S/4 HANA-Migration im Fokus

In Österreich beschäftigen sich rund ein Drittel der SAP-Kunden derzeit mit der Umstellung auf S/4 HANA. SAP-Geschäftsführer Christoph Kränkl spricht im Interview mit Christine Wahlmüller über die Auswirkungen der Corona-Krise, viele Gespräche mit potentiellen Neukunden und die Diskussion mit Bestandskunden über die (unausweichliche) S/4 HANA-Umstellung. [...]

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SAP-Geschäftsführer Christoph Kränkl: »2021/2022 wird der Walfischbauch für S/4 HANA werden.« (c) SAP / Florian Schulte

Wie haben Sie bei SAP die Corona-Krise erlebt, wir haben dazu ja auch im April in der Phase des Lockdowns gesprochen – wie sieht der Status jetzt aus und wie startet SAP, wie starten die Kunden in den Herbst?

Kränkl: Wir sehen ganz unterschiedliche Situationen in der Wirtschaft wie auch bei unseren Kunden: wir haben Branchen, die nach wie vor sehr stark betroffen sind, da die Absatzmärkte zusammengebrochen sind. Aber es gibt auch Unternehmen, die von der Krise nahezu unberührt sind, zum Beispiel im Bereich der Verpackungsindustrie. Hier profitieren die Unternehmen auch von den spürbar gestiegenen Online-Bestellungen. Es gibt auch Kunden, wie etwa die KFZ-Zulieferer, die ihre Mitarbeiter auf Kurzarbeit schicken mussten und reduziert agieren. Über die letzten Wochen betrachtet sehen wir, dass sich durch die Krise einige Projekte verzögern. Die Projekte werden auch genauer selektiert. Was sehr gut läuft, speziell in der Cloud, sind die Planungstools, etwa Supply-Chain-Planning. Wir sehen auch eine starke Nachfrage nach unserer HR-Software SuccessFactors, weil die Unternehmen verstärkt durch die Abwesenheit der Mitarbeiter dringend digitale HR-Prozesse benötigen. Und was uns überrascht hat: Neukunden. Wir führen im Moment sehr viele Neukundengespräche. Viele Geschäftsführer, gerade auch mittelständischen Unternehmen, sagen: `Wir brauchen jetzt eine vernünftiges ERP-System, um die Transparenz über unser Geschäft zu bekommen, und um besser durch die Krise zu steuern ´.

Geht es dabei um S/4 HANA oder andere ERP-Lösungen?

Vor allem S/4 HANA. Viele Unternehmen starten jetzt im ERP-Bereich gerade mit Ausschreibungen. Das sind vor allem gehobene mittelständische Unternehmen. Aber auch Business by Design als ERP-Cloud Lösung wird nachgefragt. Bei den Neukunden kommt die Diskussion, ob sie sich für Cloud  oder on Prem entscheiden, sehr spät. Hier ist das bestimmende Thema eindeutig die Geschäftsprozesse, und wie diese abbildbar sind.

Wenn wir jetzt auf S/4 HANA schauen. Wie geht es denn da mit der Migration voran? Im Juni wurde eine Zahl von 14.600 S/4 HANA Kundenprojekten weltweit bekannt gegeben, das sind bei über 400.000 Kunden weniger als fünf Prozent. Wie sieht es denn da in Österreich aus mit der Migration?

In Österreich haben wir insgesamt rund ein Drittel der Kunden, die sich gerade mit der Migration auf S/4HANA beschäftigen. Das ist aber ein Prozess, der jetzt genau durch die Corona-Krise beeinträchtigt und verlangsamt worden ist. Aber es gibt auch einige Unternehmen, etwa ein führender Maschinenhersteller die arbeiten ohne Verzögerung daran weiter. Seit Ende August spüren wir, dass die Wirtschaft wieder stark anzieht und es spürbar bergauf geht. Mit Blick aufs Geschäft heißt das: Der klassische ERP-On-Prem-Bereich entwickelt sich stabil weiter, nahezu ohne Impact, hier haben wir auch den Public und Health-Sektor als wichtige Bereiche. Im Cloud-Sektor gab es da und dort kleinere Einbrüche: Dienstreisen finden kaum statt, daher  braucht im Moment niemand die entsprechende Software zu Reisekostenabrechnung. Aber die Tendenz in Richtung Cloud läuft insgesamt gut, weil die Leute erkennen, dass sie insgesamt Kosten sparen können. Bei den Neukunden ist auch S/4 HANA Public Cloud ein großes Thema. Bei den Neukunden schätze ich, macht das jetzt sicher schon ein Drittel der Projekte aus.

Wie sollen die Kunden zu einem rascheren Umstieg auf S/4 HANA animiert werden? Der Support für die Business Suite ist zwar jetzt laut Christian Klein jedenfalls bis 2027 garantiert, aber wie reagieren die Kunden?

In dem S/4 HANA Thema gibt es zwei große Gruppen. Die einen mit sehr komplexen, großen Installationen sind froh, dass der Zeitdruck herausgenommen wurde, weil dort die Vorbereitungsarbeit sehr viel Zeit benötigt. Im Core-Bereich Personalverrechnung, konkret HCM, haben wir jetzt eine neue Strategie definiert. Es wird HCM auch in der Cloud geben. Man kann die Komplexität der Personalverrechnung somit in die Cloud verlagern. Die Industrie ist ohnehin stark getrieben, ihre Roadmaps der Migration zu verfolgen, weil sie die Innovation brauchen. Die wollen und müssen in das „intelligent Enterprise“ System.

Die Support Frist ist in der Industrie eigentlich kein Thema. Viel mehr ist hier die anstehende Pensionswelle in den nächsten Jahren und der Abgang der jetzigen Know-how-Träger ein Treiber, jetzt die Migration ordentlich über die Bühne zu bekommen. Ich denke, wir werden im nächsten Jahr noch schneller werden. 2021/22 wird der „Walfischbauch“ für S/4 HANA werden, da wird die Mehrzahl der Kunden in die Migration einsteigen.

Welche Rolle spielen denn da die Partner, 80 Prozent der Kunden sind ja von Partnern betreute Mittelstandskunden?

Die Partner haben bereits viel Kompetenz zu S/4 HANA aufgebaut, so hat etwa unser Partner CNT allein dafür 20 Mitarbeiter aufgenommen. Dafür wurde auch ein komplett eigenes Schulungsprogramm entwickelt. Auch Phoron ist ein bewährter Partner, hier wird zudem gerade eine eigene Cloud-Tochter gegründet. Natürlich sind auch SCC und UnitIT für uns wichtige Partner im S/4 HANA Bereich, um noch zwei Namen zu nennen. Nicht zu vergessen die großen globalen Partner wie Atos und Accenture.

Inwieweit macht sich da auch die Neuorganisation und neue Struktur bemerkbar, die SAP-CEO Christian Klein vorgibt?

Man merkt deutlich, dass es jetzt in die richtige Richtung läuft, da gibt es eine ganz klare Vorgabe. In den letzten Jahren haben sehr viele Zukäufe stattgefunden. Und zweitens bei den Produkten und Services. Auch bei den Developern ist die Strategie klar und deutlich. Schnittstellen und die Interoperabilität sind hier ganz wichtig zu nennen. Das kommt natürlich auch bei den Kunden gut an.

Auch die im Juli bekannt gegebene Partnerschaft mit Siemens im Bereich PLM (Product Lifecycle Management) wird gut vom Markt aufgenommen. Da entsteht jetzt eine gemeinsame geballt Kraft. Hier wird gemeinsam an einer Entwicklung für eine integrierte Lösung für PLM, Supply Chain und Service- und Asset Management gearbeitet.

Stichwort Zukäufe: Bei Qualtrics wurde der Börsegang angekündigt, inwieweit wirkt sich das auch in Österreich aus, und gibt es schon Qualtrics Kunden?

Ja, wir haben auch in Österreich schon einige Kunden bzw. arbeiten wir derzeit an einigen konkreten Projekten. Mein Fazit ist: Vor Corona haben wir große Projekte verkauft, jetzt geht es mehr um land-and-expand. Die Projekte sind einfach kleiner, es ist eine vorsichtige Strategie der kleinen Schritte.


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