Von der Kunst, aus der Not eine Tugend zu machen

Alexander Hochmeier, IT-Chef bei FACC, hat es geschafft, trotz Pandemie eine erfolgreiche Transformation mit starkem Fokus auf die IT und neuen Wegen in der Personalpolitik auf die Beine zu stellen. [...]

Alexander Hochmeier, Vice President IT & Security FACC (c) FACC
Alexander Hochmeier, Vice President IT & Security FACC (c) FACC

Bevor Alexander Hochmeier im Herbst 2019 zur FACC AG stieß, war er bei der Hofer KG in Österreich als IT-Director tätig und in leitender Funktion unter anderem für die Umsetzung von IT-Erneuerungs- und Digitalisierungsprojekten zuständig. Davor bekleidete er verschiedene leitende IT-Positionen im Projektmanagement, unter anderem bei SKIDATA, voestalpine und Infoniqa. Berufsbegleitend absolvierte Alexander Hochmeier an der Fachhochschule Oberösterreich das Bachelorstudium Marketing & Electronic Business sowie das Masterstudium Supply Chain Management. Seine wissenschaftliche Karriere setze er nebenberuflich als Lektor an der Fachhochschule in Steyr und als Autor wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema „Enterprise 2.0“ fort.

„Ich wollte zurück in die Industrie, und hier besonders in die Flugzeugbranche, wohin es mich schon lange gezogen hat“, sagt Alexaner Hochmeier, Vice President Information Technology & Security bei der FACC AG, im Gespräch mit ITWelt.at. „Ich bin 2019 angetreten, um bei FACC eine Generaltransformation zu planen und umzusetzen, zum Beispiel die Prozess- und IT-Landschaft rundum zu erneuern. Mich hat die vermeintliche Mission Impossible sehr gereizt.“

Gerade als er „voller Schwung und Elan“ begonnen hatte, machte ihm Corona einen dicken Strich durch die Rechnung. Die Pandemie hat sich auf die Weltwirtschaft, die Luftfahrt und auch auf FACC massiv ausgewirkt. Vieles konnte das oberösterreichische Unternehmen zwar durch Kurzarbeit und mithilfe der Kunden und deren Rückhalt kompensieren, trotzdem führten der starke Umsatz- und Gewinnrückgang zu Personalabbaumaßnahmen und dem Stopp von Projekten. Die geplante umfassende digitale Transformation wurde in Folge in ihrer ursprünglichen Form auf Eis gelegt.

Die FACC AG durchlief während dieser Phase einen umfassenden Strategieprozess und nahm zusätzlich die Geschäftsbereiche Urban Air Mobility und Space in den Fokus. Die Aufgabe der IT war es, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen, die Krise möglichst sicher zu überstehen – Stichwörter Home Office und Business Continuity. Die Transformation sei zwar nicht mehr so wie geplant möglich gewesen, aber es gab genug zu verändern. „Nach einem längeren Überlegungsprozess schlug ich vor, die notwendigen kosteneinsparenden Maßnahmen mit inhaltlichen Innovationen zu verbinden.“

Fokus auf Local Heroes

Es war wieder die Mission Impossible, wofür Alexander Hochmeier FACC als seinen Arbeitgeber gewählt hatte. Vereinfacht gesagt: Die Transformation sollte mit dem Vor-Krisen-Regelbudget – also ohne Sonderbudget Transformation – über die Bühne gehen. Das konnte nur dann funktionieren, wenn das Unternehmen bereit war, Paradigmenwechsel auf mehreren Ebenen zu akzeptieren. Im Technologiebereich bedeutete dies etwa, von den teuersten globalen Systemen Abstand zu nehmen und dafür mehr auf Local Heroes und Best-of-Breed-Lösungen zu setzen. „Ich war überzeugt, dass wir damit die Transformation zu den gleichen Kosten schaffen würden.“

Die Local Heroes definiert der IT-Chef überregional: „Wir haben das Glück, dass nicht nur in Oberösterreich, sondern generell in Österreich und in den unmittelbaren Nachbarregionen viele starke Dienstleister zu finden sind. Ich möchte Beziehungen pflegen können. Das setzt für mich voraus, dass ich die Partner persönlich treffen kann. Beispiel Betreuung im SAP-Umfeld: Wir arbeiten mit dem Unternehmen DXC Technology mit einem Near-Shoring-Center in Bratislava und Kollegen und Kolleginnen aus Österreich und Deutschland zusammen. Das ist ein Partner im überregionalen Sinne und ist mir wesentlich lieber als ein globales Unternehmen mit einem Off-Shoring-Center in Indien. Da fehlt mir die Beziehungsnähe.“ Andererseits dürfe man nicht vergessen, dass FACC eine internationale Organisation sei, so Hochmeier: „Ich muss Partnerinnen und Partner an meiner Seite haben, die gemeinsam mit uns international denken und uns hier unterstützen können.“ Ob nun ein lokaler Partner oder ein global agierender zum Zug kommt, ist themenabhängig.

IT und Security auf oberster Ebene

Das Unternehmen ist nicht nur ein Produktionsbetrieb, sondern entwickelt auch Bauteile für diverse fliegende Objekte – von Drohnen bis zum Weltall. „Wir sind ein stark „Intellectual Property“-getriebenes Unternehmen. Das heißt, dass der Schutz von geistigem Eigentum nach wie vor absolute Top-Priorität hat. Doch auch hier fand ein Paradigmenwechsel statt. Bis 2019 waren wir eine fast 100-prozentige Inhouse-Company. Auch jetzt sind wir weit weg von einer Cloud-First-Strategie. Aber wir sind offener und auf einem hybriden Weg unterwegs.“

Überhaupt habe Security in der letzten Zeit weiter an Bedeutung gewonnen: Während der Pandemie waren es etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die außerhalb der Organisation arbeiteten, jetzt sind es die geopolitischen Herausforderungen, die erhöhte Aufmerksamkeit verlangen. „Außerdem kommen die Einschläge buchstäblich immer näher, man denke nur an die Sicherheitsvorfälle in großen oberösterreichischen Unternehmen. Das alles hat dazu geführt, dass wir in das immer schon sehr wichtige Thema IT-Security und Informationssicherheit weiter investiert und eine entsprechende Personalstruktur aufgebaut haben.“

Rein organisatorisch ist Alexander Hochmeier ein Direct Report zum CFO, wie in vielen Unternehmen üblich. „Das funktioniert bei uns ganz gut, da ich in meinen Ressorts wirklich freie Hand habe. Schließlich ist man ja Dienstleister und Partner für das gesamte Unternehmen, für unsere Partner auf Kundenseite und in der Supply Chain. Man versucht Verständnis für alle Unternehmensbereiche aufzubauen, Pains & Needs in allen Prozessen zu erkennen und entsprechende Prioritäten zu setzen. IT ist kein Selbstzweck, deshalb ist jedes Projekt bei uns eine Gemeinschaftsaktion aus IT und Business.“ Neben den IT-Aspekten ist Hochmeier, wie bereits erwähnt, auch für die CISO-Organisation verantwortlich – und das firmenübergreifend. „Ich denke, Unternehmen täten gut daran, die Themen IT und Security auf Ebene Eins zu verankern. Es ist eben nicht irgendein Ressort. IT und Security betreffen alle – und gerade in Zeiten wie diesen gehören sie in die erste Reihe.“

In Sachen „Smart Factory“ geht FACC den pragmatischen Weg: „Bei uns ist es immer eine ROI-Frage, wie smart die Factory für das jeweilige Projekt im jeweiligen Auftrag sein muss. Wir haben ein sehr breites Portfolio. Einerseits bauen wir sehr individuell Business-Jets. Hier würde sich Automatisierung nur bedingt lohnen. Andererseits bedienen wir Geschäftsfelder mit sehr hohen Bauraten, wo Smart-Factory-Technologien Sinn machen. Aber auch hier gilt: Wir sind weit entfernt von den Bauraten der Automobil-Branche, wo die Smart Factory ein großes Thema ist.“

Neue Wege in der Personalpolitik

Das Unternehmen hat sich nicht nur vom One-Vendor-One-Solution-Paradigma in Richtung Best-of-Breed verändert, wobei verstärkt auf (über-)regionale Partner gesetzt wird. Auch in der Personalpolitik gab es einen Paradigmenwechsel. „Die genannten technologischen Themen wären nicht erfolgreich ohne einen proaktiven Umgang mit dem Thema Personal und einem entsprechenden Umdenken diesbezüglich: Wir machen nicht mehr mit beim ohnehin nicht zu gewinnenden, viel zitierten ›War for Talents‹. Statt ›Einstellen um jeden Preis‹ ist unser Leitsatz ›Keep our Crew‹, denn nur mit einem starken, motivierten Team können wir auch erfolgreich Projekte umsetzen und unser Business am Laufen halten.“

Dieser Ansatz ist sehr stark mit der Zusammensetzung des rund 60-Personen-Teams verbunden. „Diversität spielt im Unternehmen generell eine sehr große Rolle. Wir haben unternehmensweit Kolleginnen und Kollegen aus über 45 Nationen. Der Anteil der Frauen in der Technik beträgt über 30 Prozent, was für einen Industriebetrieb ein sehr hoher Wert ist. Um das zu ermöglichen, haben wir schon in der Vergangenheit viel getan. Einrichtungen wie Kinderbetreuung sind bei uns schon lange eine Selbstverständlichkeit. Wir haben auch in der IT begonnen, diesen Weg konsequenter zu gehen.“

Wollen wichtiger als Können

Heute suche man nicht nur bewusst Expertinnen, sondern auch all jene Personen, die ein anfängliches Fehlen von Knowhow mit Engagement wettmachen. „Uns ist das Wollen wichtiger, als das Können. Wenn er oder sie uns versichern kann, dass er oder sie gemeinsam mit uns eine Reise machen will, und wir uns auch menschlich treffen und wir das Gefühl haben, dass eine Entwicklung stattfinden kann, dann probieren wir es.“

Die positive Folge dieses Ansatzes: „Wir haben in der IT derzeit 36 Prozent Umsteigerinnen und Umsteiger, das sind Personen, die davor etwas ganz anderes gemacht haben – vom Schlosser bis zur Designerin, quer durch alle Aufgabenbereiche. Dazu kommt die größere Flexibilität in den Arbeitszeitmodellen: Früher hatten wir 80, mittlerweile sind es 300. Wenn ich außerdem neue Dinge einführe wie Jobsharing & Co., was bei uns auch schon gelebte Realität ist, dann spreche ich viel mehr Menschen an.“
Wie das Thema Jobsharing und Job Twins in der Praxis funktioniert, zeigen etwa Kathrin Gerauer und Katharina Brunneder, beide Information Security Officer bei FACC. Als Job Twins teilen sie sich die Aufgabe, beide arbeiten in Teilzeit, beide kommen nicht aus der IT.

An alten Ansätzen rütteln

Alexander Hochmeier ist überzeugt davon, dass dieser Weg nur mit einem sehr hohen Grad an Individualisierung möglich ist. „Ich muss dabei auf jede Person einzeln eingehen. Wo passt sie am besten? Was braucht sie, um enabled zu werden? Das ist bei jedem Menschen anders – je nach Background und Einsatzgebiet. Damit dieses sehr an die Menschen angepasste System auch wirklich funktioniert, reicht es nicht, wenn die Geschäftsführung die Idee toll findet. Es braucht die Unterstützung der gesamten Organisation, die diesen Weg mitträgt. Damit eine Umsteigerin oder ein Umsteiger erfolgreich ist, benötigt sie oder er jemanden, an dem sie oder er wachsen kann. Das sind die Expertinnen und Experten, die wir bereits im Unternehmen haben und die als Buddy, Mentor oder Trainer fungieren.“

Den 25-prozentigen Frauenanteil in der IT möchte Hochmeier weiter steigern und die Lehrlingsausbildung, die auf neue Beinen gestellt ist, konsequent weiterentwickeln. In der Technik geht es gerade darum, die Best-of-Breed-Landschaft weiter auszubauen.

Aktuelle Projekte sind die Digitalisierung im Einkauf und die Einführung der gesamten Microsoft-365-Kollaborations-Palette, „nicht nur Teams, sondern auch die Sicherheitsprodukte rundherum, weil IT-Security bei uns eine sehr große Rolle spielt. Andererseits geht es um Projekte zur Weiterentwicklung der eigenen Organisation, also höhere Reife der IT-Organisation, beispielsweise durch eine gezielte Einführung von Best Practice entlang des ITIL-Frameworks plus der Unterstützung durch sinnvolle IT-Service-Management-Lösungen“.

Etwas, das Alexander Hochmeier in den letzten Jahren gelernt hat: einen kühlen Kopf zu bewahren – trotz und wegen all der Krisen. „Wenn du selber unsicher bist und wirkst, dann verunsicherst du andere. Beziehe Stellung, erkläre wohin es geht und warum und nimm die Verantwortung explizit an. Mit Transparenz, Ownership, Authentizität und vorgelebter Fehlerkultur kommst du auch durch schwierige Zeiten. Und eines noch: Mut zu Neuem. Denn genau das hat die letzten Jahre geprägt, dass wir Vieles ausprobiert haben, aber eben ernsthaft. Vom Personalmanagement bis zur IT-Strategie sollte man immer mal wieder an alten Ansätzen rütteln“, so der IT-Chef abschließend.


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