen Schritten sehr gut“. Zudem biete All for one Customer Experience seinen Kunden unter anderem eine ERP-Transformation vom alten System auf eine Cloud-Lösung im Subscription-Modell an, so dass sich die Kosten auf monatliche Zahlungen aufteilen, verweist Woltran auf die mitunter sehr hohen Kosten solcher Projekte. 

Die Cloud macht krisensicher

Weg von Reisenprojekten hin zur Strategie der kleinen Schritte ist das Gebot der Stunde, findet auch Helmut Rabanser: „Die Firmen wollen keine einmalige Installation und dann riesengroße Updates, wodurch sie nach ein oder zwei Jahren eigentlich schon wieder mit einer alten Lösung unterwegs sind. Sie wollen die Technologie nutzen, sie wollen mit der laufend voranschreitenden Digitalisierung mitgehen beziehungsweise mitgehen können.“ Das gelinge natürlich sehr einfach über die Cloud, im Falle von Kumavision sei das über die Microsoft Cloud mit den laufenden monatlichen Updates sehr einfach möglich. Mit der daraus resultierenden Geschwindigkeit müssen alle, auch Anbieter wie Kumavision mithalten, weiß Rabanser, aber davon profitieren die Kunden, die neben der aktuellsten ERP-Lösung gleichzeitg auch die aktuellen Security-Leistungsmerkmale dazu erhielten. 

Man muss dem Kunden schon sagen, nur weil es KI gibt, entbindet ihn das nicht davon, seine Hausaufgaben zu machen.

Wolfgang Theiner

Ein weiterer Nutzen der Cloud sei die internationale Ausrichtung, ergänzt Friedrich Woltran. Eine Expansion in einen neuen Markt sei damit kein Problem: „Die meisten Cloud-Lösungen werden in verschiedensten Sprachen angeboten und ich kann die Mitarbeiter in ihrer Landessprache auf dem Tool schulen.“ Doch auch der Rückzug aus problematischen Märkten, wie gegenwärtig etwa Russland, sei einfacher zu bewerkstelligen. Wenn der Server mit all den Daten in Moskau steht, sind diese verloren. Wer aufgrund einer zentralisierten Cloud-Lösung die Zugriffsrechte in der Hand hält, behält auch die absolute Herrschaft und kann, falls notwendig, jederzeit einschreiten, ohne die Daten selbst zu verlieren, weiß Woltran.

Zudem sei die Cloud auch – was ja vielfach gefordert wird – eine nachhaltigere Technologie, erklärt Witvoet. Ja, es stimme schon, dass ein Rechenzentrum sehr viel Energie verbrauche, doch leiste es auch sehr viel, wodurch sich der Energieverbrauch relativiere. Hier geschehe derzeit sehr viel, wirft Wolfgang Theiner ein und verweist auf ein Microsoft-Rechenzentrum mitten in Amsterdam, das die Abwärme verwendet, um die umliegenden Wohnhäuser zu heizen. In einem anderen Rechenzentrum in Dublin verwendet Microsoft wiederum Regenwasser zum Kühlen. Nächstes Jahr werde Microsoft ein Rechenzentrum im Wiener Raum eröffnen, das modernste, nachhaltige Technologie mit höchster Security vereine, so Theiner. Ein Hindernis für gute Cloud-Lösungen sei jedoch in ländlichen Gebieten die schlechte Infrastruktur, wo, wie Theiner es plakativ formuliert, „das Glasfaserkabel an der Ortstafel vorbeizieht.“ Hier sind Investitionen in den Wirtschaftsstandort Österreich von seiten der Regierung nötig.

Es ist wichtig, dass wir Branchenkenner im Unternehmen haben, die wissen, wo sie am ehesten zusätzlichen Mehrwert schöpfen.

Thorsten Menslin

„Es gibt kein rationales Argument mehr, das gegen die Cloud spricht“, ist Stefan Wailand überzeugt, der die Cloud als konkurrenzlos und mittlerweile auch etabliert betrachtet. Die Zutaten, um erfolgreich durch eine Krise gehen zu können, sind für Wailand, Resilienz, wofür es Agilität in der Funktionalität benötige. Wichtig sei zudem gleichzeitig Stabilität in den Kernprozessen und zuletzt Vertrauen.

Wiewohl die Cloud eine zukunftsträchtige Technik sei, sieht Otmar Zewald sie nicht als eine Entweder-oder-Frage. „Ja, es wird immer noch On-premise-Anwendungen geben. Das Verhältnis wird sich ändern. Aber der Wechsel in die Cloud ist keine Frage von ganz oder gar nicht, sondern vielmehr ein pragmatisches Abwägen der Vor- und Nachteile.“ Dennoch sieht auch Zewald die produktionsnahen Anwendungen, die derzeit noch on-premise seien, sukzessive ebenfalls in die Cloud gehen. Bei Anwendungen, die produktionsfern angesiedelt sind wie etwa SRM (Supply Relationship Management), HR oder Controlling, beobachtet Zewald aktuell ebenfalls eine starke Verschiebung in Richtung Cloud: „Ich glaube, der Standard wird mittel- bis langfristig ein hybrider Ansatz sein.“ Da die Kunden durchschnittlich mehr als zehn Anwendungen hätten, werde es eine Mischung geben zwischen Cloud, die durch die Hersteller getrieben wird und Public Cloud, die die Kunden vielleicht selbst betreiben, so der proALPHA-Experte. Theiner sieht die Cloud auch als Generationenfrage und bemerkt: „Junge Menschen denken nicht mehr über on-prem nach und wollen das auch gar nicht mehr.“

Thorsten Menslin zieht ein zusammenfassendes Resüme: „Die Cloud ist angekommen, nicht nur bei der jüngeren Generation, auch bei der älteren. Lessons Learned bei allen. Klar ist, es gibt keine Alternative mehr.“

Mit Low Code/No Code gegen den Fachkräftemangel

Stefan Wailand beschreibt die Vorteile eines No-Code-Systems anhand der Datapol-Lösung Odoo. Hier könne der Benutzer völlig ohne Software-Code schreiben zu müssen oder Software-Knowhow zu haben, das System konfigurieren und erweitern. „Es ist einfach“, beschreibt Wailand den Vorgang, „Drag and Drop, neues Feld, Drag and Drop, neuer Workflow, Drag and Drop, neue Auswertung. Das benötigen Unternehmen, um agil unterwegs zu sein, einen Marktvorsprung zu haben und am Zahn der Zeit zu operieren. Zudem drückt es auch die Kosten nach unten.“

Ein weiterer Vorzug der Low- bzw. No-Code-Lösungen sieht Thorsten Menslin darin, problemlos jedes Update mitmachen und stets von den neuesten Technologien profitieren zu können, weil man ja nicht mehr in die Quellcodes eingreift.

Ob KI die Komplexität verringert, bin ich mir nicht sicher, aber sie beschleunigt die Problemlösung.

Helmut Rabanser

Fachkräftemangel hin oder her, für  Thorsten Menslin sind durch den Mangel gebundene Ressourcen im Unternehmen ein wichtiges Thema. Zudem sei es sehr wichtig, dass es Branchenkenner, so genannte Digital Manager, im Unternehmen gibt, die wissen, wo sie am ehesten zusätzlichen Mehrwert schöpfen. „Diese Digital Manager kennen ihre Branche, ihr Unternehmen, und bringen Knowhow aus der Digitalisierungswelt mit, sie können steuern, haben die Durchgriffsmöglichkeiten, Vorhaben auch gegen Widerstand im Unternehmen wirklich durchzusetzen.“

So sehr die Low-Code/No-Code-Technologie den Fachabteilungen das Leben erleichtert und auch ein wenig dem Fachkräftemangel gegensteuert, bedarf es dennoch entsprechender Fachkräfte, die wissen, was sie tun, ist Helmut Rabanser fest überzeugt. Sonst könne es leicht sein, dass einfach und schnell Änderungen durchgeführt würden, die wiederum auf die Prozesse Einfluss nehmen und dadurch nicht nur den Prozess selbst, sondern die hereinkommenden Daten konterkarieren oder verkomplizieren und letztlich die Stabilität des Systems schwächen.

Dieser Ansicht ist auch Friedrich Woltron und merkt an, dass es, um eine Lösung IT-gerecht aufzubereiten, immer wirklich gut geschulte und ausgebildete Fachkräfte braucht. Woltran: „Low Code/No Code kann mit Sicherheit dabei unterstützen, Leute schneller in den Prozess einzubinden. Aber es wird die Komplexität, und vor allen Dingen auch das Prozessverständnis nicht aushebeln. Die gesamthafte Betrachtung wird nach wie vor essenziell und wichtig sein.“ Otmar Zewald verweist auf den Umstand, dass die durchschnittliche Verweildauer der Mitarbeiter bei einer Firma immer kürzer wird. Deswegen müsse man „einen Mitarbeiter schnell ›transformieren‹ können, so dass er auch in anderen Bereichen schnell leistungsfähig ist.“ Hier könne wiederum KI hilfreich sein, wodurch das digitalisierte Wissen im Unternehmen schneller zugänglich gemacht werden kann.

Im Endeffekt zählt der Faktor Mensch, ist Theiner überzeugt. „Wir wollen nicht nur über Bits und Bytes und ERP-Projekte reden, sondern auch die Menschen im Unternehmen mit auf die Reise nehmen.“ Das sei umso wichtiger als das Thema KI & Co für eine große Verunsicherung sorgen.

Die Teilnehmer auf einen Blick (von links nach rechts)

  • Thorsten Menslin, Chief Operating Officer und Prokurist bei Kreuzbauer IT
  • Otmar Zewald, Head of Product Management bei proALPHA 
  • Friedrich Woltran, Head of Customer Care bei All for One Customer Experience
  • Mag. Helmut Rabanser (remote zugeschaltet), Geschäftsführer KUMAVISION
  • Wolfgang Theiner, kaufmännischer Geschäftsführer der COSMO CONSULT
  • Stefan Wailand, Geschäftsführer Datenpol
  • Oliver Witvoet, Geschäftsführer Easyconsult
  • Moderation & Redaktion: Mag. Klaus Lorbeer
  • Technik: Mag. Roland Kissling
  • Fotos: timeline/Rudi Handl

Den Überblick über alle bislang veranstalteten ITWelt.at-Roundtables finden Sie hier:

www.itwelt.at/tag/roundtable

Die Expertenrunde zum Nachsehen finden Sie hier:

www.facebook.com/itwelt.at/videos

www.youtube.com/c/ITWELT


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