Wege zum „Intelligent Enterprise“

Auf der Kundenkonferenz Sapphire, die vom 13. bis 19. Juni coronabedingt erstmal virtuell über die Bühne ging, hat SAP neuerlich die Strategie des "Intelligent Enterprise" präsentiert. Die COMPUTERWELT hat dazu mit Mark Raben, CTO SAP MEE gesprochen. [...]

Mark Raben, CTO SAP MEE: "Daten spielen eine zentrale Rolle, man muss die Daten schlau kombinieren."
Mark Raben, CTO SAP MEE: "Daten spielen eine zentrale Rolle, man muss die Daten schlau kombinieren." (c) SAP

Zur heuer erstmals virtuell ablaufenden Sapphire hat die Computerwelt ja schon ausführlich berichtet. Doch was bedeutet das große Schlagwort des „Intelligent Enterprise“, das SAP CEO Christian Klein auch auf der Sapphire einmal mehr betont hat, und wie viel an KI und Machine Learning-Technologie wird damit für SAP Kunden anwendbar?

KI-Definitionen gibt es ja sehr viel, wie würden Sie das Thema KI aus SAP-Sicht einordnen?

Der Begriff künstliche Intelligenz umschreibt ein sehr breites Gebiet. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, intelligentes menschliches Verhalten oder Handlungen durch Maschinen zu simulieren. Das geschieht auf drei Ebenen: Entscheidungen treffen, Interaktion, Anpassung und Lernfähigkeit. Hier wird versucht, der Maschine zu lernen, wie ein Mensch handeln würde. Der Fokus von SAP liegt auf dem Maschinellen Lernen (ML). Das findet man auch schon ganz konkret in unseren Produkten wieder. Etwa in dialogorientierten Anwendungen, um Chatbots zu programmieren. Oder in Tools zur Entscheidungsunterstützung. Etwa, um Finanzabteilungen dabei zu unterstützen, die Kreditwürdigkeit von Kunden zu prüfen. Da gibt es also schon ganz konkrete Lösungen, die wir auf Basis von ML-Technologien zur Verfügung stellen.

Jetzt hat KI auch viel mit Business Intelligence (BI) zu tun, ein inzwischen schon altherkömmlicher klassischer Begriff. Oder auch mit Predictive Analytics …

Das ist ja bei SAP auch zu sehen. Daten spielen da eine zentrale Rolle. Und da geht es nicht nur um das Thema Daten-Analyse, sondern um Daten-Orchestrierung – dass man in einer hybriden Umgebung so viel wie möglich an Daten, ob strukturiert oder unstrukturiert, nutzen kann. Wichtig dabei ist, die Daten auf schlaue Art zu kombinieren und daraus Intelligenz zu kreieren. Das bedeutet natürlich auf der Tool-Seite ganz andere Voraussetzungen als eine reine Datenbank, mit deren Hilfe man Analysen macht. Deswegen sprechen wir bei SAP auch von Data Intelligence. Da geht es um das Antrainieren von Modellen, das ist sehr nah an die Daten angebunden. Daraus entstehen dann allerhand Anwendungen. Und dann geht es darum, Data Intelligence so gut wie möglich in Prozesse zu integrieren, dass man etwa einen Chatbot direkt in der Interaktion mit einem Kunden nutzen kann.

SAP hat ja auch das Schlagwort des Intelligent Enterprise geprägt, das auch auf der Sapphire oft zu hören war. Was bedeutet das letztlich?

Unsere Strategie ist aus jedem Unternehmen ein intelligentes Unternehmen zu machen. Intelligente Unternehmen nutzen neueste Technologien, um gewonnene Erkenntnisse in Handlungen umzusetzen – unternehmensweit und in Echtzeit. Dazu bedarf es einer intelligenten Nutzung von Tools im Enterprise-Kontext. Das bedeutet nicht nur Integration in einen Prozess, sondern auch dass man es skalieren kann, dass es stabil ist, dass man es wieder verwenden kann. Bleiben wir beim Beispiel Chatbot. Hier bieten wir etwa  Services, um einen Chatbot anzutrainieren. Auch können sich Kunden vordefinierte Bots herunterladen, die schon für einen Service-Dialog in einem bestimmten Umfeld definiert sind. Auch bieten wir die komplette Integration des Chatbots in den Service-Prozess. Wichtig ist schon, dass man ML in einem Enterprise-Kontext wirklich vernünftig machen kann, das wird oft vergessen.

Aber wie gelingt die Kombination zwischen den Menschen und KI? Wie funktioniert das Zusammenspiel?

Solche Fragen können durchaus ins philosophische abdriften. Menschen sind natürlich intelligent und lernfähig. Künstliche Intelligenz versucht, unsere Anpassungs- und Lernfähigkeit auf die Maschinen zu übertragen. Menschen treffen aber in der Realität oft Entscheidungen aus dem Bauch heraus und nicht immer rational, und Maschinen können nur Entscheidungen in einem Rahmen treffen, in dem sie programmiert sind. Wenn Menschen und Maschinen zusammenarbeiten, darf man die Maschine dabei nicht überbewerten, aber den Menschen auch nicht. Es kann ein gutes Zusammenspiel sein. 

Wie sieht die Umsetzung auf Technologie Ebene jetzt aus, da war auf der Sapphire ja einiges dazu zu hören, der neue Begriff heißt jetzt ja offenbar Business Technology Plattform?

Das ist quasi das Fundament, da werden alle Technologien bereitgestellt. Da gibt es zwei Wege, wie man das nutzen kann. Entweder von der Stange als Standardlösung: Wir haben sehr viele intelligente Anwendungen entwickelt, die komplett in einen bestehenden Prozess integriert sind, ein Beispiel ist da etwa Invoice Matching. Dann gibt es Tools, die können die Kunden nutzen, um eigene, maßgeschneiderte Anwendungen auf der Plattform selbst zu entwickeln, das fängt an bei Data Intelligence, bedeutet aber auch Data Pipelines zu bauen und ML-Modelle anzutrainieren.

Und wo stehen die meisten Unternehmen jetzt, wenn es um den KI-Einsatz geht?

Wenn ich mit unseren Kunden rede, ist das meist sehr pragmatisch: Die Frage ist meist: Wir haben hier eine bestimmte Herausforderung und wie können wir die konkret lösen? Und welche Technologien eignen sich dafür? Ein Beispiel aus der Logistik: Da geht es um die Verfrachtung von Gütern in Containern, kann man da nicht irgendwo Sensoren anbringen, damit man die Container steuern bzw. verfolgen kann, um die Lieferkette zu optimieren. Mein Fazit ist: Ich muss sagen, dass die Unternehmen oft schon sehr weit sind, ohne dass es so gehypt wird, weil die das einfach als pragmatische Lösung sehen.

Welche Branchen sind denn trotzdem hier die Treiber für den Einsatz von KI und ML?

Das geht ganz einfach nach dem Grundprinzip der Dringlichkeit, das haben wir jetzt bei Covid-19 auch hinsichtlich Home Office gesehen. Auf einmal können wir alle zu Hause arbeiten, wo wir uns früher sehr schwer getan haben. Das geht in Unternehmen auch oft so. Dringlichkeit spielt eine große Rolle, schauen Sie sich Banken und Versicherungen an, die stehen sehr unter Druck, wo die Welt sich gerade sehr verändert, wo das gesamte Produkt schon komplett digital ist. Sehr physische Unternehmen folgen später. Aber auch im Handel sieht man enorme Bewegungen, etwa im Bereich Kunden-Experience. Letztlich geht es immer um drei Niveaus beim Einsatz von KI. Erstens, wie kann ich meine Prozesse effizienter gestalten. Zweitens: Welchen direkten Einfluss haben die neuen Technologien auf die Produkte und Dienstleistungen, Beispiel autonom fahrende Autos. Drittens: Wenn das Produkt immer digitaler wird, entstehen auch neue Geschäftsmodelle. Und das gilt für eigentlich jede Branche. 

Gibt es da ein paar Projekte, die Sie etwas näher beschreiben können?

Es gibt da schon eine Reihe an KI-Projekten, die sehr interessant sind. Etwa eine  Kooperation mit Signify (Philips Lighting) im Sinne von Smart Lighting. Hier wurden  spezielle Lichtszenarien entwickelt, die auf die besonderen Anforderungen bestimmter Pflanzen und von Gemüse zugeschnitten sind. Dadurch können die Erzeuger die Qualität, den Geschmack und die Erträge ihrer Produkte verbessern und gleichzeitig Betriebskosten einsparen.

Bilderkennung ist der Star der innovativen Lösung, die wir zusammen mit Gasunie, einem Gasinfrastrukturunternehmen aus den Niederlanden entwickelt haben. Die Abteilung Special Assignments der Organisation kümmert sich um Katastrophen, arbeitet aber auch an Projekten, die das Fachwissen des Teams erfordern. Die Kommissionierung dieser Artikel für einen Einsatz vor Ort nimmt viel Zeit in Anspruch, und dasselbe gilt für die Rücksendung ins Lager. Wir haben eine Anwendung für Tablets gebaut, die basierend auf Bilderkennung und maschinellem Lernen den Kommissionier- und Rückgabeprozess von Stunden auf Minuten reduzierte.  

Wie wird sich denn das Thema KI in der nahen Zukunft in den nächsten Jahren entwickeln?

Die Tools werden noch viel stabiler werden und viel besser funktionieren. Auch das Zusammenspiel Mensch und Maschine wird um einiges selbstverständlicher werden. Ich glaube fest daran, dass Mensch und Technologie sich sinnvoll ergänzen.

Welches Gefühl hätten Sie, in ein autonomes Auto einzusteigen?

Ich finde die Entwicklung sehr spannend, ich bin auch ursprünglich gelernter KFZ-Ingenieur. Es wird allerdings noch sehr lange dauern, bis das Realität wird. 

Zur Person

Mark Raben, CTO MEE, SAP war als Keynote-Sprecher beim CW Virtual Event „KI Praxis im Unternehmen“ vertreten, das im Mai stattfand. Anbieterverzeichnis und Messe des KI Virtual Events bleiben kostenlos zugänglich. Alle Vorträge und Expertenrunden sind mit dem VIP Ticket zum Preis von 49 Euro on-demand verfügbar.  https://ki.cwevents.live 


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