Noch immer können viele Verbraucher in Österreich nicht selbst darüber entscheiden, welches Endgerät sie an ihrem Internetanschluss nutzen. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz könnte sich das bald ändern. Viel hängt nun von der Politik ab – und womöglich von der RTR. [...]
Am Ende werden wenige Zentimeter darüber entscheiden, ob bald eine echte Routerfreiheit in Österreich gilt oder nicht. Während Verbraucher in anderen Ländern gemäß der entsprechenden EU-Richtlinie bereits seit Jahren selbst darüber entscheiden können, welches Endgerät sie an ihrem Internetanschluss nutzen, ist man in Österreich weiterhin auf die Gunst des jeweiligen Anbieters angewiesen. Knackpunkt ist dabei der sogenannte Netzabschlusspunkt. Während etwa in Deutschland und Italien klar definiert ist, dass das Netzwerk des Providers an der passiven (stromlosen) Dose an der Wand endet, zählen einige Anbieter in Österreich das Modem kurzerhand mit zu ihrem Netzwerk. Dieser kleine aber feine Unterschied bedeutet, dass man als Kunde das eigene Wunschgerät hinter dem Zwangsmodem des Providers anschließen und somit zwei Geräte betreiben muss. Das führt zu höheren Kosten und mehr Stromverbrauch. Zudem lassen sich so nicht immer sämtliche Funktionen des eigenen Routers nutzen.
Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz könnte sich das alles nun ändern. Allerdings sieht der Entwurf bislang nicht vor, dass der Netzabschlusspunkt im Gesetz genau definiert wird. Dazu hat die SPÖ im für das neue Gesetz zuständigen Forschungsausschuss des Nationalrats jetzt einen Entschließungsantrag eingereicht. Darin wird das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort aufgefordert, in der Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes »dafür Sorge zu tragen, dass durch die Definition der Lage der Netzanschlusspunkte eine freie Endgerätewahl für alle Zugangstechnologien ermöglicht wird«. Insbesondere sei zu gewährleisten, dass die Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze den Endnutzerinnen zwar weiterhin Telekommunikationsendeinrichtungen überlassen können, diese aber deren Anschluss und Nutzung nicht zwingend vorschreiben dürfen.
Gute Gründe für Ende des Routerzwangs
Im Entschließungsantrag werden auch gleich einige der Vorteile aufgeführt, die das Ende eines Routerzwangs mit sich führen würden. Dazu gehört der bessere Schutz der Privatsphäre, weil das Netzwerk über eigene Geräte läuft, sowie eine bessere Anpassung auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Anwender. Zudem können Sicherheitsupdates vom Nutzer selbst durchgeführt werden. Ein Providerwechsel wird außerdem leichter, weil der Router bei den angepassten Einstellungen bleibt. Darüber hinaus fällt die Gebühr für die Nutzung des vom Netzanbieter zur Verfügung gestellten Modems weg. Eine echte Routerfreiheit würde zudem den Wettbewerb unter den Herstellern anfachen, was zu Innovationen führen dürfte – wie etwa beim Mobilfunkmarkt, wo jeder Kunde ganz selbstverständlich das bevorzugte Handy frei wählen darf.
Der Entschließungsantrag der SPÖ wurde in der letzten Sitzung des Forschungsausschusses Anfang Juli mit den Stimmen der ÖVP und Grünen vertagt und kann nun frühestens in der nächsten Ausschusssitzung nach der Sommerpause im September behandelt werden. Wird der Antrag angenommen und legt der Gesetzgeber den Netzabschlusspunkt dann auch tatsächlich an der »Anschlussdose an der Wand« im Gesetz fest, können Verbraucher in Österreich zukünftig selbst entscheiden, welchen Router sie einsetzen. Davon würde letztlich auch der Handel profitieren.
RTR sieht keinen Bedarf für Veränderung
Nach derzeitigem Stand käme der RTR eine entscheidende Rolle zu. Denn der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Regulierungsbehörde das letzte Wort hat, was unter Routerfreiheit zu verstehen ist. Die RTR sieht momentan allerdings keinen konkreten Bedarf, etwas an der derzeitigen Lage zu ändern, wie sich bei einer Veranstaltung der Digital Society am 22. Juli zeigte. RTR-Geschäftsführer Klaus Steinmaurer betonte im Rahmen der Diskussion, dass die RTR erst noch evaluieren müsse, ob eine Regulierung hinsichtlich der Lage des Netzabschlusspunktes notwendig sei. Bereits zuvor hatte die RTR verkündet, dass man einer Regelung des Netzabschlusspunktes neutral gegenüberstünde. Dabei argumentierte die RTR wie folgt: »Jede Medaille hat zwei Seiten: Die Routerfreiheit ist gut für den Wettbewerb. Andererseits ist es kein Nachteil für Kunden, wenn der Netzabschlusspunkt nach dem Router liegt. Damit ist der Betreiber dafür verantwortlich, dass das Internet bei der Kundschaft ankommt«, hieß es seitens der RTR.
Bei genauer Betrachtung handelt es sich allerdings nicht um zwei Seiten. Schließlich könnte jeder Kunde auch bei geltender Endgerätefreiheit ganz einfach weiterhin das Komplettpaket des Anbieters wählen. Für Kunden, die jedoch lieber ein anderes Endgerät nutzen wollen, ist die derzeitige Situation sehr wohl ein Nachteil. Und das sind nicht wenige. Wie eine repräsentative Umfrage des FRITZ!Box-Herstellers AVM zeigt, wäre es sogar zwei von drei Verbrauchern in Österreich (62 Prozent) »wichtig« oder sogar »sehr wichtig«, dass ihr Internetprovider ihnen kein Gerät mehr verbindlich vorschreiben kann.
Argumente wurden vor 40 Jahren widerlegt
Viele Beobachter fühlen sich deshalb an die die Diskussion in den 80er Jahren erinnert, als sich die Post lange Zeit dagegen wehrte, dass Kunden eigene Modems an die Analog- und ISDN-Leitungen anschalten durften. »40 Jahre später werden nun wieder dieselben und längst wiederlegten Argumente hervorgeholt«, sagt Wolfgang Krob, Spezialist für Systemische EDV-Betreuung. »Die Betreiber behaupten, dass man nur mit ihren vorgeschriebenen Endgeräten eine hohe Dienste-Qualität garantieren könne. Fakt ist jedoch, dass das damalige Verhalten der Post als Monopolist Fortschritt und Innovationen in Österreich über viele Jahre hinweg verhindert hat«, erinnert sich Krob. »Erst nach der letztlich dann doch noch erfolgten Freigabe konnten sich Mailboxen, Datenbanken und erste vorsichtige Internetaktivitäten entwickeln«, so Krob. Warum man nun das Gefühl bekomme, dass sich die RTR bei der Endgerätewahl auf die Seite der Provider schlage, sei nicht nachvollziehbar. »Ob das mit intensivem Lobbying der Provider zusammenhängt?«, fragt sich Krob. »Ein Schelm, der Böses denkt.«
Definition des Netzabschlusspunktes muss ins Gesetz
Ein sicherer Weg, die Endgerätefreiheit in Österreich sicherzustellen, wäre eine konkrete Festlegung des Netzabschlusspunktes im neuen Telekommunikationsgesetz. Provider denen die Kundenzufriedenheit am Herzen liegt, zeigen sich gesprächsbereit. So erklärte A1-CTO Alexander Stock im Rahmen der Veranstaltung der Digital Society, dass man durchaus offen dafür wäre, den Anschluss von Fremdgeräten zu ermöglichen, wenn denn klargestellt sei, dass man als Anbieter in diesem Fall nicht den Service für das Endgerät übernehmen müsse. Da dies in den Ländern, wo die EU-Richtlinien zur freien Endgerätewahl bereits umgesetzt sind, genauso gehandhabt wird, spricht nichts dagegen. Dort wenden sich Kunden, wie in Österreich zum Beispiel beim Smartphone üblich, direkt an den Support der Gerätehersteller, sobald klar ist, dass ein Fehler auf das Gerät zurückzuführen ist. Sobald das Parlament nach der Sommerpause wieder tagt, kann also die Politik dafür sorgen, dass sich Verbraucher wie Händler bald über eine echte Routerfreiheit in Österreich freuen können. Dazu muss lediglich der Entschließungsantrag angenommen und der Netzabschlusspunkt genau festgelegt werden. Einfacher geht es eigentlich nicht.
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