»KI ist nicht nur eine Technologie«

Das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) konzentriert sich in seiner Forschung auf die beiden Standbeine Data & Software Science. Die Verknüpfung von Data & Software Science am SCCH stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. [...]

Klaus Pirklbauer ist CEO des Software Competence Center Hagenberg. (c) SCC Hagenberg

Das Software Competence Center Hagenberg widmet sich aktuell stark dem Thema »AI driven Software Systems and Engineering«. Worum geht es da und was macht das SCCH hier genau?

Wir beschäftigten uns schon seit 20 Jahren mit Datenanalyse und künstlicher Intelligenz (AI) aber auch mit Themen im Bereich Software Engineering wie Software-Analyse und Qualitätssicherung. Unter dem Titel »AI driven Software Systems and Engineering« wollen wir diese Teile noch näher zusammenbringen. AI für eine Verbesserung der Software-Analyse zum Beispiel oder auch Erkenntnisse aus dem Software Engineering für künftige AI-Systeme, die höheren Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen entsprechen müssen. Diese Kompetenzkombination macht das SCCH einzigartig.

Das Forschungsthema künstliche Intelligenz ist ja in aller Munde. Welche Rolle nimmt das SCCH hier ein?

Sie sagen es: künstliche Intelligenz ist in aller Munde und in Zukunft nicht mehr wegzudenken. Die Rolle des SCCH als Forschungseinrichtung in diesem Gebiet ist es aber, solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und auch einzuschätzen, welche Potentiale sie für die Wirtschaft haben. Dass wir schon seit Jahren in diesem Gebiet forschen und Projekte machen, hat dazu geführt, dass wir heute ein einzigartiges Knowhow in diesem Gebiet haben und eine große Methodenvielfalt zum Einsatz bringen können. KI ist ja nicht nur eine Technologie, sondern eine Vielzahl von Methoden, deren Charakteristika man kennen muss, um sie optimal einzusetzen. Das können wir und darüber hinaus entwickeln wir diese Methoden auch weiter.

Welche Projekte gibt es am SCCH zu diesem Thema?

Am SCCH sind wird methodenorientiert. Daher kann man eine Vielzahl von Anwendungsgebieten abdecken. Da wir einen Schwerpunkt im industriellen Umfeld haben, setzen wir KI zum Beispiel in Projekten zur Produktionsoptimierung, für Verschleiß- und Fehleranalysen und für Predictive Maintenance ein. Aber auch Anwendungen im Energiesektor, im medizinischen Umfeld und in der Mobilität sind von großer Bedeutung. In letzteren spielen speziell Bilder und Videos eine Rolle, das Erkennen von Situationen und die Vorhersage. Ein Beispiel ist da der intelligente Rückspiegel oder ein Projekt, bei dem es um LKW-Platooning geht.

Software Science & Data Science stehen im Mittelpunkt der Forschungstätigkeit des SCCH. Welche Bedeutung haben diese beiden Standbeine und welche Projekte werden hier in den kommenden ein bis zwei Jahren realisiert?

Bei Software Science beschäftigen wir uns besonders mit der Softwarequalität und dem Wissen, das in der Software steckt. Durch automatisierte Analysen des Quelltexts und des Ablaufs machen wir Wissen sichtbar, nutzen es für Weiterentwicklung, Testen, Dokumentation und für Sicherheitsanalysen. Bei Data Science werten wir Daten, Bilder und Videos aus, um durch lernende Systeme zu Modellen zu kommen, die zum Beispiel ermöglichen, Zusammenhänge zu erkennen und Vorhersagen zu machen. Predictive Maintenance, Fehleranalysen in der Produktion, Szenenanalysen und Vorhersagen für Mobilität oder in der Medizin sind Beispiele in diesem Bereich.

In der nächsten Zeit wollen wir besonders die Synergieeffekte aus diesen beiden Schwerpunktbereichen nutzen: Artificial Intelligence für Software Engineering und Software Engineering für Artificial Intelligence. Wir fokussieren uns darüber hinaus auch speziell auf Themen wie Sicherheit, Nachvollziehbarkeit und Lernverfahren, die ein Lernen über Unternehmensgrenzen hinweg erlauben, ohne die Geschäftsgeheimnisse anderen preiszugeben.

Das SCCH feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen und damit 20 Jahre außeruniversitäre Forschung. Was waren die wichtigsten und bahnbrechendsten Projekte dieser Zeit und was kann man im Jubiläumsjahr noch alles erwarten?

Ich möchte da gar nicht ein Projekt hervorheben. Das Besondere am SCCH ist, dass fast alle Projekte zu Ergebnissen führen, die dann in der Wirtschaft eingesetzt werden. Wir arbeiten also nicht für die Schublade, sondern sind stolz, wenn unsere Ergebnisse zur Verbesserung von Maschinen, für Verbesserungen der Softwarequalität etc. eingesetzt werden. Unsere Ergebnisse sind oft nicht direkt sichtbar. Aber wir wissen, dass die Produkte unserer Partner seit Jahren unsere Lösungen enthalten und teilweise weltweit verkauft werden. Zum 20-Jahre-Jubiläum gibt es am 28. November 2019 noch ein großes Event in Hagenberg.

Wie haben sich die Forschungsthemen im Laufe dieser 20 Jahre verändert beziehungsweise entwickelt?

Da tut sich viel. Ich erinnere mich noch gut, wie mir produzierende Unternehmen am Anfang unserer Tätigkeit erklärt haben, dass an einer Maschine oder einem Leitstand keine modernen Benutzerschnittstellen zum Beispiel mit Computermäusen zum Einsatz kommen können, und heute habe wir Touchscreens, virtuelle Interfaces und Sprachsteuerung. Das Gleiche war bei KI-Anwendungen. Da war die Prognose, dass KI nur in wenigen Bereichen zum Einsatz kommen kann und, dass diese Bereiche schnell abgedeckt sein werden. Wie die Entwicklung war, sehen wir heute überall. Wir im SCCH müssen daher an den neuesten Forschungsthemen arbeiten und uns mit wissenschaftlichen Partnern austauschen, aber auch das Ohr bei den Bedürfnissen der Unternehmen haben, um so auf die richtigen Technologien zu setzen. Das bedeutet aber auch Flexibilität und ständiges Hinterfragen, ob wir noch am richtigen Weg sind. Die regelmäßigen Evaluierungen durch externe Experten helfen da zusätzlich mit einem Blick von außen. Aber auch Förderprogramme wie die COMET-Module unterstützen uns, neue Themen rechtzeitig anzugehen.

Haben Sie einen ungefähren Überblick, wie viele Projekte abgewickelt wurden?

Das ist einerseits schwer zu sagen und andererseits ist die Zahl auch nicht recht aussagekräftig, weil große Projekte über viele Jahre und auch kleine Projekte abgewickelt werden. Aber es ist sicher eine sehr große Zahl. Allein wenn man bedenkt, dass wir im letzten Jahr für 128 Unternehmen tätig waren, kann man sich ausrechnen, dass sich das über 20 Jahre schon summiert.

Welche Herausforderungen wird es in Zukunft geben?

Stichworte Fachkräftemangel, Breitbandausbau oder Digitalisierung.
Natürlich ist in Zeiten der Digitalisierung und insbesondere, wenn in den nächsten Jahren die unternehmensübergreifende Vernetzung verstärkt wird, die Infrastruktur von großer Bedeutung. Ohne verbesserte Netzin-frastruktur wird es da nicht gehen. Speziell auch, wenn wir aus Daten lernen wollen, die auf der Anwenderseite entstehen, dann müssen diese Daten erst einmal zusammengeführt werden können.

Aber aus meiner Sicht ist das größere Problem der Fachkräftemangel. Schon heute sind manche Positionen, zum Beispiel Software Engineers, kaum mehr zu besetzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass wir in Österreich manche Entwicklungen nicht mehr in dem Ausmaß mitmachen können, das notwendig wäre, um nicht Knowhow ans Ausland zu verlieren. Da muss es uns einfach gelingen, das Interesse für diese Studienrichtungen proaktiv zu wecken und attraktiv für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem In- und Ausland zu werden beziehungsweise auch zu bleiben.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des IKT-Standorts Oberösterreich und den Digitalisierungsgrad der ansässigen Unternehmen?

Insgesamt brauchen wir uns in Oberösterreich nicht verstecken. Wir haben sehr viel Knowhow, herausragende Universitäten und Forschungseinrichtungen und auch sehr gute Unternehmen im Land. Bei unseren Unternehmenspartnern sehen wir auch, dass sich diese Unternehmen nicht nur intensiv mit Digitalisierung auseinandersetzen, sondern auch bereits einen hohen Digitalisierungsgrad erreicht haben. Allerdings sind das durchaus sehr innovative Unternehmen. Über alle Unternehmen hinweg betrachtet, gibt es sicher noch einiges zu tun und auf den Weg zu bringen. Wir haben jetzt meist schon Verbesserungen in der Datenverfügbarkeit und der Qualität der Daten, aber die Nutzung der Daten, insbesondere auch über die Unternehmensgrenzen hinweg, ist noch stark ausbaufähig.


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